Regina Berlinghof

Zweite eMail zu meinem Gedicht: Gottes Lästerer:

Mit Erlaubnis des Verfassers Khalil AbdelKrim

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Delivery-Date: Wed, 20 May 1998 21:49:44 +0000
Date: Wed, 20 May 1998 21:49:26 +0200 (METDST)
From: Khalil Abdelkrim
To: mail@regina-berlinghof.de
Subject: = Gottes Lästerer

Salam Aleikum, Regina

Ich habe ihre Email schon am Tage danach erhalten,
nachdem ich meine abgeschickt habe. Allerdings war
ich eine Zeitspanne verhindert, um Ihnen zurückzuschreiben.

Mit meinem Satz "eine Frau wie Sie" wollte ich Sie nicht
beleidigen, ich habe mich nur auf ihre kurze Selbstbiographie
bezogen und die Erfahrung, die man in solch einem Leben sammelt.

Ich bin ein Physikstudent in der Heidelberger Universität
und habe in diesem Semester (meinem zweiten) viel zu tun.
Ich bin 20 Jahre alt und habe fast mein gesamtes Leben in
Deutschland verbracht, von der Nationalität her bin ich Marokkaner.
Ich bin im Moers geboren und dort aufgewachsen.
Ich habe angefangen mich mit dem Islam auseinanderzusetzen, als
meine Mutter mir im Alter von 5 Jahren die arabische Sprache
beigebracht hat.

Mein Vater war Bergarbeiter und hatte vorher wenig Zeit, wenn
es um solche Fragen ging. Doch meine Mutter war im islamischen
Recht genug bewandert, um meine Geschwister und mich zu unterrichten.
Tiefer bin ich jedoch erst dann eingegangen als mir der Unterschied
zwischen meiner Religion und dem Christentum mit der Zeit auffiel.
Ich konnte zum Beispiel nicht verstehen, warum Moslems fünfmal am
Tage beteten und es für Christen ausreichen sollte nur Sonntags in die
Kirche zu gehen. Auch viele unlogische Dinge wie die Beichte oder
die Erbsünde ergaben für mich keinen Sinn. Vor allem aber das Bild
von Jesus (Aleih Salam) wie die beiden Religionen es darstellten
faszinierte mich.

Später als der Fall mit Rushdie begann und der Golfkrieg anfing,
begann ich eine Art von Intoleranz in meiner Schule zu bemerken, die
jedoch von Unwissenheit führte. Da ich nicht am Religionsunterricht
teilnahm, kam ich in eine Gruppe wo Nichtgetaufte und Andersgläubige
an einem Deutschförderkurs teilnahmen. Wir hatten eine Deutschlehrerin,
welche auch Pädagogik und Politik lehrte. Diese Lehrerin hatte bei
dem Todesurteil von Salman Rushdie eine immense Abneigung gegen
den Iran und kommentierte dies vor uns. Da ich der einzige Muslim
war, der genug Wissen hatte um ihr entsprechend zu antworten, entstand
ein Wortstreit zwischen uns der immer weiterging wenn es um dieses Thema
ging. Mich hat es damals bis zum Abitur erschüttert das es Lehrer gibt
die nichts gegen diese Unwissenheit taten. In der Oberstufe hatte ich
eine feministische Philosophielehrerin (die zudem noch Atheistisch war),
mit der ich zahlreiche Wortgefechte hatte.
In meiner Schule gab es wenig Ausländer und ich war fast immer der
einzigste in meiner Klasse.
Ich habe oft in meinem Leben Momente erlebt, in denen ich keinen
Sinn erkennen konnte am Verhalten von Gegnern des Islams.
Beispielsweise wird immer wieder gesagt daß der Islam die Frauen
unterdrückt. Allerdings gibt es kaum eine Religion in der den
Frauen mehr Rechte gegeben wird als im Islam.
Beispiele finden sich genug im Koran (eine Frau hat zum Beispiel das
Recht von ihrem Mann eine Amme zu fordern wenn sie ihr Kind nicht säugen
will). Allerdings wird zur Kritik nur daß genommen was zu gebrauchen
ist, der Rest kann die Kritik wiederauflösen und wird deshalb Unwissenden
nicht gezeigt. Ich habe mich mit dem Christentum selbst auch
auseinandergesetzt sowie mit den Verschiedenen Gruppen im Christentum.
Ich habe mit Zeugen Jehovas gesprochen die mir einen Koranvers präsentierten
in dem das Evangelium als Wort Gottes bewiesen wird, diese Vers hätte
viele Christen überzeugt das der Islam nur als Bestätigung des
Christentums kam, die Verse danach allerdings wusste ich selber,
in denen stand das, was das heutige Christentum zum Kippen
gebracht hätte.

> Zuviel Hexenverfolgung, zuviel Inquisition, zuviele Kreuzzüge(!),
> zuviele Morde an Andersgläubigen und Andersdenkenden.

