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NICHT ABGDRUCKTER LESERBRIEF AN DIE FAZ
 

8. November 1997 
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Redaktion Leserbriefe

zu Stefan Orths Artikel: Denken und Danken. Leben für Schopenhauer: Eine Frankfurter Ausstellung über Arthur Hübscher
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Herr Orth beschließt seinen Artikel mit der Frage, „Was Hübscher an dem Griesgram Schopenhauer eigentlich faszinierte, bleibt allerdings dunkel“. Lassen Sie mich etwas Licht in dieses Dunkel bringen, auch wenn ich nicht für Arthur Hübscher, sondern nur für mich selbst sprechen kann: Kein Mensch wird als Griesgram geboren, auch Arthur Schopenhauer nicht. Er wurde es, weil er an den Menschen und der Menschheit gelitten hat wie nur wenige. Denn er dachte und schrieb nicht nur mit dem Kopf, verlor sich nicht in abgehobenen philosophischen und wissenschaftlichen Systemen, sondern sah und erlebte mit wachen Augen und einem mitfühlenden Herzen das Treiben der Menschen. Schopenhauer, der sich nicht nur mit Philosophie, sondern auch mit Geschichte und der menschlichen Psyche intensiv beschäftigte, brauchte nicht die Massenmorde und Vernichtungslager des 20. Jahrhunderts abzuwarten, um zu wissen, wozu Menschen fähig sind. Er konnte den Blick in das Dunkel menschlicher Abgründe ertragen, ohne im Nihilismus zu landen oder die Menschheit mit Einfachrezepten zu einem besseren Dasein führen und verführen zu wollen. Schopenhauer war selbstbewußt genug, um wie Kant die Grenzen des Denkens und des Intellekts auszuloten. Und er war mitfühlend genug, um selbst noch im schlimmsten Verbrecher, in jedem Leidenden, in Pflanzen, Tieren und Steinen sich selbst zu erkennen. Seine dunkle Weltsicht ist sicher auch durch den Mangel an Liebe in seinem eigenen Leben geprägt. Für ihn war Mitleiden mit dem anderen Geschöpf das Höchste. Nach eigenen Worten konnte er sich (außer in familiären Verhältnissen) das Mitfreuen für den anderen nicht vorstellen. Hätte er mehr Liebe erfahren, wäre vermutlich seine Philosophie anders ausgefallen. Dann hätte er erkannt, daß die Tatsache der Nacht die Tatsache des hellen Tages nicht auslöscht, sondern nur komplementär ergänzt. Aber so ehrlich und redlich wie er hat kaum einer seine Wahrheit niedergeschrieben.

Die Lektüre Schopenhauers schärft den Blick für die eigene konkrete Wahrnehmung, stärkt die Abwehrkräfte gegen leere Begriffe und Massenideologien von links und rechts, hilft gegen verdummende religiöse Vereinnahmung und erinnert immer wieder ans Wesentliche im Leben: Nicht was einer hat oder darstellt, sondern was einer ist. Nicht wenig für heutige Zeiten!

Mit freundlichen Grüßen
Regina Berlinghof
 

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