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WEB-Tagebuch Regina Berlinghof

Oktober 2003
26.10.2003







 

Religiöse Thematik bei Suhrkamp
Mit der Übernahme der Verlagsleitung durch Ulla Berkéwicz soll es Befürchtungen geben, daß die religiöse - esoterische und jüdische - Thematik im Verlagsprogramm überhand nimmt. Die FAZ wiegelt ab: das sei doch nichts neues bei Suhrkamp, sondern habe eine lange Tradition. Man denke doch nur an den Verlagsautor Hermann Hesse.
Ach, liebe FAZ-Redakteure, wenn ihr nur wüßtet! Darüber kann ich nur kichern!. 
Als ich mich im März 1992 erdreistete, auch den Suhrkamp-Verlag  wegen meines Romans "Mirjam. Maria Magdalena und Jesus" anzusprechen und mich telefonisch zum Lektorat Belletristik durchstellen ließ, reagierte die junge Lektorin (jedenfalls der Stimme nach) pikiert bis beleidigt, als ich ihr das Thema Maria Magdalena / eigene spirituelle Efahrung versus vorgesetzte Glaubensinhalte beschrieb. Sie schlug mir vor, mich doch an einen religiösen Verlag zu wenden. Ich sagte, denen sei ich nicht religiös genug. Sie: ich solle mich doch mal in Buchhandlungen umschauen und mich mit den Büchern und Autoren des Suhrkamp-Verlages vertraut machen. Offensichtlich wüßte ich nicht, mit welchem Verlag ich es zu tun hätte. Nun, den kannte ich. Sie im Gegensatz zu mir keine einzige Zeile des Romans, was sie allein befähigt hätte, über die Qualität meiner Schreibe zu urteilen. Ihr reichte das Thema Religion, um die Nase zu rümpfen. Für viele elitäre Intellektuelle ist Religion so anrüchig wie ein stinkender Kadaver, im mildesten Fall eine Krankheit, die man im Kinderstadium hinter sich gebracht haben sollte. Vermutlich dachte sie, ich wolle ihr christliche Erbauungsliteratur anbieten. Als ich ihr sagte, daß ihre Vorstellungen nicht ganz zuträfen, und sie doch erst einmal Exposé und Leseproben anschauen sollte, fügte sie sich gottergeben in die angedrohte Manuskriptsendung. 
Leider fiel mir erst nach dem Gespräch Hermann Hesse, sein Siddharta, Narziß und Goldmund etc. ein. Daraufhin schrieb ich einen superarroganten Brief, in dem mich auf H.H. bezog und fragte an, ob sie ihren Hausautor nur noch Goldesel betrachteten, mit seinen Themen und Werten aber nichts mehr im Sinn hätten. Falls dies so wäre, könnten sie die Leseproben ungeöffnet zurücksenden. Dann verzichtete ich dankend auf die Ehre eine renommierten Bermann-Fischer-Suhrkamp-Unseld-Autorin zu werden. Diesen schönen bösen Brief schickte ich dann nicht ab. Milder gestimmt und auch im Hinblick darauf, daß Ärger nur wieder Ärger produziert, schrieb ich dann einen entsprechend milden und freundlichen Brief, in dem ich mich ebenfalls auf H.H. bezog und meinte, ich könne mir nicht vorstellen, daß der Suhrkamp-Verlag die Themen und Werte H.H.'s vergessen hätte. Und daß es schließlich auf die Art der Verarbeitung ankäme. Nach nur einer Woche kamen die Leseproben wieder zurück. So schnell war Reaktion noch nie! Ein Kollege meiner Telefonpartnerin (diesmal Insel-Verlag) antwortete. Und nun weiß ich nicht, ob er dem Affen Zucker geben wollte oder es ernst meinte: er müsse mir mir ein großes Kompliment machen - ich hätte Geschichte und Legenden auf phantasievolle Weise zu einem neuen lebendigen fiktionalen Ganzen verwoben. Sprache und Stil würden zu dieser Integration das ihre beitragen. 
Nur: Um Geschichten und legendenhafte Nacherzählung ging es mir gar nicht. Er hatte das Typoskript überhaupt nicht gelesen.
25.10.2003
Parteienmetamorphose
Offener Brief an Angela Merkel und die Fraktion der CDU/CSU
(als mail gesendet am 7.10.03)

Sehr geehrte Damen und Herren,
wenn das Herzog-Konzept dazu führt, daß Mehrverdiener weniger zahlen müssen als Arme, dann ist aus dem C der CDU wohl ein K(= Kapital) geworden.
Darf ich Sie auf Art. 14 GG Abs. 2  hinweisen: Dort steht: 
                      "Eigentum verpflichtet.  Sein
                      Gebrauch soll zugleich dem Wohle der
                      Allgemeinheit dienen."

Vielleicht sollten sich die CDU-Oberen diesen Artikel einmal wieder ansehen. Vor allem Frau Merkel.

