Regina Berlinghof

Antwort auf die zweite eMail zu meinem Gedicht: Gottes Lästerer:

Mit Erlaubnis des Verfassers Khalil AbdelKrim

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To: kabdelkr@ix.urz.uni-heidelberg.de
From:mail@regina-berlinghof.de
Date: Sun, 24 May 1998 2:11:23 +0200 (METDST)
Subject: = Gottes Lästerer

Hallo Khalil und salam aleikum,

> Ich habe ihre Email schon am Tage danach erhalten,
> nachdem ich meine abgeschickt habe. Allerdings war
> ich eine Zeitspanne verhindert um ihnen zurückzuschreiben.

Das ging mir jetzt mit Ihrer Antwort genauso. - Im Nachgang zu meiner letzten Mail: Ich habe Ihr Schreiben natürlich anonym ins Netz gesetzt. Wenn Sie damit einverstanden sind, setze ich Ihren Namen dazu. Ich überlasse die Entscheidung ganz Ihnen.

> Mit meinem Satz "eine Frau wie Sie" wollte ich Sie nicht
> beleidigen, ich habe mich nur auf ihre kurze Selbstbiographie
> bezogen und die Erfahrung die man in solch einem Leben sammelt.

Ich habe es auch nicht als Beleidigung verstanden. Ich dachte nur, Sie wissen nicht allzu viel über mich, um so eine Feststellung zu treffen.

>

< Ich bin ein Physikstudent in der Heidelberger Universität
> und habe in diesem Semester (meinem zweiten) viel zu tun.
> Ich bin 20 Jahre alt und habe fast mein gesamtes Leben in
> Deutschland verbracht, von der Nationalität her bin ich Marokkaner.
> Ich bin im Moers geboren und dort aufgewachsen.
> Ich habe angefangen mich mit dem Islam auseinanderzusetzen als
> meine Mutter mir im Alter von 5 Jahren die arabische Sprache
> beigebracht hat.
> Mein Vater war Bergarbeiter und hatte vorher wenig Zeit wenn
> es um solche Fragen ging. Doch meine Mutter war im islamischen
> Recht genug bewandert um meine Geschwister und mich zu unterrichten.
> Tiefer bin ich jedoch erst dann eingegangen als mir der Unterschied
> zwischen meiner Religion und dem Christentum mit der Zeit auffiel.
> Ich konnte zum Beispiel nicht verstehen warum Moslems fünfmal am
> Tage beteten und es für Christen ausreichen sollte nur Sonntags in die
> Kirche zu gehen.

Nach dem christlichen Verständnis reicht es im Grunde auch nicht, nur am Sonntag in die Kirche zu gehen. Es ist nur häufige Praxis. Es gibt sogar die Redewendung von den "Sonntagschristen", so wie man von den Sonntagsfahrern spricht.

> Auch viele unlogische Dinge wie die Beichte oder
> die Erbsünde ergaben für mich keinen Sinn.

Ja, für mich auch nicht.

> Vor allem aber das Bild
> von Jesus (Aleih Salam) wie die beiden Religionen es darstellten
> faszinierte mich.
> Später als der Fall mit Rushdie begann und der Golfkrieg anfing,
> begann ich eine Art von Intoleranz in meiner Schule zu bemerken, die
> jedoch von Unwissenheit führte. Da ich nicht am Religionsunterricht
> teilnahm, kam ich in eine Gruppe wo Nichtgetaufte und Andersgläubige
> an einem Deutschförderkurs teilnahmen. Wir hatten eine Deutschlehrerin,
> welche auch Pädagogik und Politik lehrte. Diese Lehrerin hatte bei
> dem Todesurteil von Salman Rushdie eine immense Abneigung gegen
> den Iran und kommentierte dies vor uns. Da ich der einzige Muslim
> war, der genug Wissen hatte um ihr entsprechend zu antworten, entstand
> ein Wortstreit zwischen uns der immer weiterging wenn es um dieses Thema
> ging. Mich hat es damals bis zum Abitur erschüttert das es Lehrer gibt
> die nichts gegen diese Unwissenheit taten. In der Oberstufe hatte ich
> eine feministische Philosophielehrerin (die zudem noch Atheistisch war),
> mit der ich zahlreiche Wortgefechte hatte.
> In meiner Schule gab es wenig Ausländer und ich war fast immer der
> einzigste in meiner Klasse.
> Ich habe oft in meinem Leben Momente erlebt, in denen ich keinen
> Sinn erkennen konnte am Verhalten von Gegnern des Islams.
> Beispielsweise wird immer wieder gesagt daß der Islam die Frauen
> unterdrückt. Allerdings gibt es kaum eine Religion in der den
> Frauen mehr Rechte gegeben wird als im Islam.
> Beispiele finden sich genug im Koran (eine Frau hat zum Beispiel das
> Recht von ihrem Mann eine Amme zu fordern wenn sie ihr Kind nicht säugen
> will). Allerdings wird zur Kritik nur das genommen, was zu gebrauchen
> ist, der Rest kann die Kritik wiederauflösen und wird deshalb Unwissenden
> nicht gezeigt. Ich habe mich mit dem Christentum selbst auch
> auseinandergesetzt sowie mit den Verschiedenen Gruppen im Christentum.
> Ich habe mit Zeugen Jehovas gesprochen die mir einen Koranvers präsentierten
> in dem das Evangelium als Wort Gottes bewiesen wird, dieser Vers hätte
> viele Christen überzeugt das der Islam nur als Bestätigung des
> Christentums kam, die Verse danach allerdings wusste ich selber,
> in denen stand das, was das heutige Christentum zum Kippen
> gebracht hätte.

