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Dr. Hans Frisch
90491 Nürnberg
e-mail: hans.frisch@t-online.de
21. November 2000
Sehr geehrte Frau Berlinghof,
ihre Antwort auf meinen Radiobeitrag über ihr Buch habe ich von
Uwe Schütz erhalten.
Sehr gern würde ich mit ihnen darüber ins Gespräch kommen
- es dürfte aber schwierig werden (trotz E-Mail und Internet )
Einige verschiedene Ebenen sind sowohl in ihrem Buch als auch in meinem
Beitrag berührt und verquickt - klar denken und argumentieren läßt
sich aber immer nur in einer Ebene. Erlauben Sie mir bitte einen ersten
Versuch: Die Kraft und die Farbe, mit der Sie die erotische Beziehung von
Mann und Frau als religiöse Erfahrung darstellen, haben mich stark
berührt. Der Ausweitung ins Spirituelle kann ich nicht folgen - doch
verlangt die Begegnung mit dem Heiligen nach Deutung, nach Begriffen zum
Begreifen, auch wenn die überkommenen Begriffe nicht mehr greifen.
So verstehe ich die Bereitschaft, sich auf alt-neue Deutungen einzulassen.
In meinem Beitrag habe ich angedeutet, daß aus dem (zeitgemäßen)
Fehlen der Erotik im Neuen Testament nicht auf die Leibfeindlichkeit des
Evangeliums geschlossen werden kann und daß die Verteufelung der
Sexualität ein dunkles Kapitel der Kirchengeschichte ist.
Ich glaube, auf dieser Ebene könnten wir uns bald verstehen.
Eine andere Ebene ist die der religiösen Erkenntnis. Darf ich
etwas weiter ausholen?
In allem religiösen Suchen der Menschen spüre ich eine Grundsehnsucht:
Der aus dem Paradies, aus dem Einssein mit dem Ganzen, in den Raum der
Freiheit ausgetretene Mensch sehnt sich nach Beziehung zum Ganzen - und
die Frage danach kommt erst zur Ruhe durch eine gültige Antwort.
Keine Geschichte bringt das besser zum Ausdruck, als die Erzählung
der Bibel. Eva überschreitet die Grenze der instinktiven Hemmung,
ergreift die verbotene Frucht und damit die menschliche Freiheit - und
nichts passiert. Der Instinkt war ein blinder Alarm. Dieses Individuum
und alle ihre Nachkommen werden nie mehr vor einer Instinktgrenze zurückschrecken.
Bis zur Atombombe und zur Genmanipulation.
Ganz am Anfang dieser Menschheitsgeschichte steht das Opfer - und der
Brudermord. Das Opfer - die religiöse Erkenntnis; ein Mittel, Beziehung
aufzunehmen zu dem, von dem ich getrennt bin. Der Brudermord - die menschliche
Erfahrung; eine Schuld, an der Beziehung zerbricht.
Hier ist der Ursprung der Religion sichtbar gemacht. In der Entwicklung
wurde das Opfer im Kultus kultiviert, wurden von Einzelnen Bilder und Mythen
gefunden, die für viele die Antwort auf die religiösen Grundfragen
waren - so entstand heilige Gemeinschaft.
Das Heilige verlangte ein Heiligtum - der Kultus brauchte Priester.
Die Entfaltung der Welterkenntnis verlangte nach einer Entwicklung
der religiösen Erkenntnis - die schließlich wieder einem Einzelnen
zuteil wurde - von Stufe zu Stufe - bis zu Abraham, Echnaton, Mose, den
Propheten und zu Jesus - um die Linie zu verfolgen, die ins christliche
Abendland führte.
Sicher sind auch andere solche Entwicklungslinien aufzufinden in der
Religionsgeschichte der Menschheit. Auch auf dieser Ebene könnten
wir uns wohl verständigen.
Bleibt die Ebene, in die er die Begriffe "Spirituelle Erleuchtung"
und "Guru-Jünger-Beziehung" ihren Platz haben. Sicher ist es Ihnen
erlaubt, die Thematik aus der eigenen gewählten Perspektive zu betrachten
und zu bearbeiten und die biblische Überlieferung sehr frei und nach
persönlicher Sicht zu gestalten - besonders, wenn sie vor der möglichen
Verletzung religiöser Gefühle warnen (wahrscheinlich wissen Sie
aber, daß eine solche Warnung bei vielen, die in Fragen des Christentums
Vorurteile haben, gerade das Interesse weckt). Jesus war kein Guru, und
spirituelle Erleuchtung war nicht seine Absicht, sein Ziel oder seine Aufgabe.
Als frommer Jude konnte er seine Berufung nur verstehen aus dem Gesetz
und den Propheten.
Das Gesetz, auf den Punkt gebracht lautet: Du sollst Gott über
alle Dinge lieben und deinen Nächsten wie dich selbst. (Lukas 10.
Vers 27)
Die Zielrichtung der Propheten ist in Jeremia 31 Vers 31-34 fokussiert:
Ein neuer Bund durch Vergebung der Sünde.
Wie Jesus seine Prägung erfährt durch die religiös jungfräulich-geniale
Mutter, wie er die Berufung annimmt, wie er seine Botschaft formuliert
und verkündet, wie er zunehmend erkennen muß, daß auch
die Prophetenworte des Jesaja vom "leidenden Gottesknecht" zu dieser Berufung
gehören, wie er auch dieses auf sich nimmt, das ist in ihrem Buch
nicht zu finden.
Der Weg in die Passion, der Kampf in Gethsemane, der Prozeß vor
dem Synhedrium, das Ringen der Juden mit Pilatus, die Kreuzigung und das
Sterben mit den Worten des 22. Psalms, das ist von einer Dramatik, für
die ein Roman wohl kaum ausreichen würde.
Ich meine, sie würden auch auf dieser Ebene mit sich reden lassen.
Das weitere betrifft nicht eine neue Ebene, sondern eine neue Dimension:
Ist in den Entfaltung der Religionen, ist in der Botschaft der Bibel, ist
in dem Leben und Sterben Jesu - Gottes Offenbarung geschehen? Mit anderen
Worten: Ist Jesus für meine Schuld gestorben - wie Jesaja vom leidenden
Gottesknecht gesagt hatte? Diese Dimension trifft auf die Ebene unsers
Fragens und Erkennens senkrecht - deshalb ist sie nur wahrzunehmen für
den der sich ihr stellt. Auch die Jünger haben sie erst wahrgenommen
zu Ostern.
Weil alles Reden von Jesus, das am Kreuz vorbei führt, die Begegnung
mit dieser Dimension behindert, deshalb beunruhigt es mich - es sei theologisch,
philosophisch oder literarisch. Ob sie mir da begegnen können?
So oder so - seien Sie herzlich gegrüßt
von
Hans Frisch
(den "feministischen Missionseifer" nehme ich zurück - geschrieben
sieht es auch viel schlimmer aus als es sich in der Sendung so hin spricht.)
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