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LESERBRIEF AN DIE FAZ, abgedruckt am 4.12.1997
 

1. Dezember 1997 
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Redaktion Leserbriefe

Zu Professor Dr. Piotr O. Scholz Leserbrief „Der entmannte Autor“, 1. Dezember 1997

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist schon erstaunlich, daß ein ausgewachsener Professor seine schriftstellerische Entmannung durch Lektorat und Verlag auf dem Altar der Verkaufszahlen zugelassen hat und sich nun ausgerechnet mit diesem Argument gegen die Kritik an dem verstümmelten Werk zur Wehr setzt. Es stimmt ja, daß einige Verlage nicht mehr an das Buch, sondern nur noch an den Profit denken und konsumentenfreudig draufloskürzen und umformulieren und ihre Autoren vor vollendete Tatsachen stellen. Davon kann ich selbst ein Lied singen. Aber muß ein Professor, der sich laut Promotion und Habilitation durch originäres, eigenständiges Denken auszeichnen soll, sich das auch gefallen lassen? Hat er keinen Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen und dementsprechend zu handeln? Sind wir Schriftsteller den Verlagen tatsächlich so hilflos ausgeliefert, wie Herr Professor Dr. Piotr  O. Scholz dies uns weismachen will? Und was hat ein Professor in gesicherter Beamtenposition zu verlieren, wenn er sein entstelltes Werk zurückziehen und einem anderen Verlag anbieten würde? Oder hat er „profiteor, professus“, d.h. offen bekennnen, sich ausgeben als (Philosoph) mit „proficio“, vorwärtskommen, gewinnen, Profit machen verwechselt? Der wirkliche Eros läßt sich so leicht nicht kastrieren! Ich habe in vergleichbarer Situation um meinen Roman „Mirjam“ gekämpft und darauf bestanden, daß alles, was vom Lektorat kam, nur als Anregung, nicht aber als bindende Vorschrift für mich zu verstehen sei. Ich habe dankbar viele Änderungsvorschläge der vom Verlag beauftragten Lektorin aufgegriffen oder umgewandelt, wenn sie Stil, Sinn und Klarheit des Romans förderten, viele andere dagegen ignoriert, wenn sie dem Werk eine fremde Brille aufgesetzt hätten. Als dann die Verlegerin kurz vor Drucklegung ihre eigenen Formulierungen ins Manuskript setzte, verweigerte ich die Zustimmung, so daß es Anfang 1995 zur Vertragsauflösung kam. Kein leichter Schritt für eine völlig unbekannte Autorin. Als ich dann so schnell keinen anderen Verlag fand, habe ich meinen Roman „Mirjam“ im Herbst 1995 im Internet veröffentlicht, wo er seine Leser - und inzwischen auch einen Verlag fand, der seine Autoren nicht entmündigt. Die Hardcoverausgabe erschien dieses Frühjahr unter dem Titel „Mirjam. Maria Magdalena und Jesus“ im Verlag Dietmar Klotz, Eschborn.

„Publish or Perish“ ist nicht alles. Ein bißchen Rückgrat und Liebe für das eigene Geisteskind tun es auch!

Mit freundlichen Grüßen
Regina Berlinghof
 

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