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LESERBRIEF AN DIE FAZ, abgedruckt am 2.9.1997
26. August 1997
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Redaktion Leserbriefe Durchs Jahrhundert des Romans: 1813 - Jane
Austen: Stolz und Vorurteil
Sehr geehrte Damen und Herren, Generationen von Übersetzern haben sich an dem trockenen Humor der Jane Austen und der Prägnanz ihrer Sätze die Zähne ausgebissen, darum sollte der Eingangssatz des Romans ruhig einmal im Original zitiert werden: „It is a truth universally acknowledged, that a single man in possession of a good fortune, must be in want of a wife.“ Dem wortwörtlichen Sinne dieses Satzes huldigt ungeniert die Mutter der Heldin, die fünf Töchter ohne Mitgift und Altersversorgung unter die Haube bringen will. In welche Sippschaft er da hineinheiraten würde, erkennt der aristokratische und stolze Held Mr. Darcy sogleich. Er würde nicht nur eine schwatzsüchtige Schwiegermutter mitheiraten, sondern dazu auch ein paar leichtsinnige jüngere Schwestern, die sich von jedem Mannsbild in langen Hosen den Kopf verdrehen lassen. Nur hängt sein Herz bereits am Bandel der klugen und lebhaften Elizabeth, die - von seinem snobistischen Stolz geschnitten und gekränkt - allzu willig ihr Ohr den verleumderischen Andeutungen seines Rivalen leiht und Darcy fortan durch die Brille ihrer Vorurteile sieht. Die Rollen von Stolz und Vorurteil sind also etwas anders verteilt, als von V.R. beschrieben. Die Liebe öffnet den beiden zwar die Augen für ihre Verblendungen, läßt sie aber vor Scham zerknirscht fast handlungsunfähig werden. Glücklicherweise wirken sich dann Stolz und Vorurteil personifiziert durch die hocharistokratische Lady Catherine de Bourgh segensreich aus: ihr donnergleiches Eingreifen, mit dem sie Darcy und seine 10000 Pfund für ihre eigene Tochter beansprucht, zerschlägt den lähmenden Knoten und läßt die Liebenden zueinander finden. Mit freundlichen Grüßen
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