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ABGEDRUCKTER(?)  LESERBRIEF AN DIE FAZ
 

29. April 1996 
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Redaktion Leserbriefe

Betrifft: Schopenhauer und Ihre Glosse "Starrsinn" (hal) im Wirtschaftsteil, 29.4.1996

Sehr geehrte Damen und Herren,

das hat Arthur Schopenhauer nun wirklich nicht verdient, daß sein Werk "Die Welt als Wille und  Vorstellung" als Beispiel für die "deutsche Eigenschaft, sich die Dinge so zurechtzudenken, wie man sie gerne hätte", herhalten muß. So aber leider geschehen in Ihrer Glosse "Starrsinn" zu den Streiks gegen die Verlängerung der Ladenschlußzeiten (FAZ vom 29.4.96). Gerade Schopenhauer hat zeit seines Lebens gegen das Unwesen angekämpft, die Welt nur aus abstrakten Begriffen und logischen Schlußfolgerungen erklären zu wollen. Die Philosophen haben ihm das lange übel genommen und ihn darum in die Ecke gestellt. Aber lassen wir Schopenhauer selbst zu Wort kommen. Ich zitiere aus dem zweiten Band der Parerga und Paralipomena "Über die Erziehung": "Der Natur unseres Intellekts zufolge sollen die Begriffe durch Abstraktion aus den Anschauungen entstehn, mithin diese früher dasein, als jene. [...] Dem Gesagten zufolge wäre der Hauptpunkt in der Erziehung, daß die Bekanntschaft mit der Welt [...] vom rechten Ende angefangen werde. Dies aber beruht, [...] hauptsächlich darauf, daß in jeder Sache die Anschauung dem Begriffe vorhergehe, ferner der engere Begriff dem weiteren [...]. Sobald aber in dieser Reihe etwas übersprungen ist, entstehn mangelhafte, und aus diesen falsche Begriffe und endlich eine auf individuelle Art verschrobene Weltansicht, wie fast jeder sie lange Zeit, die meisten auf immer, im Kopf herumträgt. [...] Bei der künstlichen Erziehung wird, durch Vorsagen, Lehren und Lesen, der Kopf voll Begriffe gepfropft, bevor noch irgendeine ausgebreitete Bekanntschaft mit der anschaulichen Welt daist. Die Anschauungen zu allen jenen Begriffen soll nun die Erfahrung nachbringen: bis dahin aber werden dieselben falsch angewendet und demnach die Dinge und Menschen falsch beurteilt, falsch gesehn, falsch behandelt."

Mit freundlichen Grüßen
Regina Berlinghof
 

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