Offene Antwort auf die Kritik an Gottes Lästerern:

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To: xyz
From: mail@regina-berlinghof.de (Regina Berlinghof)
Subject: Re:Gottes Lästerer

Hallo XYZ,

vielen Dank für Ihre Mail und für die freundliche Anmerkung zur Homepage. - Zu Ihrer Kritik an meinem Gedicht nachfolgend im Text:

> Ich habe ihre Homepage gelesen, sie ist gut gemacht,
> dafür ein Kompliment.
> Ich habe aber auch ihr Gedicht gelesen für die "Gottes-
> lästerer". Ich frage mich wie eine Frau wie Sie zu solch einem
> Gedicht kommt. Die Leute für die sie es geschrieben haben, sind
> Menschen die nicht nur Gott beleidigt haben, sondern völlig
> ohne Nachzudenken alle Muslime dieser Welt.

Ich weiß nicht, wie gut Sie mich kennen, daß Sie sagen können "Eine Frau wie Sie". Lassen Sie mich einiges dazu sagen, soweit es zum Thema gehört. Ich bin eine Atheistin, allerdings eine religiöse, auch wenn das für manche schwierig nachzuvollziehen ist. Meine Religiosität beruht nicht auf Büchern - und nicht auf heiligen Schriften (weder Bibel noch Koran noch Sutren o.ä.), sondern auf einem eigenen Erleben des Göttlichen, das überall, in allem und jedem gegenwärtig ist.

Wenn ein Blinder behauptet, es gäbe keine Sonne - würden Sie das auch als eine Beleidigung der Sonne und aller Sehenden verstehen? Sie würden ihn allenfalls bedauern, aber sonst kein Wort darüber verlieren. Es gibt keinen Grund, solche "Lästerer" zu bedrohen oder gar nach ihrem Leben zu trachten. Das habe ich versucht, in dem Gedicht auszudrücken.

Die Sonne existiert und scheint, egal ob wir blind sind oder sehend - und Gott oder das Göttliche wirken in dieser Welt, egal ob es von den Menschen erkannt, verneint oder verlacht wird.
In dieser - von Gott geschaffenen - Welt ist selbst Platz für Spötter und Lästerer. Hätte Gott ihre Existenz sonst zugelassen? In dieser Welt ist Platz für Pflanzenfresser und Raubtiere, in dieser Welt existieren Liebe und Haß, Mord und Totschlag - und nichts davon beleidigt Gott oder das Göttliche. Warum also diese unnötige Angst, den "Glauben" gegen Feinde oder Lästerer verteidigen zu müssen? Oder glauben Sie nur, weil andere glauben? Haben Sie Angst, die "Mehrheit" zu verlieren, wenn Rushdie oder Nasrin ein paar Muslime ihrem Glaubem abspenstig machen? Ob wir Christen, Muslime oder Atheisten oder sonst etwas sind: aus dem Rahmen der göttlichen Welt fällt keiner heraus. Wir gehören alle dazu, in allen Farben und Schattierungen. Denn so hat es Gott offensichtlich gewollt.

> Was hat das für einen Nutzen gehabt als nur in einer Welt wie
> sie heute existiert nur mehr Feindseligkeit zwischen den Kulturen
> un den Religionen heraufzubeschwören.


Vielleicht haben Sie inzwischen auch meinen Artikel zu Annemarie Schimmel und den Lästerern gelesen. Darin zitiere ich ausführlich Rumi und die anderen Sufis, also Vertreter des Islam, für die Gott wahrhaft unendlich, allmächtig und allerbarmend ist. Die Mystiker aller Religionen reden von Liebe und Verbundenheit. Sie lassen selbst die Lästerung zu: eben weil sie die Größe Gottes erkannt haben. So wie eine Taube ein Denkmal zwar mit ihrem Kot bekleckern kann, aber doch niemals die dargestellte Person bekleckern oder beleidigen, so können ein paar abfällige Worte die Größe Gottes nicht klein machen. Oder glauben Sie mehr an Worte als an Gott? Wenn Worte wichtiger sind als Gott selbst, dann beginnt wirklich der Streit der Kulturen, und die Anhänger schlagen sich die Köpfe ein. Ist es nicht ein arabisches Sprichwort: Die Hunde bellen, aber die Karawane zieht weiter? Genügt es nicht, Ihren eigenen Standpunkt und Glauben deutlich zu machen, aber die andersdenkenden Menschen in Frieden leben zu lassen?


In ihrer Kurzdarstellung
> steht Sie waren in Palästina. Dann dürfte ihnen (sofern sie nicht
> nur unter Juden waren) aufgefallen sein was für ein soziales Klima
> dort herrscht. Statt den Frieden zu fördern haben solche Leute nur
> dafür gesorgt daß z.B. den Kritikern des Islam mehr Grund zufällt
> weiterhin die Muslime als das darzustellen was man heutzutage unter
> einem bombenwerfenden Fundamentalisten vorstellt.