> > Zuviel Hexenverfolgung, zuviel Inquisition, zuviele Kreuzzüge(!),
> > zuviele Morde an Andersgläubigen und Andersdenkenden.

> Das Christentum ist so schlecht geworden weil ihre Anhänger es so
> verfälschten. Die Beispiele, die Sie aufführten, gehören nicht zum
> "Wahrem" Christentum, weil Jesus Christus nie vorschlug zu diesen
> Mitteln zu greifen (im arabischen wird dies "Bid'a" genannt.

Ich sehe das nicht ganz so. Die Widersprüche sind in den Religionen angelegt, so wie die Welt selbst widersprüchlich (oder komplementär für Sie als Physiker) ist. Wir haben Tag und Nacht, Frieden und Krieg usw.

> Weil Allah sah, daß Jesus' Werk von den Nachfolgenden Christen
> verfälscht wurde, sandte er Mohammed (Aleih Asalat ua Asalam)
> mit dem Koran.

Selbst in der Bibel steht das Jesuswort: "Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert. (Matthäus 10, 34). Dann gibt es verstreut die Verse im Neuen Testament vom Tag des Jüngsten Gerichts, an dem zwischen Schafen und Böcken geschieden wird. Und die Sünder werden in der Hölle braten und die Frommen werden im Himmel frohlocken...

(z.B. Matth. 10, 15 + 28 + 33, Matth. 23 ff., Matth. 25, 41 ff.).

Es gab und wird immer Menschen geben, die unmittelbar Zugang zur göttlichen Wirklichkeit finden. Manche treten dann als Propheten oder als Religionsgründer auf. Andere begnügen sich mit der Erkenntnis und richten ihr Leben danach aus (mehr oder weniger). Ich hoffe, es ist nicht zu ketzerisch-kränkend, wenn ich sage, daß es auch nach Muhammad Menschen gegeben hat, die Gott gefunden haben. Es gibt sie auch unter den Muslimen. Rumi, Firdausi, Hafiz u.a.

> Es hilft nichts im Islam nach Widersprüchen zu suchen oder
> die Diskriminierung von Menschengruppen anhand von Koranversen
> als Unrecht darzustellen, wenn man mit einem besseren Studium
> des Islams die genaue Begründung des Verses aufzeigen kann.

Gründe finden sich immer. Auch Christen finden Gründe für die Hölle. Ich habe nicht umsonst Jura studiert, um zu begreifen, daß man für alles und jedes Gründe finden kann. Und zwar aus jedem System: dafür und dagegen!

Aber Liebe und Erbarmen haben mit Gründen und Begründungen nichts zu tun. Sie kommen aus dem Bereich der Gefühle. Lieben und sich eines Menschen erbarmen kann man auch, wenn dieser Mensch ein Verbrecher ist und "zu Recht" gerichtet wird. Die Frage ist doch: müssen das Urteil oder der Rechtsspruch in die Tat umgesetzt werden!

> > Wenn ein Blinder behauptet, es gäbe keine Sonne - würden Sie das auch als
> > eine Beleidigung der Sonne und aller Sehenden Verstehen?

