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NICHT ABGEDRUCKTER LESERBRIEF AN DIE FAZ
27. Oktober 1996
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Redaktion Leserbriefe Betrifft: Mark Siemons: Sklaven und Briganten - Feuilletonartikel vom 26. Oktober 1996 Sehr geehrte Damen und Herren, ich stelle mit Erstaunen fest, daß ich mich nach den Kriterien Mark Siemons als Antikapitalistin und Saboteurin ökonomischer Interessen verstehen muß, weil ich mich in meinem Berufsleben durchaus mit entrüsteten Kunden und Kollegen anderer Abteilungen solidarisiert habe, wenn etwas in der internen Organisation schiefgegangen war. Eigentlich dachte ich, damit dem Firmeninteresse zu dienen. Halten Sie die Kunden für so blöd, daß sie nicht merken, wenn man sie mit fadenscheinigen Gründen hinhält und nur um die eigene schöne Fassade kämpft? Im umgekehrten Fall fühle ich mich für dumm verkauft und suche mir beim nächsten Mal ein anderes Unternehmen, dessen Angestellte mir mit Ehrlichkeit und damit mit Respekt begegnen. Ich habe es immer wieder erlebt, daß Kunden gerade deswegen Vertrauen zu mir hatten und wiederkamen, weil ich auch mal eigene Fehler oder interne Versäumnisse eingestand. Schließlich leben wir nicht mehr in einem obrigkeitlich geprägten Staat, in dem dem Kunde=Almosenempfänger froh sein kann, daß er überhaupt etwas bekommt, sondern in einer modernen Servicegesellschaft. Nur haben manche Firmen und Chefs in Deutschland das immer noch nicht gemerkt. Wenn ein System mich zwingen will, Kunden oder Kollegen anzulügen und ihr Vertrauen zu betrügen, dann verweigere ich mich und handle tatsächlich „subversiv“. Das war und ist für mich eine Frage des Gewissens und der Selbstachtung, auch wenn ich mir damit einige Rüffel eingehandelt habe. In diesem Sinne begreife ich mich wirklich als Antikapitalistin oder Nonkonformistin. Daß dies zu wirtschaftlichen Nachteilen führt, wage ich zu bestreiten. Als heutige Freiberuflerin kann ich jedenfalls bestens damit leben. Mit freundlichen Grüßen
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