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LESERBRIEF AN DIE FAZ,
nicht abgedruckt
27. Juli 2003
Die katholische Kirche, Prof. Klaus Berger und der Abendmahlsstreit
zum Artikel von Klaus Berger am 26.7.03 in der FAZ: "Fatale Gutmütigkeiten
Die Kirche wird gedankenlos modernisiert."
Sehr geehrte Damen und Herren,
Man stelle sich vor, der auferstandene Jesus hätte Berlin besucht
und sich auf dem ökumenischen Kirchentag umgesehen. Ob er an dem gemeinsamen
Abendmahl der katholischen und evangelischen Christen teilgenommen hätte,
das Pfarrer Hasenhüttl zelebrierte? Oder hätte er lieber eine
streng katholisch oder evangelisch ausgerichtete Zeremonie gewählt?
Und welche Kirche hätte er dann bevorzugt? Die Antwort erübrigt
sich wohl: Da Jesus zu seinen Lebzeiten keine Berührungsängste
zeigte und sich mit Huren, Zöllnern und Heiden an einen Tisch setzte,
wäre es ihm vermutlich völlig egal, ob er mit evangelischen oder
katholischen Christen das Mahl teilte. Und gegen die Teilnahme von Muslimen,
Juden oder von anderen Religionsangehörigen, selbst von Atheisten,
würde er sicherlich auch nichts einwenden.
Von solch interreligiösem Mischmasch und der Aufweichung der Kirchenkonturen
will Professor Berger aus Heidelberg nichts wissen. Er fragt nicht nach
Jesus, er fordert die Katholiken zur Bindung an die Geschichte oder die
Universalkirche, [zur] Verantwortung vor der weltgeschichtlichen Größe
der Kirche" auf. Sehr kirchliche Gedanken, nur: was hat das
mit Jesus zu tun? Berger verlangt eine neue Spiritualität, lehnt
aber Hasenhüttls "apersonale Gottesschau ohne geschichtliches Fundament"
kategorisch ab. Hat Jesus je von Geschichte geredet? Und wenn Jesus von
Gott als "Abba, lieber Vater" gesprochen hat, so war dies ein Ausdruck
von Liebe und nicht von Dogmatik. Neu ist eine apersonale Sicht jedenfalls
nicht. Viele Mystiker, angefangen vom Buddhismus, Taoismus, auch Sufismus
reden von nichts anderem. Der christliche Meister Eckehart ebenso: "Gott
muß entwerden, damit die Gottheit (im Menschen) geboren werden kann".
Hier wäre ein Neuansatz für die Kirchen, die das Christentum
auch für Atheisten, Nichtgläubige und Nichtmehrgläubige
attraktiv machen könnte.
Professor Berger zieht es vor, die altbekannten dogmatischen Positionen
zu verteidigen. "Dazu gehören etwas Hochmut des Glaubens" und sich
"selbstbewußt als Elite" zu begreifen. Besser hätte es ein intelligenter
Vertreter der etablierten Religion zu Lebzeiten Jesu auch nicht formulieren
können. Verteidigten die Pharisäer und Priester der damaligen
Zeit ihr hochkomplexes Religionsgebäude nicht gegen einen dahergelaufenen
Wanderprediger, der ihr ganzes System ins Wanken bzw. Auflösen zu
bringen drohte? Jesus sprach nicht von Elite und Hochmut, sondern von "selig
sind die Demütigen" und "selig sind, die geistig arm sind."
Zu den geistig Armen will Professor Berger offensichtlich nicht gehören,
und er will auch seine Kirche vor zuviel Demut bewahren. Nur - was
hat das mit Spiritualität und Jesus zu tun?
Man kann sich nur darüber freuen, daß die Menschen die Verantwortung
selbst in die Hand nehmen und in ihrem eigenen Leben starre Grenzen, Dogmen,
Ideologien und Vorurteile durch Liebe, unbefangene eigene Wahrnehmung und
Vernunft aufbrechen und überwinden. Wenn die Schäflein weglaufen,
werden eines Tages vielleicht auch Hardliner, Päpste, Amtskirchenträger
und Dogmengläubige aufwachen. Vor einiger Zeit bat der jetzige
Papst um Vergebung für die Sünden der katholischen Kirche. In
nicht allzu ferner Zeit wird ein anderer Papst um Vergebung bitten für
die Sünden der Lieblosigkeit, die die Kirche heute begeht. Ich hoffe,
daß Pfarrer Hasenhüttl, Bischof Marx und Professor Berger dies
noch erleben.
Mit freundlichen Grüßen,
Regina Berlinghof
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