> Sie haben Recht mit ihrem Beispiel, es wäre keine Beleidigung,
> jedoch hat jeder Mensch die Möglichkeit Allahs Macht und Grösse zu sehen,
> egal ob blind oder nicht.

Die Möglichkeit ja. Aber in Wirklichkeit...

Ein Blinder kann immer noch die angenehme
> Sonnenwärme am Mittag fühlen und bekommt so ein Gefühl von Tag und
> Nacht. Jemand dessen Sinne alle einwandfrei funktionieren, der sich aber
> der Aussenwelt verschließt und ins Dunkle flüchtet und dann noch
> behauptet, es gäbe keine Sonne, würde sehr wohl die Sonne beleidigen.

Das sehe ich nicht so. Das Verhalten dieses Menschen sagt zwar einiges über den Menschen aus (z.B. daß er ängstlich und mißtrauisch ist) - aber die Sonne wird es wenig kümmern. Sie wird fröhlich weiterscheinen. Alles, was wir von der Natur wahrnehmen, sagt letztlich mehr über uns als über die Natur. Jeder Naturwissenschaftlicher wird einräumen, daß die uns bekannten Naturgesetze jederzeit revidierbar und erweiterbar sind. Wir lernen immer dazu. Haben die Menschen die Sonne beleidigt, als sie noch glaubten, die Sonne drehe sich um die Erde? Sie haben nur ihre Unwissenheit bekundet. Die Sonne wird das kaum geärgert haben.

> Es ist nicht zuviel, die Augen zu öffnen und richtig in die Welt zu schauen.
> Ob Menschen wie Rushdie oder Taslima Nasrin den Islam beleidigen oder
> nicht, ändert nichts daran daß Allah existiert und die Welt erschaffen
> hat. In dieser Welt ist Platz für Spötter und Lästerer und alles was
> Allah erschaffen hat. Und was den Menschen angeht, so läßt er zu daß
> er auch schlechtes tut, weil er den freien Willen des Menschen zulässt.

Ja, eben. Der freie Wille ist Gott oder Allah mehr wert als nachplappernder Gehorsam. Lieber läßt Allah die Menschen sogar falsches sagen! Das tun wir sowieso andauernd. ("Ich weiß, daß ich nichts weiß" sagte der sehr weise Sokrates. Das Unendliche läßt sich nicht ausloten und definieren.)

> Im Koran sagt Allah daß er die Menschheit durch eine fehlerhafte Rasse
> ersetzen würde, wären wir Unfehlbar. Daß der Mensch schwach ist, ist
> eine von Allah vorbedachte Absicht, deshalb ist Allah dem Menschen
> gegenüber Barmherzig und Gnädig.

Ja, also doch auch gegenüber seinen Lästerern!

> Aber trotzdem können wir nicht alles was der Mensch an Böses tut
> unserem Mitmenschen vergeben.

Da findet sich in der Bibel wiederum der schöne Spruch: (Matth. 18, 21 ff.:) Petrus fragt Jesus, wie oft muß ich meinem Bruder vergeben? Reicht siebenmal? Jesus: nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal. Eigentlich unendlich.

Und vergeben ist noch viel mehr als nur nicht zu handeln. Wenn mir jemand etwas Böses getan hat, kann ich zwar auf Rache und Vergeltung verzichten. Vergeben kommt oft erst sehr viel später. Die Gefühle brauchen länger.

Warum also Rushdie und Nasrin den Tod androhen und sie verfolgen? Ist es nicht gerade der Sinn von Religion, etwas von der göttlichen Barmherzigkeit und Liebe zu lernen?

Nach den Zeugen Jehovas würde ein Mensch
> wie Hitler immer noch die Chance bekommen in Paradies zu kommen,
> wenn er in der Auferstehung Gott anerkennt.

Für mich sind die Zeugen Jehovas damit noch zu eng. Sie setzen noch die Bedingung: die Anerkennung der Auferstehung Jesu. Aber Hitler, Stalin, Pol Pot - und wer an Verbrechern auch immer - kommen so oder so ins Paradies (um bei diesem Bild zu bleiben): in den Augen Gottes oder des Göttlichen sind sie so unwissend und unzurechnungsfähig wie ein kleines Kind, das in seiner Wut oder Eifersucht ein anderes Kind schlägt oder sogar totschlägt. Damit geben wir Kindern trotzdem keinen Freibrief: denn wir schreiten ein, wenn wir dabei sind. Wir dürfen uns vor Anschlägen und Verbrechern immer schützen. Aber jemanden verdammen oder gleich umbringen?

