Reb Benje will sterben
"Das Gebet eines armen Mannes, im verborgenen, der sein Herz ausschüttet vor Gott..."
Sätze reihen sich wie Tautropfen aneinander, messianische Sehnsucht, schwermütige Liebe und heitere Gottesschau tanzen einen bunten Reigen, und die ausgelöschte Welt des chassidischen Ostjudentums wird beim Lesen wieder lebendig. Der Verlag Volk und Welt hat Moische Kulbaks Legende "Der Messias vom Stamme Efraim" anläßlich des 100. Geburtstages des jiddischen Dichters und Erzählers wieder aufgelegt.
Der arme Müller Reb Benje hat Gott geschaut. Dennoch ist er der Nachtdämonin Lilith erlegen. Die sechsunddreißig verborgenen Gerechten, die Lamedwow, die die Welt mit ihren langen Birkenstecken durchstreifen und ihren Fortbestand sichern, kommen zu Reb Benje und erkennen ihn als den erwarteten Messias und Erlöser. Aber Benje kann nicht mehr erlösen. Nur noch sterben will er. Auch seine Freunde, der fröhliche Einsiedler Reb Simche und der Sänger Gimpel, der die Philosophie studiert hat, können ihm nicht helfen. Auch nicht sein reicher Bruder und Geldverleiher, Reb Levi, oder dessen schöne Tochter Leah, die vom Gutsbesitzer Pan Wrublewsky verfolgt wird. Wrublewsky hat den Wald, in dem die Tagträumer und Gottesseher Simche und Benje leben, gekauft. Bald sterben die Bäume unter den Äxten, und Reb Benje, der die Menschen enttäuschte, weil er sie nicht erlösen konnte, liegt blutüberströmt im Schlamm. Nur die Tochter des Fürsten Lubomirsky weint um ihn...
Geschrieben 1924 in der Hochblüte des Expressionismus in Berlin, muß man die poetisch hochkonzentrierten Sätze des wiederentdeckten kleinen Büchleins sehr langsam und in kleinen Abschnitten lesen. Dann fließt ihre Schönheit, mit der Süße und Schwere des Todes getränkt, wie schwerer Wein ins Gemüt und lädt zum Mitträumen, Mitlachen und Mitleiden ein.
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