Das Christentum ist so schlecht geworden weil ihre Anhänger es so
verfälschten. Die Beispiele, die sie aufführten, gehören nicht zum
"Wahrem" Christentum, weil Jesus Christus nie vorschlug zu diesen
Mitteln zu greifen (im arabischen wird dies "Bid'a" genannt).
Weil Allah sah, daß Jesus' Werk von den Nachfolgenden Christen
verfälscht wurde, sandte er Mohammed (Aleih Asalat ua Asalam)
mit dem Koran.

Es hilft nichts im Islam nach Widersprüchen zu suchen oder
die Diskriminierung von Menschengruppen anhand von Koranversen
als Unrecht darzustellen, wenn man mit einem besseren Studium
des Islams die genaue Begründung des Verses aufzeigen kann.

> Wenn ein Blinder behauptet, es gäbe keine Sonne - würden Sie das auch als
> eine Beleidigung der Sonne und aller Sehenden Verstehen?

Sie haben Recht mit ihren Beispiel, es wäre keine Beleidigung,
jedoch hat jeder Mensch die Möglichkeit Allahs Macht und Grösse zu sehen,
egal ob blind oder nicht. Ein Blinder kann immer noch die angenehme
Sonnenwärme am Mittag fühlen und bekommt so ein Gefühl von Tag und
Nacht. Jemand dessen Sinne alle einwandfrei funktionieren, der sich aber
der Aussenwelt verschließt und ins Dunkle flüchtet und dann noch
behauptet es gäbe keine Sonne, würde sehr wohl die Sonne beleidigen.
Es ist nicht zuviel, die Augen zu öffnen und richtig in die Welt zu schauen.
Ob Menschen wie Rushdie oder Taslima Nasrin den Islam beleidigen oder
nicht, ändert nichts daran daß Allah existiert und die Welt erschaffen
hat. In dieser Welt ist Platz für Spötter und Lästerer und alles was
Allah erschaffen hat. Und was den Menschen angeht, so läßt er zu daß
er auch schlechtes tut, weil er den freien Willen des Menschen zulässt.
Im Koran sagt Allah daß er die Menschheit durch eine fehlerhafte Rasse
ersetzen würde, wären wir Unfehlbar. Daß der Mensch schwach ist, ist
eine von Allah vorbedachte Absicht, deshalb ist Allah dem Menschen
gegenüber Barmherzig und Gnädig.

Aber trotzdem können wir nicht alles was der Mensch an Böses tut
unserem Mitmenschen vergeben. Nach den Zeugen Jehovas würde ein Mensch
wie Hitler immer noch die Chance bekommen in Paradies zu kommen,
wenn er in der Auferstehung Gott anerkennt.
So gesehen kann ein Mensch im Leben tun was er will, aber dies
führt in eine Gesellschaft in der nur der Starke überlebt.
Jemand aber der Allahs Gesetze anzweifelt (wie Nasrin) und öffentlich
darstellt und als Folge Rechtgläubige vom rechten Weg führt,
ist bei Allah nicht nur schuld am eigenen Unglauben sondern auch
Teilweise an dem der anderen. Menschen wie diese haben dafür gesorgt
daß Unwissende nicht den wahren Islam sahen bzw. die Lust daran
verloren von selbst weiterzuforschen, den es ist nur natürlich bei
Menschen daß man sich Vorurteilen anschließt wenn genügend andere
dem Beipflichten, und im Westen wird dies sich verbreitern, sofern
Gotteslästerer zugelassen werden. Ist es nicht seltsam daß heute die
Ausländerfeindlichkeit steigt und immer noch Deutsche daran glauben
Ausländer würden Deutschen die Arbeit wegnehmen, obwohl Geschichte
und Gegenwart bis ins letzte Detail die Sinnlosigkeit des Rassismus
zeigen.

Sie können mir nicht sagen daß es eine persönliche Sache von Nasrin
ist, daß sie nun alleine im Exil lebt. So etwas ist nie eine persönliche
Sache, denn sie wird nicht aus Pakistan ausgezogen sein, weil ihr das
Klima nicht mehr gefiel.

> So wie eine Taube ein Denkmal zwar mit ihrem Kot beflecken kann, aber
> doch niemals die dargestellte Person bekleckern oder beleidigen,...

Allah kann man nicht mit einem Denkmal vergleichen. Ein Gotteslästerer
kann durchaus nicht Allahs Größe durch Worte oder Taten herabwürdigen,
aber er kann die Meinung welche andere Menschen über Gott beeinflussen
und verfälschen und Allahs Größe bei diesen Menschen herabwürdigen.
Wir leben zwar in einem Zeitalter in dem man von selbst viel erfahren
kann, aber in dem immer noch Vorurteile die schnellsten Urteile sind.
Als Claudia Schiffer in einer Modenschau ein Kleid vorführte in dem
sie Koranverse an der Brust eingestickt trug, hat man sie auch nicht
gleich erschossen, obwohl in meiner Gesellschaft man davon sprach
daß "die Fundamentalisten sich sowas nicht bieten lassen werden und
dementsprechend hart durchgreifen werden".