> So gesehen kann ein Mensch im Leben tun was er will, aber dies
> führt in eine Gesellschaft in der nur der Starke überlebt.

Das ist nicht die notwendige Konsequenz. Die Antwort liegt im Mitgefühl. Wenn man/frau nachvollziehen kann, daß der andere Mensch, das andere Wesen (ich erinnere nur an die Tiere!) Schmerzen fühlen kann wie man selbst, dann werden solche schädlichen Handlungen unterlassen. Denn der andere Mensch ist auch eine Quelle der Freude und der Liebe. Und wenn man liebt, will man das Glück des anderen. Nicht sein Leiden.

> Jemand aber der Allahs Gesetze anzweifelt (wie Nasrin) und öffentlich
> darstellt und als Folge Rechtgläubige vom rechten Weg führt,
> ist bei Allah nicht nur schuld am eigenen Unglauben sondern auch
> Teilweise an dem der anderen. Menschen wie diese haben dafür gesorgt
> daß Unwissende nicht den wahren Islam sahen bzw. die Lust daran
> verloren von selbst weiterzuforschen, den es ist nur natürlich bei
> Menschen daß man sich Vorurteilen anschließt wenn genügend andere
> dem Beipflichten, und im Westen wird dies sich verbreiten, sofern
> Gotteslästerer zugelassen werden.

Ja, aber dieses Risiko (wenn ich das so salopp sagen darf), ist Allah eingegangen, als er dem Menschen die Freiheit zu wählen und auch Irrtümer zu begehen, einräumte. Warum diese Freiheit nicht gelten lassen? Solange Rushdie und Nasrin alle anderen Menschen in Frieden leben lassen und den gläubigen Muslimen nicht die Moscheen oder das Beten verbieten wollen! Aber ihre Meinung sollten sie sagen dürfen. Auch wenn es Vorurteile sein sollten. Wer ist frei davon?

Ist es nicht seltsam daß heute die
> Ausländerfeindlichkeit steigt und immer noch Deutsche daran glauben
> Ausländer würden Deutschen die Arbeit wegnehmen, obwohl Geschichte
> und Gegenwart bis ins letzte Detail die Sinnlosigkeit des Rassismus
> zeigen.

Ja, aber Vorurteile gibt es immer und überall. Leider lassen sie sich nicht ausrotten. Man kann nur dagegen anreden.

> Sie können mir nicht sagen daß es eine persönliche Sache von Nasrin
> ist, daß sie nun alleine im Exil lebt. So etwas ist nie eine persönliche
> Sache, denn sie wird nicht aus Pakistan ausgezogen sein, weil ihr das
> Klima nicht mehr gefiel.

Da habe ich mich wohl mißverständlich ausgedrückt. Ich meine, es war ihre persönliche Entscheidung, in Bangla Desh offen atheistische und feministische Positionen zu vertreten. Daß dies Konsequenzen haben würde, mußte ihr klar gewesen sein. Die Frau hat viel Mut! Für mich greift sie Mißstände an, die aus einer zu engen Auslegung der Gesetze und der Religion herrühren. Sie schrieben oben, daß Allah Muhammad gesandt hat, weil das Christentum schlecht geworden und von seinen Anhängern verfälscht wurde. Vielleicht hat Gott Nasrin zum Schutz der Frauen gesandt, weil auch der Islam aus anfänglicher Großzügigkeit bei manchen seiner Anhänger eng und kalt geworden ist. Muhammad mußte wegen seiner Äußerungen von Mekka nach Medina fliehen. Und Nasrin lebt auch im Exil. Haben Sie mal daran gedacht, daß sich hier Parallelen auftun?

> > So wie eine Taube ein Denkmal zwar mit ihrem Kot beflecken kann, aber
> > doch niemals die dargestellte Person bekleckern oder beleidigen,...

> Allah kann man nicht mit einem Denkmal vergleichen. Ein Gotteslästerer
> kann durchaus nicht Allahs Größe durch Worte oder Taten herabwürdigen,
> aber er kann die Meinung welche andere Menschen über Gott beeinflussen
> und verfälschen und Allahs Größe bei diesen Menschen herabwürdigen.

