Hommage an Poet Bethge
Höchster Kreisblatt,
11.12.2001
Von Jürgen Dehl
Münster. Es lebe
der literarische Salon. Regina Berlinghof,
Gerhard Singer (Bariton)
und Bernd Winter (Klavier) zeigten
im Kulturbahnhof, wie
staubfrei diese Institution des 19.
Jahrhunderts ist. Anlass
für die Runde war der fast
vergessene Poet Hans
Bethge. 2001 jährten sich sein 125.
Geburtstag und sein
55. Todestag. Durch eine Reihe
glücklicher Fügungen
erlangte die Kelkheimer Autorin und
Kleinverlegerin Berlinghof
die Rechte an Bethges Werk. In
Berlinghofs „Yin Yang
Media Verlag“ wird das Gesamtwerk
des Dichters veröffentlicht.
Zwei Bände sind bereits
erschienen. Darunter
auch Nichtpubliziertes aus dem
Nachlass.
Bethge schrieb Essays,
Dramen und Erzählungen. Seine
Nachdichtungen orientalischer
Poesie machten ihn populär.
Heute wird ihm „vorgeworfen“,
dass er für seine Fassungen
nicht auf die Originale
zurückgriff, sondern auf
Übersetzungen.
Wer unvoreingenommen die
Nachdichtungen liest
(oder wie in diesem Falle: hört),
staunt über die
Düfte und Stimmungen, die Bethge einfing.
Geschickt verband Regina
Berlinghof Biographisches mit den
Dichtungen. Generelles
Thema des Abends: Liebe. Auch
schimmert in den Gedichten
ein Islam auf, den heute kaum
einer für möglich
halten mag. Geschimpfe über die „Pfaffen“
und die jeweiligen Dichter
sind nicht immer nur von Liebe
trunken. Handfest schildert
beispielsweise Hafis, wie er
sturzbesoffen aus einer
Kneipe wankt. Dazu lassen die
orientalischen Poeten
die zartesten Wortbilder um Flöten,
Birnenbaumblüten
und Nachtigallen schweben.
Hieß es zu Beginn
„fast vergessen“, so sollte hier das
Wörtchen „fast“
erläutert werden. Bethges Sprache
inspirierte die Tonschöpfer
seiner Zeit. Die hießen nicht nur
Schönberg und Richard
Strauß, sondern auch Franz Lehar.
Die „Birnbaumblüten“
sind in der Operette „Land des
Lächelns“ zu „Apfelblüten“
geworden. Ansonsten folgte der
Librettist dem Bethgeschen
Gedicht.
Wesentlicher Bestand
des Abends: Musik. Gerhard Singer
und Bernd Winter trafen
eine beglückende Auswahl. Um die
Vielfalt der Vertonungen
deutlich zu machen, quälte sich
Bariton Singer in tenorale
Höhen. Die Qualen erduldete
allerdings nur der Sänger,
nicht das Publikum. Enorme Kraft
steckte hinter den Spitzentönen.
Gerhard Singer sang nicht
nur gut, er bewährte
sich auch als Darsteller. Manches Lied
deutete er szenisch
aus. Drei besondere Juwelen: Lieder
von Viktor Ullmann.
Der Komponist wurde in Auschwitz
ermordet.
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