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LESERBRIEF AN DIE FAZ, nicht
abgedruckt
30. Juli 2001
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Redaktion Leserbriefe
Hellerhofstraße 2-4
60327 Frankfurt am Main
„Großunternehmen schaffen keine Beschäftigung“ -
zum Interview mit Klaus Wellershoff, Chefökonom der UBS-Bank
Wirtschaftsteil vom 28.07.2001
Sehr geehrte Damen und Herren,
„Großunternehmen schaffen keine Beschäftigung. Es ist auch
nicht deren Aufgabe. Sie sind dazu da, ihre Größenvorteile für
eine preisgünstige Produktion zu nutzen. Zum günstigen Produzieren
gehört, dies mit so wenig Mitarbeitern wie möglich zu machen.“
Man muß dem Chefökonomen der UBS-Bank Klaus Wellershoff geradezu
dankbar sein für das unverblümt dargestellte Verhältnis
heutiger Großunternehmen zu den bei ihnen beschäftigten Menschen.
Dazu paßt bestens, daß bei der UBS aus den Mitarbeitern längst
„Human Resources“ geworden sind, also aus Personen, die von einer Personalverwaltung
betreut wurden, menschliche Rohstoffe. Betrieblich auf derselben Ebene
wie sonstige Rohstoffe: Erze, Grundstücke, Inventar, Kapital. Menschenmaterial.
Herr Wellershoff bedauert sogar noch, daß er nicht schneller
auf den Markt reagieren und Menschen auf die Straße setzen kann:
„Leider weisen Deutschland und die anderen europäischen Länder
nicht diese zentralstaatliche Agilität (wie in den USA) auf.“
Am schlimmsten bei der Lektüre aber ist, daß der Interviewer,
Winand von Petersdorff, alle Statements des Großbankers und Chefökonomen
ohne einzige kritische Gegenfrage brav auflistet, als entsprängen
sie einer Offenbarung und höheren Weisheit.
Dabei bleiben Fragen nach dieser Lektüre noch genug übrig:
Müssen beim „günstigen Produzieren“ zum Wohle des Unternehmens
die Zahl und Gehälter der Manager nicht ebenso berücksichtigt
werden? Wann haben eben jene Manager, die Betriebsentlassungen aus Kostengründen
für unabdingbar erklären, je daran gedacht, ihre eigene Anzahl
zu verringern, ihre Spitzengehälter und Tantiemen in jährlicher
Millionenhöhe zu reduzieren und bei Mißmanagement für die
entstandenen Schäden aus eigener Tasche (oder aus Versicherungsbeiträgen)
geradezustehen?
Die Statements heutiger Manager erinnern fatal an jahrhundertealte
Priesterpraktiken: dem Fußvolk Bescheidenheit und Armut predigen,
aber selbst in Hülle und Fülle leben. Krieg den Hütten,
Friede den Palästen!
Mit freundlichen Grüßen
Regina Berlinghof |
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