Also geht es nicht um Gott oder Allah, sondern nur um die Meinung, die die Menschen von Gott haben. Und hier setzt meine Frage an: Glauben Sie nur an Allah, weil so viele andere an ihn glauben? Geht es also um Mehrheiten? Wenn Sie Ihre Eltern oder ein Mädchen lieben, fragen Sie dann auch erst nach der Meinung anderer Leute? Wissen Sie das nicht selbst?

Wenn Sie sicher in Ihrem Glauben oder Wissen an Allah sind, was interessiert Sie die Meinung anderer Leute über Allah, solange diese sie in Ihrem Glauben nicht behindern? Wenn Sie jederzeit und zu den bestimmten Zeiten beten und in eine Moschee gehen können, wenn Sie nach Mekka pilgern können, ohne daß sich irgendjemand in den Weg stellt, wenn Sie in Ruhe leben und arbeiten können - was kümmert Sie dann die gute, schlechte oder falsche Meinung anderer von Gott? Sie können doch jederzeit Ihren Standpunkt öffentlich vertreten und dafür werben.

Aber diese Freiheit gilt für alle. Auch für Atheisten. Eine Religion sollte sich durch Erkennen oder Überzeugen behaupten. Nicht durch Verfolgung Andersdenkender.

Es gibt übrigens immer noch Menschen (auch in Deutschland), die fest behaupten, daß die Erde der Mittelpunkt der Welt sei und daß sich Sonne, Mond und Sterne um die Erde drehten. (Hohlkörpertheorie, wenn ich das recht in Erinnerung habe. Mathematisch ist es wohl sogar egal.) Müssen diese Leute deswegen verfolgt werden?

> Wir leben zwar in einem Zeitalter in dem man von selbst viel erfahren
> kann, aber in dem immer noch Vorurteile die schnellsten Urteile sind.
> Als Claudia Schiffer in einer Modenschau ein Kleid vorführte in dem
> sie Koranverse an der Brust eingestickt trug, hat man sie auch nicht
> gleich erschossen, obwohl in meiner Gesellschaft man davon sprach
> daß "die Fundamentalisten sich sowas nicht bieten lassen werden und
> dementsprechend hart durchgreifen werden".

Klar. Die Fundamentalisten oder Idioten sind immer die anderen. Als ich studierte, war jeder, der nicht links war, "out". Es gab keine "zulässige" Position der Mitte oder der Liberalität. Man war "rechts" und faschistoid, wenn man nicht linke Positionen vertrat. Die Polizisten waren keine Menschen, sondern Bullen oder Schweine. Man kämpfte zu Recht gegen alte Nazibastionen, aber auf eine fanatische und fundamentalistische(!) Weise, die die Intoleranz praktizierte, die sie zu bekämpfen vorgab.

> > Wo sagt dies Allah? Und selbst wenn es im Koran steht: seit wann sind
> > Heilige Bücher heiliger als Gott selbst.

> "Sage auch den gläubigen Frauen, daß sie ihre Augen niederschlagen
> und sich vor Unkeuschem bewahren sollen und daß sie nicht ihre Zierde
> (ihren nackten Körper, ihre Reize), außer nur was notwendig sichtbar sein
> muß, entblößen und daß sie ihren Busen mit dem Schleier verhüllen
> sollen. Sie sollen ihre Reize nur vor ihren Ehemännern zeigen oder
> vor ihren Vätern oder vor den Vätern ihrer Ehemänner oder vor ihren
> oder den Söhnen ihrer Ehemänner, den Stiefsöhnen, oder vor ihren Brüdern
> oder vor den Söhnen ihrer Brüder und Schwestern oder vor ihren Frauen
> oder vor ihren Sklaven oder vor den Dienern welche kein Bedürfnis fühlen,
> oder vor Kindern, welche die Blöße der Frauen nicht beachten. Auch sollen
> sie ihre Füße nicht so werfen, daß man der Zierde, die sie verbergen
> sollen, gewahr werde. O Gläubige, kehrt doch alle zu Allah zurück,
> damit ihr glücklich werdet."
>
> Vers 31, Sure A'Nur

> "Sage, O Prophet, deinen Frauen und Töchtern und den Frauen der Gläubigen,
> daß sie ihr Übergewand (über ihr Antlitz) ziehen sollen, wenn sie
> ausgehen; so ist es schicklich, damit man sie als ehrbare Frauen erkenne
> und sie nicht belästige. Allah aber ist versöhnend und barmherzig"
>
>
> Vers 59, Sure Al' Ashab

Danke für die Info. Wenn nun aber Frauen den Koran und den muslimischen Glauben für sich nicht als bindend empfinden, müssen sie dann verfolgt oder zum Tschador gezwungen werden?