> Wo sagt dies Allah? Und selbst wenn es im Koran steht: seit wann sind
> Heilige Bücher heiliger als Gott selbst.

"Sage auch den gläubigen Frauen, daß sie ihre Augen niederschlagen
und sich vor Unkeuschem bewahren sollen und daß sie nicht ihre Zierde
(ihren nackten Körper, ihre Reize), außer nur was notwendig sichtbar sein
muß, entblößen und daß sie ihren Busen mit dem Schleier verhüllen
sollen. Sie sollen ihre Reize nur vor ihren Ehemännern zeigen oder
vor ihren Vätern oder vor den Vätern ihrer Ehemänner oder vor ihren
oder den Söhnen ihrer Ehemänner, den Stiefsöhnen, oder vor ihren Brüdern
oder vor den Söhnen ihrer Brüder und Schwestern oder vor ihren Frauen
oder vor ihren Sklaven oder vor den Dienern welche kein Bedürfnis fühlen,
oder vor Kindern, welche die Blöße der Frauen nicht beachten. Auch sollen
sie ihre Füße nicht so werfen, daß man der Zierde, die sie verbergen
sollen, gewahr werde. O Gläubige, kehrt doch alle zu Allah zurück,
damit ihr glücklich werdet."

Vers 31, Sure A'Nur

"Sage, O Prophet, deinen Frauen und Töchtern und den Frauen der Gläubigen,
daß sie ihr Übergewand (über ihr Antlitz) ziehen sollen, wenn sie
ausgehen; so ist es schicklich, damit man sie als ehrbare Frauen erkenne
und sie nicht belästige. Allah aber ist versöhnend und barmherzig"

Vers 59, Sure Al' Ashab


Dies sind nur zwei Verse im Koran von vielen anderen, welche den Hedschab
bestimmen. Und fragen sie sich selbst; wäre es nicht Heuchelei wenn man
behauptet man achte Gott und seinen Willen, wenn man nicht achtet was er
sagt (und der Koran ist wortwörtlich von Allah gesagt worden wie er heute
existiert).

Verse wie diese sorgen zum Beispiel dafür, daß in islamischen Ländern
Frauen viel weniger belästigt werden als in sogenannten "zivilisierten"
Ländern, wo Frauen vergewaltigt und zerstückelt werden.
In islamischen Ländern werden Frauen weder vergewaltigt noch kommen Kindes-
Mißhandlungen wie hier vor. Sie mögen dies als Gefängnis bezeichnen,
doch ist es eher eine Schutzmaßnahme für Frauen wie es sie hier nicht
gibt.

> Wieso müssen dann Männer nicht auch einen Tschador tragen? Wieso dürfen
> sie ihre Bärte zeigen, Frauen aber nicht ihre Haare?

Und daß Männer ihren Bart nicht hinter einem Schleier verstecken
müssen, ist deshalb so weil es weder von Allah gesagt ist noch einen
Sinn erfüllen würde (und jetzt mal ehrlich, ist dieses Beispiel nicht
lächerlich?)

Was mein Gottesbild angeht, so achte ich alle 99 Beinamen Allahs,
er ist ebenso ein Malik Al'Mulk (König der Macht) wie ein Jabbar
(Gewaltige) und ein Arahman ua Rahim (Allbarmherziger und Gnädiger).
Gott ist natürlich nicht erfreut über die Sünder in der Hölle,
wie aber viele Predigten des Propheten sagen, wiegt allein das
Glaubensbekenntnis die Alle bei Gott begangenen Sünden auf,
und niemand der an Gott als den Schöpfer und Herrn als einzigen
glaubt wird durch das Feuer der Hölle bestraft. Und dies ist mehr
Liebe und Gnade als irgendwo im Universum sonst existiert.

Man sollte sich nicht überlegen was man glauben möchte, sondern
was richtig ist. Wenn jemand sagt er glaubt an den Gott der die Welt
in sechs tagen erschaffen hat und jemand an den Gott der sie in 20
Tagen erschaffen hat, dann hat einer automatisch unrecht.
Der Weg der Sufis ist ebenso falsch wie der der heutigen Zweifler,
welche Allah nicht als einzigen Herrn anerkennen, und die Beleidigungen
Rushdies in den Satanischen Versen sind nicht zu vergeben ausser von
Allah selbst.

Es hat mich gefreut von ihnen eine Rücknachricht zu bekommen und
diese zu lesen.

Viele Grüsse, Khalil



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