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NICHT ABGDRUCKTER LESERBRIEF AN DIE
FAZ
4. Oktober 1997
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Redaktion Leserbriefe Wolfgang Günter Lerchs Leitartikel: Der Westen als „Ausreißer“ vom 4.10.97 Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für den Leitartikel „Der Westen als Ausreißer“ von Wolfgang Günter Lerch, der sehr zutreffend die Vorbehalte vieler Muslime und Christen im Orient gegen den „gottlosen Westen“ analysiert. Danke auch für die Hinweise auf die Bücher von Guénon und Seyyid Hossein Nasr. Es ist etwas Wahres dran: Im Kampf gegen Kirche, geistige Bevormundung und vorgegebene Glaubensinhalte hat der Westen in Sachen Religion das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Eine „unheile“, sinnlose Welt bleibt für den zurück, der das Göttliche nicht mehr als den Kern allen Seins erkennen kann. Andererseits bedeutet Ehrfurcht vor dem Heiligen gerade nicht, daß Frauen Menschen zweiter Klasse sind und sich in schwarze Umhänge zwängen müssen. Im Gegenteil: die tiefste, nämlich die liebende Erkenntnis, sieht das Heilige in allem und jedem - jenseits aller kulturellen Normen und Moralvorstellungen. Leider scheint sie wie das absolute Gehör so selten zu sein, daß man sie die mystische, nämlich die geheime oder geheimnisvolle Erkenntnis nennt. Und diejenigen, denen diese Erkenntnis geschenkt wurde, sind und waren Außenseiter im Kirchen- und Priesterbetrieb. Man sollte nicht vergessen, daß gerade die Mystiker aller Zeiten und Kulturen ein Ärgernis und Stein des Anstoßes für ihre Umwelt waren. Eingetaucht in die kosmische Liebe setzten sie sich über rigide Moral- und Ausgrenzungsvorstellungen hinweg und sahen das Göttliche auch in den Verworfenen, den Ausgestoßenen, den Sündern und in dem, was Priester so gerne als „unheilig“, „unrein“ und „verdammt“ bezeichnen. Auch unter den muslimischen Mystikern, den Sufis, gibt es zahlreiche Beispiele hierfür. Religion als re-ligio, nämlich als Rückführung und Rückbindung an die eigenen göttlichen Wurzeln macht freier als jedes rationale Denk- und Philosophiesystem, ohne in wertneutrale Beliebigkeit zu verfallen. Weil diese Freiheit einem tiefen Gefühl und Wissen der Verbundenheit entspringt. Mit freundlichen Grüßen
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