Das "Verhüllen der Reize" dient doch eigentlich der Sicherheit der Frauen. Wenn sich die Gesellschaft dahin entwickelt hat, daß selbst das Zeigen weiblicher (oder auch männlicher?) Reize nicht dazu führt, daß die Geschlechter übereinander herfallen, kaum daß sie zusammenkommen, dann sind solche äußeren Schutzmaßnahmen nicht mehr notwendig. Früher glaubte man auch in der westlichen Kultur, daß unverheiratete Männer und Frauen allein nicht zusammenkommen sollten, weshalb Türen offen blieben und ein Verwandter dabeiblieb, als sogenannter Anstandswauwau, der für die Moral und den Schutz und vor allem für die Ehre der Frauen sorgte. (Eigentlich für die Ehre der Familie, für die die Frauen mit ihrer Keuschheit geradezustehen hatten).

Heute arbeiten Männer und Frauen zusammen, treffen in Aufzügen zusammen, auf Straßen und Plätzen - und nichts passiert. Selbst wenn Frauen im Sommer fast nichts mehr anhaben. Der Schutz ist nicht die verhüllende Kleidung, sondern der verinnerlichte Respekt vor der Frau bzw. dem Mann selbst.

Wenn also derselbe Effekt auf andere Weise erreicht werden kann - wozu also der Zwang zum Tschador? Noch dazu nur für Frauen. Ich meine das sehr ernst. Immer wird nur den Frauen unterstellt, daß sie die Männer aufreizen und verführen. Als ob die Männer nicht auch ihr Äußeres und besonders ihre Bärte zur Schau stellten, um attraktiv zu sein. Die Beschränkung allein für die Frauen heutzutage ist überholte patriarchalische Doppelmoral.

> Dies sind nur zwei Verse im Koran von vielen anderen, welche den Hedschab
> bestimmen. Und fragen Sie sich selbst; wäre es nicht Heuchlerei wenn man
> behauptet man achte Gott und seinen Willen, wenn man nicht achtet was er
> sagt (und der Koran ist wortwörtlich von Allah gesagt worden wie er heute
> existiert).

Ich sage jetzt etwas sehr ketzerisches, das für Sie vermutlich schwer nachzuvollziehen ist: Der Koran ist meiner Ansicht nach von Muhammad aufgezeichnet nach seiner göttlichen Eingebung. Ja. Aber Muhammad ist ein Mensch und nicht Allah. Die Worte, die er empfing, sind durch sein endliches und begrenztes Menschsein gefiltert. Sie sind doch Physiker und studieren auch Mathematik: Läßt sich das Unendliche je und in irgendeiner Weise durch endliche Zahlen ausdrücken? Es gibt immer nur Annäherungen. Für mich auch in der Religion. Die Erfahrung des Göttlichen ist die Erfahrung des Unendlichen als überall wirksam. Aber wenn ich anfange, dies in Worten (endlich begrenzten Worten!) auszudrücken, kann ich immer nur einen Ausschnitt, eine Facette, einen Teil benennen. Niemals das Ganze selbst. Für mich gibt es daher auch kein Heiliges Buch, das das Ganze oder Göttliche ganz fassen oder ausdrücken könnte. Muhammad war von Gott inspiriert. Aber die Gebote im Koran sind für mich darum nicht zwingend. Sie sind in der Sprache Muhammads aufgezeichnet - und auch im Geist und Stil der damaligen Zeit. Es geht um den Geist, nicht um den Buchstaben. Wenn Frauen also auf andere Weise wirksam geschützt sind - wozu am Hedschab festhalten?
Nach katholischer Lehre ist der Papst unfehlbar. Ja - wenn er nur für sich selber spricht.
Wir sind alle Geschöpfe und Gefäße Gottes. Und Gott kann jederzeit zu jedem sprechen. Und er tut es.

> Verse wie diese sorgen zum Beispiel dafür, daß in islamischen Ländern
> Frauen viel weniger belästigt werden als in sogenannten "zivilisierten"
> Ländern, wo Frauen vergewaltigt und zerstückelt werden.
> In islamischen Ländern werden Frauen weder vergewaltigt noch kommen Kindes-
> Mißhandlungen wie hier vor. Sie mögen dies als Gefängnis bezeichnen,
> doch ist es eher eine Schutzmaßnahme für Frauen wie es sie hier nicht
> gibt.

