KULTUR
Nachdichtungen orientalischer Liebeslyrik
31.01.2006
LESUNG / Verlegerin Regina Berlinghof rezitierte bei einer Matinee im Kornhaus Gedichte von Hans Bethge
KIRCHHEIM Zum Auftakt seines neuen Veranstaltungsreigens lud der Literaturbeirat der Stadt zu einer musikalisch-literarischen Matinee ins Kornhaus. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die orientalische Liebeslyrik von Hans Bethge,
RENATE SCHATTEL
vorgelesen von der Schriftstellerin, Herausgeberin und Verlegerin Regina Berlinghof. Bariton Gerhard Singer und Pianist Bernd Winter trugen Vertonungen verschiedener Komponisten von Bethges Nachdichtungen asiatischer Lyrik vor und Vorleserin wie Musiker konnten den Zauber, den Charme und die Tiefgründigkeit der Verse Bethges dem Publikum eindringlich vermitteln.
Mit insgesamt zwölf Bänden hat Regina Berlinghof nun das 2001 begonnene ehrgeizige Werk abgeschlossen. In ihrem Verlag sind die Nachdichtungen Hans Bethges aus dem gesamten orientalischen Sprachraum mit Titeln wie "Hafis", "Die armenische Nachtigall", "Der persische Rosengarten" oder "Pfirsichblüten aus China" sowie seine Biografie erschienen. In der Lesung bündelte sie einen Einblick in die verschiedenen Kulturen und Mentalitäten von Afghanistan bis China, der Türkei bis Persien, dem Land des bedeutenden Dichters Hafis, der bei Hans Bethge für die Nachdichtung einen besonderen Stellenwert innehatte. Wer war Hans Bethge?
Seine Eltern seien aus Landwirtschaftsfamilien entsprossen, erzählte die Verlegerin. Der Vater sei als Kaufmann nach Dessau gezogen, wo der Sohn Hans 1876 geboren sei. In seiner Kindheit und Schulzeit habe Bethge nach eigenen Angaben sehr unter dem Wilhelminischen Drill gelitten. Als der Vater Selbstmord beging, sei Hans als nunmehr 15-Jährigem die ganze Verantwortung für die Familie aufgelastet worden. Bethge habe in Erlangen und Genf Neuere Sprachen und Philosophie studiert und sich 1898 mit dem Lyrikband "Die stillen Inseln" der Öffentlichkeit gestellt. Seinen Lebensunterhalt habe er mit Reisebeschreibungen, Erzählungen und Essays verdient.
"Er war ein Ästhet durch und durch und pflegte Freundschaften zu vielen Künstlern, wie dem Worpsweder Kreis", stellte die Verlegerin fest. Wichtige und umsatzstarke Werke mit einer Auflage von fast 100 0001) Stück seien die "Anthologie Deutscher Lyrik seit Liliencron" und die "Lyrik des Auslandes in unserer Zeit" gewesen. Das Leben im Nationalsozialismus habe dem in Berlin lebenden Dichter sehr zugesetzt. 1943 sei er sehr geschwächt vor den Bombenhageln in Berlin nach Kirchheim zu seinem Freund Ernst Geiser geflohen. Im Jahr 1945 verstarb er im Göppinger Krankenhaus. Beigesetzt wurde er in einem Grab auf dem Alten Friedhof in Kirchheim, das bis heute besteht.
Schwerpunkt seiner Lyrik sei der persische Dichter Hafis gewesen, wusste Regina Berlinghof zu berichten. Hafis sei anerkannter Theologe in Schiras gewesen, der schon zu Lebzeiten wegen seiner freisinnigen Liebesverse, wegen seiner Hymnen auf den verbotenen Wein und der Spottgedichte gegen die Heuchelei der Buchstabenfrommen angefeindet wurde. Aber auch Omar Khayyams feurige bis melancholische Liebesgedichte und ketzerische Verse, die aus dem Geist der Liebe die Freiheit des Denkens und Handelns verkünden, die Allah kritisch hinterfragen hat Bethge nachgedichtet und die Verlegerin im Kornhaus zum Vorlesen inspiriert.
Die beiden musikalischen Interpreten trugen Vertonungen aus der "geheimnisvollen Flöte" und aus "Hafis" vor. Von den mittlerweile 180 Komponisten, die sich mit Hans Bethge beschäftigt hatten, wählten sie Artur Immisch (1902-1949) und Viktor Ullmann (1898-1944) aus. Gerhard Singer und Bernd Winter gestalteten die dramatisch-melancholischen, mit hintergründigem Schalk versehenen Lieder expressiv. Gerhard Singer spielte mit seinen stimmlichen Klangfarben von klirrender Stahlhärte bis zur weichsten Samtigkeit. Bernd Winter ergänzte ihn am Kaim-Flügel in Ausdruck und Duktus vorzüglich. Als spezieller Genuss gelang Franz Lehars "Von Apfelblüten einen Kranz" aus "Das Land des Lächelns", das auf der Nachdichtung "Der Verschmähte" von Hans Bethge beruht und das heiter-schwermütigen Flair der Verse musikalisch einfängt. Eine faszinierende Matinee, die Lust machte, die Verse Hans Bethges nachzulesen.
1) Kleine Korrektur: Die Auflagenhöhe von 100.000 bezog sich auf Hans Bethges "Chinesische Flöte" (Regina Berlinghof)