Lesung in Stockstadt - Buchmesse 2006:
Bericht des Darmstädter Echo vom 15.3.2006

Unerwartet freigeistig

Buchmesse: Regina Berlinghof stellt in ihrer Lesung in Stockstadt drei große Dichter des orientalischen Mittelalters vor leer

STOCKSTADT. Zu einer spannenden Reise in nahöstliche Gedankenwelten lud am Samstag Regina Berlinghof bei der Buchmesse ein. Indische und persische Liebesgedichte von drei großen Dichtern der Weltliteratur, die in ihrem Ein-Frau-Betrieb YinYang Media Verlag erschienen sind, hatte die Kelkheimerin mitgebracht: Werke der indischen Rajputenprinzessin Mirabai (1498 bis 1546), sowie der beiden persischen Freigeister Hafis (1320 bis 1390) und Omar Khayyam (1040 bis 1122).

Alle drei überraschen, weil sie gegen die Dogmen ihrer Religion verstoßen. In Zeiten, wo Karikaturen weltweite religiöse Unruhen verursachen können, wirken die beiden Muslime geradezu ketzerisch.

Die Verse Mirabais sind erstmals in deutscher Übersetzung erschienen. Übersetzerin Shubhra Parashar, die eigentlich ebenfalls lesen sollte, ist derzeit in Indien mit einem zweiten Buch beschäftigt. In Indien werde Mirabai von Menschen aller Religionen und Kasten verehrt, so Berlinghof. Schon als Kind hatte sich die Prinzessin der Verehrung des Gottes Krishna verschrieben, den sie wie einen Geliebten begehrt. Als „Liebesnärrin“ bezeichnet sie sich selbst.

Ihr Mann Bhojraj, den sie aus politischen Gründen heiraten muss, hat Verständnis für sie; die Probleme beginnen nach seinem Tod. Weil Mirabai mit Glöckchen an den Füßen im Tempel tanzt, beschimpft die Schwiegermutter sie als „Sippenzerstörerin“. Mordanschläge des Königs überlebt sie der Legende nach, weil Krishna ihr hilft. Ihr Leben beschließt sie als Wanderheilige.

Wesentlich bekannter in Deutschland sind die beiden Perser: Omar Khayyam, der zur Zeit des ersten Kreuzzugs lebte, war ein genialer Mathematiker und Astronom und reformierte den persischen Kalender. Erst nach seinem Tod veröffentlicht wurden 1000 Verse, in denen er teilweise hart mit Gott ins Gericht geht: „Du suchst uns, Gott, durch schreckliche Versuchung heim; Vergib die Sünden, die belasten unser Leben, – Auch deine Sünden seien dir vergeben!“, heißt es da beispielsweise. In anderen Versen bekennt Khayyam, dass ihm Wein lieber sei als alle Predigten und ihm Asketen vom Leib bleiben sollen.

Als Koranlehrer wirkte Hafis, eigentlich Mohammed Schems-ed-Din, aus der persischen Stadt Schiraz. Der Beiname Hafis steht für jemanden, der den Koran auswendig kennt. Er soll außerdem einem mystischen Orden der Sufi (Asketen, Mystiker) angehört haben. „Ein Saitenspiel, ein Becher Wein, ein Tanz schlankbeiniger Mädchen, einer Liebsten Gunst und dann ein Schweigen“ – das sind für Hafis die „Kostbarkeiten dieser Erde“.

Die Sammlung seiner Gedichte im Diwan inspirierte Johann Wolfgang Goethe, der Hafis als seinen geistigen Zwillingsbruder betrachtete, schließlich zum „West-Östlichen Diwan“.

mam
15.3.2006

http://www.echo-online.de/suedhessen/template_detail.php3?id=360009



zurück


© 2006 Darmstädter Echo / Ried