Wenn ich an Algerien denke, wo Männer, Frauen und Kinder im Namen der Religion und Allahs überfallen, abgeschlachtet und zerstückelt werden...

Ich fürchte, Sie sehen die Mißstände hier (die es zweifellos gibt) sehr deutlich - und die Zustände in den fernen islamischen Staaten nehmen Sie nur sehr idealisiert wahr. Auch dort werden Frauen und Kinder mißhandelt. Vielleicht nicht in dem Ausmaß (abgesehen von Algerien) - ich habe mich in Ägypten und Jordanien sehr wohl und sicher gefühlt. Aber auch in Israel, in Amerika, in Italien, in Frankreich und hier in Deutschland. Aber ich empfinde es als Gefängnis, wenn man mich bevormundet.

> > Wieso müssen dann Männer nicht auch einen Tschador tragen? Wieso dürfen
> > sie ihre Bärte zeigen, Frauen aber nicht ihre Haare?

> Und daß Männer ihren Bart nicht hinter einem Schleier verstecken
> müssen, ist deshalb so, weil es weder von Allah gesagt ist, noch einen
> Sinn erfüllen würde (und jetzt mal ehrlich, ist dieses Beispiel nicht
> lächerlich?)

Natürlich ist es lächerlich. So lächerlich wie der Zwang, daß sich Frauen verschleiern müssen, nur um sicher zu sein. Fallen Sie etwa über jede unverschleierte Frau in Deutschland her? Ich denke, mit dieser Unterstellung würde ich Sie wirklich beleidigen. Im Grunde ist der Zwang zum Hedschab eine Beleidigung für alle anständigen Männer, die nicht daran denken, einer Frau Gewalt anzutun, nur weil sie die physische Stärke und Gelegenheit dazu haben.

> Was mein Gottesbild angeht, so achte ich alle 99 Beinamen Allahs,
> er ist ebenso ein Malik Al'Mulk (König der Macht) wie ein Jabbar
> (Gewaltige) und ein Arahman ua Rahim (Allbarmherziger und Gnädiger).
> Gott ist natürlich nicht erfreut über die Sünder in der Hölle,
> wie aber viele Predigten des Propheten sagen, wiegt allein das
> Glaubensbekenntnis die Alle bei Gott begangenen Sünden auf,
> und niemand der an Gott als den Schöpfer und Herrn als einzigen
> glaubt wird durch das Feuer der Hölle bestraft. Und dies ist mehr
> Liebe und Gnade als irgendwo im Universum sonst existiert.

Dann zu oben: Wenn Hitler also das muslimische Glaubensbekenntnis gesprochen hätte, wäre er auch nach dem Islam von allen Sünden frei und käme ins Paradies. Also doch ein Freibrief? Merken Sie, wie Sie auf dieselben Widersprüche überall stoßen?

Genau solche Widersprüche lassen viele Leute zu Atheisten und zu Verächtern von Religion überhaupt werden. Für mich ist Religion (wie Schleiermacher es sehr schön ausgedrückt hat:) der Sinn für das Unendliche. Und für das Lebendige und die Freude am Leben. Alles andere sind Moral und Gesetze, die das Zusammenleben von Menschen regeln: den Gesetzen von Raum und Zeit und der Kausalität unterworfen. Das Unendliche aber nicht.

> Man sollte sich nicht überlegen was man glauben möchte, sondern
> was richtig ist.

Das ist sicher der beste Weg!

Wenn jemand sagt er glaubt an den Gott, der die Welt
> in sechs tagen erschaffen hat und jemand an den Gott, der sie in 20
> Tagen erschaffen hat, dann hat einer automatisch unrecht.

Ja, das hat letztlich auch mit Religion nichts zu tun.

> Der Weg der Sufis ist ebenso falsch wie der der heutigen Zweifler,
> welche Allah nicht als einzigen Herrn anerkennen, und die Beleidigungen
> Rushdies in den Satanischen Versen sind nicht zu vergeben ausser von
> Allah selbst.

Was wissen Sie von den Sufis? Haben Sie je ein Buch von ihnen gelesen?

> Es hat mich gefreut von ihnen eine Rücknachricht zu bekommen und
> diese zu lesen.

Das gebe ich gerne zurück.

Herzliche Grüße,
Regina

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