Mit freundlichen Grüßen,
Regina Berlinghof
Schriftstellerin und Verlegerin

Zusatz von heute:
Für die Regierungslaienspielschar gilt das analog. Da wurde aus dem "S" der SPD längst ein "K", das allerdings nicht für Kommunismus steht (wäre genausowenig wünschenswert.)
 

24.10.2003
 
 
 
 
 
 

Halle 3.1, C 140
bereit für die Besucher
 
 

herzlich willkommen!
 
 
 
 


Lesung Uta Franck
 
 


Lesung Regina Berlinghof
 
 
 

die Fans warten auf Daniel 
am Stand gegenüber




 

Buchmessen-Rückblick
Spät, aber niemals zu spät meine Impressionen von der  diesjährigen Frankfurter Buchmesse, die ich hauptsächlich als Ausstellerin erlebt habe. Als Schülerin und dann 30 Jahre lang als Leserin, seit Anfang der 90er Jahre als Schriftstellerin. Dieses Jahr zum fünften Mal in der Funktion als Verlegerin. Die Blickwinkel ändern sich. 
Nicht mehr auf der Suche nach besonderem Lesefutter bei kleinen und ausländischen Verlagen, deren Bücher man nie in Buchhandlungen sieht, sondern aufs Vorstellen des Verlagsprogramms und der neuen Titel ausgerichtet. Für die Lesesuche bleibt kaum noch Zeit.
Organisation steht ganz oben. Prospekte und Werbezettel mit Gedicht- und Leseproben aktualisieren, drucken, falten, schneiden. Plakate der neuen Buchtitel drucken und laminieren lassen. Neue Stühle bei Ikea besorgen. Am Sonntag ohne großen Zeitdruck (vor allem bei freier Parkdauer auf dem Messegelände) die Scheinwerfer installiert, das Billyregal aufgebaut und die Plakate geklebt. Dieselben Nachbarn wie im Vorjahr – gegenüber die ersten bekannten Gesichter. Wir begrüßen uns freudig.
Am Montag eine Überraschung und Freude: Der persische Weingroßhändler schenkt mir die Flaschen „Hafis“ und „Omar Khayyam“, die ich bei ihm kaufen wollte. Als er erfuhr, daß ich sie für Lesungen der Dichter brauchte, war es ihm eine Ehre, die persische Literatur auf seine Weise zu unterstützen! Großer Dank an dieser Stelle! (mehr zu persischem Wein bei http://www.bourseauxvins.com). Er brachte sie mir sogar bis Wallau, wo ich bei Ikea die Stühle und Kleinigkeiten kaufte.
Am Dienstag Lebensmittel und die Bücher eingeräumt. Der neue Fluter, den ich bei Aldi gekauft hatte, macht gleichmäßig hellstes Licht. Nur warm wird es in der Koje werden. Zum Glück bin ich in Halle 3.1, nahe der großen Fensterfront mit Türen, die sich auf den Balkon öffnen lassen. So kommt immer wieder frische Luft herein.
Mittwoch – Beginn der Buchmesse. Ich habe erfolgreich Werbung für Nachdichtungen armenischer Lyrik von Hans Bethge gemacht. Am Morgen haben zwei Bände der „Armenischen Nachtigall“ bereits Abnehmer gefunden. Leider ohne zu bezahlen. Bevor die ersten Besucher kommen, noch Tee gekocht, Prospekte ausgelegt. Der erste Messetag ist meist der angenehmste. Die Zahl der Besucher ist noch überschaubar. Um zehn kommt eine Freundin zum Stand, so daß ich selbst losziehen kann. Das Plakat meines Romans „Mirjam. Maria Magdalena und Jesus“ wirkt immer wieder auf die Menschen. Sie bleiben stehen, schauen. Viele greifen interessiert nach dem Prospekt, manche wenden sich indigniert ab. Die Vorstellung, daß Jesus Maria Magdalena auch im Fleisch geliebt haben könnte, ist für sie immer noch ungeheuerlich. Aber es gibt keine Proteste. Das bringen nur amerikanische Fundamentalisten. Nächstes Jahr erscheint der Band als Taschenbuch. Zwei Journalisten wollen rezensieren. Die Autorin, ich, ist beglückt.
Donnerstag: Es sind immer wieder Iraner, die sich über das Wiedersehen mit Hafis, Omar Khayyam und Sa’di  aus der Sammlung der Orientalia freuen. Aber auch eine Inderin schaut vorbei, mit der ich wahrscheinlich ein neues Projekt angehen werde. 
In der Zeit, in der Uta den Stand betreut, kann ich rundgehen – suche Zeitschriften auf für Besprechungen der neuen Titel. Zum Teil positive Resonanz.
Am Nachmittag signiert gegenüber Michaela Schaffrath, ex Gina Wild, Kalender. Der Andrang ist groß. Nicht nur Männer, die sich gerne mit der Neuschauspielerin fotografieren lassen.