Ich habe Anfang der 70er Jahre ein halbes Jahr in einem Kibbuz gelebt und gearbeitet und hebräisch gelernt. Nach meiner Rückkehr habe ich an der Uni mit Hebräisch weitergemacht und Arabisch dazu gelernt, weil mich auch die andere Seite interessierte. In Jerusalem kam ich in Kontakt mit muslimischen und christlichen Arabern. Später reiste ich nach Jordanien und verbrachte noch einmal ein halbes Jahr in Jerusalem: als Referendarin bei einem jüdischen Rechtsanwalt. Aber ich lebte im arabischen Teil der Altstadt (ausgerechnet in der Zeit, als der Oktoberkrieg ausbrach). Mit Religion habe ich mich damals noch nicht befaßt. Aber eine gewisse Ehrfurcht und Verbundenheit mit der ganzen Natur war bei immer da. Nach dem 2. Staatsexamen lebte ich aufgrund eines Forschungsstipendiums knapp zwei Jahre in Ägypten. Zwei Freunde von mir waren mäßig praktizierende Muslime. Wir haben unsere Anschauungen gegenseitig respektiert. Damals konnte ich in Kairo noch mit ärmellosen Blusen durch die Straßen laufen. Ich würde es heute nicht mehr riskieren.

Daß viele Menschen, die in Armut leben, ohne Aussicht auf Änderung ihrer bedrückenden sozialen Verhältnisse, sich in die heile Welt radikaler religiöser und politischer Demagogen flüchten, ist eine altbekannte Tatsache. Dies gilt nicht nur für Israel/Palästina, sondern auch für Ägypten, Algerien und viele andere Länder. Dies galt auch für Rußland und für Deutschland nach dem 1. Weltkrieg. Da die heile Welt nicht so schnell herbeigeführt werden kann, wie sie versprochen wurde, hat man immer Sündenböcke parat, die an allem Übel der Welt schuld sind. Motto: wir brauchen nur die bösen Gegner uneres Konzepts, unserer Religion, unserer Ideologie aus der Welt zu räumen (Mord inklusive), dann haben wir das Paradies auf Erden.

Es ist ein großes menschliches und politisches Unglück, daß Jitzchak Rabin ermordet wurde. Netanyahu ist leider kein Förderer des Friedens und des Ausgleichs zwischen Juden und Arabern. Ob es sich bei einem religiös motivierten Mörder wie hier um einen fanatisch-orthodoxen Juden oder um einen fundamentalistischen Muslim (wie bei Sadat) oder um einen radikalen Hindu (wie bei Gandhi) handelt, ist für mich ziemlich unerheblich. Es zeigt nur, daß im Namen der Heiligkeit und der Religion die größten Verbrechen geschehen. Für mich hat Religion erst dann Sinn und Bedeutung, wenn sie konkret das Leben und die Menschen schützt - nicht aber, wenn es nur darum geht, den Namen und die "Ehre" der einen Religion gegenüber den Anhängern anderer Überzeugung hervorzuheben und zu verteidigen. Die Ehre ist bei Gott und dem Göttlichen - und als Geschöpfen dieses Göttlichen gebührt allen Wesen die gleiche Ehre und der gleiche Schutz!


Was hat eine Frau
> wie Taslima Nasrin nun davon in Pakistan als radikale Atheistin
> aufzutreten; ein Leben im Exil fern von Heimat und Familie und die
> Angst jeden Tag getötet zu werden von radikalen Moslems.


Das ist wohl ihre persönliche Entscheidung. Leider sind es immer die radikalen fundamentalistischen religiösen Fanatiker, die Leute dazu bringen, atheistische Positionen zu vertreten und alles, was mit Religion zu tun hat, gänzlich abzulehnen. Weil sie jeden gleich einen Kopf kürzer machen wollen, der gegen ihre engherzigen Lehren auftritt. Und das gilt für fundamentalistische Christen wie auch für fundamentalistische Muslime und für fundamentalistische Juden. Ich selbst bin sehr früh zur Atheistin geworden: die christliche Religion und Religion überhaupt waren gänzlich unattraktiv für mich. Zuviel Hexenverfolgungen, zuviel Inquisition, zuviele Kreuzzüge (!), zuviele Morde an Andersgläubigen und Andersdenkenden. Zuviele Pfarrer, Priester und Theologen, die den Verstand ihrer Schäflein und ihren eigenen auf dem Altar "Gottes" opfern wollten.
Meine Ablehnung fundamentalistischer Positionen bezieht sich übrigens auch auf alle extemen politischen Ideologien, egal ob sie rechte oder linke Positionen vertreten. Auch ihnen gilt die Freiheit des einzelnen im Handeln und Denken nichts. Ich erinnere nur an solche Parolen wie "Du bist nichts, Dein Volk ist alles" (3. Reich) oder "Die Partei hat immer recht" (SED-Staat).


