Manchmal möchte man aufspringen und davonlaufen, so haßerfüllt springen einen die Hetzparolen und Feindbilder an, die Gilles Kepel in seinem neuen Buch "Allah im Westen" zitiert. Dann bleibt man doch gebannt sitzen und folgt Kepels klarer und nüchterner Darstellung, die den abendländischen Leser zwingt, diese Zitatfratzen als Antwort auf einen bei uns immer noch unterschwellig vorhandenen Rassismus zu erkennen.
Der französische Soziologe und Arabist Kepel beschreibt an Hand dreier Beispiele, wie der Islam zum neuen Identifikationszentrum für ausgegrenzte und sozial und rassistisch benachteiligte Minderheiten wurde. Er beginnt mit der Geschichte der Black Muslims und zeichnet sie als einen kollektiven Selbstfindungsprozeß, der in zwei Bahnen verläuft: einmal als Abkehr vom Christentum und von den politischen Werten der Weißen als Reaktion auf die jahrhundertelangen Demütigungen und Mißhandlungen. Zum anderen als Zentrierung, Hinwendung und aktive Einbindung innerhalb einer neuen, der muslimischen Gemeinschaft. Vergleichbares geschieht in Großbritannien und Frankreich, wo in Zeiten der weltweiten Wirtschaftskrise die farbigen Einwanderer aus den Commonwealthstaaten bzw. die Araber aus den maghrebinischen Ländern Zuflucht in einer Gemeinschaft suchen, die ihnen nicht nur Halt und Selbstachtung verspricht, sondern sich auch aktiv um sie kümmert und gegen die Verslummung der Wohngebiete, den Drogenhandel und die Prostitution ankämpft.
Um so empfindlicher reagieren diese Gruppen auf alles, was die Ehre
des neuen Selbstbildes herabsetzen könnte. Die heftigen Reaktionen
auf Rushdies "Blasphemie", die märtyrerhafte Verteidigung des Schleiers
durch französische Schülerinnen werden vor diesem Hintergrund
dargestellt und verständlich, wenn auch nicht gebilligt. Ein sehr
lesenswertes und nachdenklich machendes Buch!
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