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NICHT ABGDRUCKTER LESERBRIEF AN DIE FAZ
 

14. Dezember 1998 
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Redaktion Leserbriefe
 
Zur Auseinandersetzung um die Rede Martin Walsers
„Dritter im Bunde. Nur in Gott erfaßbar. Die Schändlichkeit der Schuld“
Der Beitrag Klaus Bergers vom 11. Dezember 1998
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Artikel Klaus Bergers erinnert zu Recht an die tiefere, religiöse Dimension in dieser Auseinandersetzung. Aber seinen Worten: „die Mißachtung der Würde der Opfer ist eine Schmach, die auf Erden nicht zu tilgen ist“, möchte ich entschieden widersprechen. Nicht nur weil es die Schmach der Opfer auf ewig fortschriebe. Auch weil ein solches Denken gerade nicht der religiösen Dimension entspringt. Denn die Würde der Opfer ist unantastbar.

Lassen Sie mich - Jahrgang 1947 - auf eine etwas andere Weise erinnern:

Tiscor oder Eine andere Art des Erinnerns

Ich habe sie gesehen die Bilder -
ausgemergelte Körper, verwundete Augen,
die Schädelstätten der Toten, 
aufgeschüttete Haare, Goldzähne,
die letzten Habseligkeiten der bürgerlichen Existenz
nackte Menschen im Schnee,
wartend auf den Tod,
auf Kugel, Zyklon B oder blanke Stiefel. 

 Ich las vom Labor des Dr. Mengele
weiße Schatten des Grauens  
Messer, Nadeln, Skalpelle, Bakterien.
So viele Namen, so viele Schreie -
Die lautesten,
die nach innen schrien,
weil nirgends mehr Erbarmen,
nirgends mehr Gerechtigkeit.

Der Mensch, gequält, bespuckt, verlacht -
zum Untermenschen degradiert
die Nummer ins Fleisch tätowiert.
"Du hast kein Lebensrecht",
so sprachen die Meister aus Deutschland.
Sie wähnten sich stark
und wußten nichts vom Leben.
Zerstören kann doch jedes Kind.

Doch das Leben ist was andres:
Aus einer Zelle wächst die Vielfalt 
und ist doch einzig:
"Sieh nur die Fingerlinien!"
 - jeder Mensch ein kostbares Unikat.

So will ich der Opfer gedenken, 
wie das Leben sie wollte:
als Menschen, in Liebe gezeugt,
geboren zum Lieben und Leben,
kostbar und einzig für Vater und Mutter,
kostbar und einzig für die ganze Welt -
Der ganze Kosmos hieß Euch willkommen -
dies ist die Würde, die das Leben verleiht. 
Denn ehe Hitler, Mengele und Auschwitz waren
sind wir.
Im  Angesicht der Bilder Euren Leides, 
sehe ich Eure göttliche Natur.

Mit freundlichen Grüßen
Regina Berlinghof
 

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(c) Copyright Regina Berlinghof, eMail: mail@regina-berlinghof.de