> Wie kann es z.B. frauenverachtend sein wenn diese ein Kopftuch tragen
> müssen, weil nicht die Männer es sagen sondern Allah?

Wo sagt dies Allah? Und selbst wenn es im Koran steht: seit wann sind Heilige Bücher heiliger als Gott selbst? Wenn eine Frau ein Kopftuch tragen will - bitte. Aber dazu gezwungen zu werden im Namen des Allbarmherzigen und Alliebenden - das ist ein starkes Stück. Das ist für mich keine Religion, sondern Gefängnis. Soweit ich weiß, hat Muhammad den Frauen zu seiner Zeit sehr viel mehr Rechte zugestanden, als es üblich war. Eben weil vor Gott alle gleich sind. Auch Männer und Frauen. Wieso müssen dann Männer nicht auch einen Tschador tragen? Wieso dürfen sie ihre Bärte zeigen, Frauen aber nicht ihre Kopfhaare?


> Taslima Nasrin ist selbst schuld daß sie aus Pakistan fliehen musste,
> und sie wird bis an ihr Lebensende keine ruhige Minute haben
> egal wie sie auch beteuern wird wie gut es ihr geht, dafür wird
> kein Moslem sorgen sondern Gott selbst.


Wenn wir diese Entscheidung wirklich Gott überlassen, wird es Taslima Nasrin bestens ergehen. Denn sie ist ein Geschöpf Allahs, so wie Sie und ich. Und Allah liebt seine Geschöpfe!


> "Wer Gottes Größe verteidigen will, macht sie klein." (Vers 9)
> Gottes Größe bleibt wie sie ist und nichts kann sie klein machen.
> Wenn sie so gebildet sind wie in ihrer Darstellung dann denken sie
> doch an folgendes: Jeder Mensch hat eine bestimmte Lebenspanne,
> wenn diese vorbei ist, ist er stumm und sein Werk zerfällt sofern
> er kein Prophet war. Doch Gott lebt ewig. Wer kann es sich erlauben
> IHN zu beleidigen und dann noch eine Chance zu haben IHM zu entkommen.
> Am Jüngsten Tag gibt es nur ALLAH als Richter und NIEMAND kann noch
> sagen er habe nach den Menschenrechten gelebt, ebenso wird es auch
> keinen Budhha geben oder einen Sohn Gottes der allen vergeben soll
> welche Bestrafung verdient haben.

Sie haben ein Gottesbild von einem richtenden und strafenden Gott, das mir allerdings auch aus der Bibel bekannt ist, mit meiner eigenen Erfahrung aber überhaupt nicht übereinstimmt. Der Jüngste Tag findet jeden Moment statt, und jeden Moment finden wir Liebe und Vergebung, wenn wir die Liebe und Güte des Göttlichen erkennen oder ihr vertrauen. Das ist es, was Muhammad, Jesus und all die anderen gelehrt haben. Aber das zu glauben, verlangt ein großes Vertrauen. Und vor allem keine Rachsucht. Glauben Sie im Ernst, Gott, der Schöpfer der Welt wäre glücklich über zahllose Sünder, die in der Hölle braten? Jedes muslimische Gebet, jede Sure des Koran beginnt mit Bismillahi rachmani arrachim - im Namen des erbarmenden Gottes, des Allerbarmers. Ich fürchte, die rachsüchtigen Gläubigen werden ziemlich enttäuscht sein, wenn sie auch die Sünder und Lästerer im Paradies wiederfinden werden. Aber ich hoffe und wünsche, daß sie bis dahin selbst so viel Liebe erfahren haben, daß sie sich mitfreuen können!


> Ist es zuviel verlangt nur zu glauben?


Man sollte sich vorher immer überlegen, wem und was man glaubt. Am besten selbst erkennen. Das ist der Weg der Sufis und Mystiker. Und wenn man selbst noch nicht erkennt und sieht: dann würde ich mich fragen, wohin führen mich diese Lehren? Zu mehr Liebe und Verständnis oder zu Ablehnung, Drohung, Ausschließung, Trennung und Verfolgung?

> Ich hoffe sie verstehen diese Zeilen und machen sich Gedanken darüber.

Diese Frage geht nun an Sie!


> "Ina ALLAH HUA SCHADIDU 'IKAAB"

Für mich ist Allah (und das Göttliche überhaupt) mehr als der Gott der Stärke und der Strafe und des Gerichts!

Ina Allah hua schadidu chubb wa-rachma!
(Wörtlich: Wahrlich, Allah ist groß an Liebe und Erbarmen! RB)

Herzliche Grüße,
Regina

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