Regina Berlinghof |
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Man kann das Buch ein Pamphlet nennen. Nicole Keppler klagt an, schreit ihre Vorwürfe heraus, tritt allen auf die Füße, auch denen, die ihr und ihrem Anliegen helfen wollen. Als ich ihren Buchstand auf der kleinen Messe in Nidderau zum ersten Mal sah, erschrak ich. „Mein Hund ist ein Jude in Deutschland“ stand auf einem Plakat. Das Buch „Der Steuerjude“ schien mit seinem Titel schlimmste Vorurteile gegen Juden zu bekräftigen. Meine Nachbarin – eine Antisemitin? Dann stellte sich heraus, daß sie selbst Jüdin ist. Sie schimpft auf die Deutschen, auf die Juden in Deutschland, auf den Zentralrat, auf die eingewanderten Juden, auch auf Israel und die hochmütigen Jeckes und aus Europa stammenden Juden, die auf die orientalischen Juden wie auf die Araber herabsehen. Sie selbst ist in Casablanca geboren, dort und in Frankreich aufgewachsen. Als Jugendliche wanderte sie nach Israel ein, leistete dort den Wehrdienst und arbeitete dort, bis sie Karlheinz, einen Deutschen kennen und lieben lernte. Sie spricht fließend französisch, deutsch, hebräisch, vermutlich auch englisch und arabisch. Ihr Lebensdrama, besser Lebenstrauma, begann mit der Einreise nach Deutschland. Das Anmeldeformular erregte Verwunderung, Ärger: Wieso fragt der deutsche Staat nach der Religion? Ist das nicht jederfraus Privatangelegenheit? Sie wollte ihren Kopf hochtragen und trug sich als Jüdin ein. In Folge davon bekam sie Einladung der jüdischen Gemeinde von Frankfurt und die Aufforderung zur Zahlung ihrer Kultussteuer. Nicole Keppler wußte nicht, daß man hierzulande mit der Erklärung seiner Religionszugehörigkeit automatisch Mitglied einer staatlich anerkannten Kirche oder einer der jüdischen Gemeinden wird, die im Zentralrat der Juden in Deutschland zusammengeschlossen sind. In Frankreich und Marokko kannte sie nur Gemeinden mit freiwilligen Mitgliedern – Gemeinden, die von den Spenden der Mitglieder oder den Gebühren für beanspruchte Leistungen bei Hochzeit, Beerdigung usw. leben. Sie ignorierte die Zahlungsaufforderungen, bis der Gerichtsvollzieher vor der Tür stand. Ihr Ehemann beglich die Gebühren. Nicole Keppler, eine impulsive, gefühlsbetonte und freiheitsliebende Frau, sah es nicht ein, daß sie sich unterwerfen sollte. Sie war der jüdischen Gemeinde nicht beigetreten. Also konnte man von ihr auch keine Mitgliedsbeiträge fordern. Sie forschte nach und entdeckte, daß die binnendeutsche Verquickung von staatlichem Einzugsverfahren für die Staatskirchen bzw. den Zentralrat der Juden auf der Anwendung des Konkordats von 1933 beruhte, das zwischen Hitler und dem Vatikan geschlossen worden war. Dieses Konkordat, das den Kirchen das Selbstverwaltungsrecht einräumt und den Staat zum Einzug der Kirchensteuer für die Kirchen berechtigt, wurde 1949 im Grundgesetz für gültig erklärt. Es wird nun auch zur Grundlage des Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Juden – vertreten durch den Zentralrat der Juden. Es handelt sich um „Staatsverträge“ zwischen der Bundesrepublik und der evangelischen und katholischen Kirche wie auch mit dem Zentralrat der Juden. Einmalig auf der Welt. Eine Regelung des Religiösen zwischen Staat und den Organisationen – nicht mit den Gläubigen oder Religionsangehörigen selbst. Das religiöse Bekenntnis führt zu einer Zwangsmitgliedschaft samt Steuerzahlungen, über die der einzelne Bürger nicht bestimmen kann. Er kann höchstens aus der Zwangsmitgliedschaft austreten. Das hat Nicole Keppler getan – mit der Wirkung, daß sie damit in Deutschland nicht mehr als Jüdin gilt, jedenfalls nicht mehr als staatlich anerkannte Jüdin. Dies hat Nicole Keppler wiederum so erbost, daß sie – um nicht auf ihre Identität verzichten zu müssen, ihre mittlerweile erworbene deutsche Staatsbürgerschaft zurückgegeben hat. Da ihr der Staat Israel, die Botschaft in Bonn in diesem innerdeutschen jüdischen Streit nicht half, blieb sie staatenlos, griff auf die wieder angebotene israelische Staatsbürgerschaft nicht zurück. Seitdem bombardiert Nicole Keppler die Behörden, alle staatlichen Stellen und Petitionsstellen bis hin zum Bundestag und Bundesrat mit ihren Eingaben, Vorwürfen und Schimpfkanonaden auf das Nazirecht, das immer noch gelte und sie ihrer Identität als Jüdin beraube. Gleichermaßen wütet sie gegen die Juden-Immigranten aus Rußland und anderen Ex-Ostblockstaaten, die vom Zentralrat „importiert“ und damit steuerlich unterstützt würden (auch von ihrem Steuergeld), ohne tatsächlich Juden zu sein. In den Staaten des Ostblocks ist inzwischen gut bekannt, daß man ohne Asylantenprobleme einen Freifahrtschein nach Deutschland bekommt, wenn man sich als Jude ausgibt. Papiere und Stempel lassen sich leicht kaufen. In ihrer Wut, ihres eigenen Judentums beraubt zu werden, verliert sich hier Nicole Keppler in Ausfällen, die mit ihrer eigenen Sache wenig zu tun haben. Oder doch? Das
Problem der Staatsverträge ist, daß die Religionsgemeinschaften
quasi in einem grundrechtsfreien Raum ihre Angelegenheiten selbst regeln
dürfen. Der Staat hält sich heraus, wenn die katholische Kirche
bedingungslosen Gehorsam und Zölibat von Priestern, Mönchen und
Nonnen verlangt. Er hält sich auch heraus aus der Frage, wer Jude
ist. Das überläßt er dem Zentralrat der Juden, und der
bevorzugt seine eigenen Mitglieder. Wer nicht der Linie des Zentralrats
folgt und draußen bleibt – wie die liberalen Gemeinden, wird von
den staatlichen Geldtöpfen ferngehalten. Der einzelne kann sich gegenüber
den Religionsorganisationen und ihren Vertretern nicht auf die Grundrechte
berufen. Der Staat versagt hier dem einzelnen Bürger den Schutz seiner
Freiheits- und Selbstbestimmungsrechte.
Nicole
Kepplers Webseite mit weiteren Infos zum Buch - auch Bestellmöglichkeit
- ist:
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