Freitag: Der erste Tag fürs allgemeine Publikum. Öffnung am Nachmittag. Halb zwei erneutes Gedränge gegenüber: für 16.00 ist Daniel Küblböck angesagt. Junge Mädchen, auch Frauen mittleren Alters stehen an. Als er um drei kommt, bricht die Hölle los. Die Fans verstopfen den ganzen Gang, stehen dicht bis in meine Koje, um nur einen Blick auf ihn zu werfen oder einen Schnappschuß zu erjagen. Sicherheitskräfte müssen kommen, sie versuchen, einen Durchgang freizuhalten. Es dauert, bis es klappt. Die Schlange der Fans füllt die Hälfte der Längsseite der riesigen Halle. Die Kojen dieser Verlage sind unzugänglich. Um 17.00 habe ich die erste Lesung am Stand angesetzt: Wein und Liebe. Die Verse des Hafis, Omar Khayyam und des Armeniers Nahabed Kutschak. Der Lärm der Fans ist ohrenbetäubend. Ich habe zwar Mikrophon und Lautsprecher dabei, aber die helfen nicht viel. Trotzdem lese ich weiter, eingedenk des Yin Yang Symbols der Vereinigung der Gegensätze. Dort Pop, hier mittelalterliche orientalische Liebeslyrik… Glücklicherweise harren ein paar Interessierte tatsächlich aus und bleiben zur anschließenden Weinprobe bei schönen Gesprächen. Der Wein schmeckte ausgezeichnet - und zeigte keinerlei unangenehme Begleiterscheinungen am nächsten Tag. Bis zu den folgenden Lesungen ist der Spuk gegenüber endlich vorbei. Am nächsten Morgen gibt es einen Kalender nach Wahl als Entschädigung für unsere Unbill…
Die lange Öffnungszeit bis 20:30 schlaucht. Viele Besucher sind nicht mehr unterwegs. Alle Verlagsmitarbeiter ringsum sind gegen diese lange Öffnungszeit. Wir sind seit acht Uhr morgens am Stand und stehen und stehen…
Samstag: Der ganze Tag ist Publikumstag. Also viele Prospekte und Werbezettel verteilen. So viele, wie noch nie. Dabei hatte ich dieses Jahr 300 Stück zusätzlich gedruckt. Gegen Abend sehe ich, daß ich fast alle ausgegeben habe. Also zuhause noch Nachtschicht – gedruckt und gefaltet. Zwei Uhr nachts fiel ich ins Bett. An diesem Tag wieder drei Lesungen, zwei von mir, eine von Uta Franck, die aus ihrem Märchenband „Der Prinz im Schaffell“ las. Ich wieder meine orientalischen Dichter mit Weinprobe und Lesung aus meinem neuen Roman „Schrödingers Katharina oder Liebe am anderen Ende der Welt“. Der Anfang mit der Entführung kommt immer gut an. Ich traue mich nicht, die quantenphysikalischen Passagen zu lesen. Vor allem Frauen schrecken immer noch vor solchen Themen zurück.
Ich gehe am Mittag zu den Amerikanern – versuche, den Literaturagenten und Verleger John Brockman für das Buch zu interessieren. Ein Mann mit Sinn für neue Visionen und moderne Naturwissenschaften. Ich erwische eine Lektorin, die aufmerksam zuhört – aber mir bald ins Wort fällt: „We don’t publish fiction.“ Nur Sachbücher. Pech. Dabei: wieviel Schrott wird als Sachbuch auf den Markt gebracht! 
Sonntag: Wieder Publikumstag und eigene Lesungen. Autoren kommen zum Stand, fragen nach Publikationsmöglichkeiten. Sie erinnern mich an die Zeiten, als ich selbst nach Lektoren am Stand fragte. Viele sind völlig ahnungslos, welche Verlage für sie in Frage kommen könnten. 
Auch heute gab es wieder viele interessierte Zuhörer bei den Lesungen und gute Gespräche mit Besuchern. FreundInnen,  ArbeitskollegInnen schauen am Stand vorbei, bleiben zur Lesung. Schön dieses Treffen in fremdem Ambiente. Ringsum finden Veranstaltungen statt, man hört das Beifallklatschen des Publikums. Ich bekomme fast gar nichts von der übrigen Messe mit – bin ganz auf den eigenen Stand konzentriert. Die nachgedruckten Prospekte werden reichen.
Montag: letzter Buchmessetag. 13.00 ist Schluß. Zum ersten Mal darf offiziell verkauft werden. Ich habe nur zwei Bücher auf der Liste, die ich auch bekomme. F.W. Bernsteins Gedichte und ein Band über Quantenphysik bei Reclam. Vergessen habe ich die Musilbiographie von Karl Corino. Sie ist schweineteuer. (Ich habe sie mir heute gekauft. Wenn man sich schon den Arm gebrochen hat, darf man sich etwas Schönes zum Ausgleich leisten und lesen!)
Die Kalender gegenüber werden belagert. Damit kann ich nicht mithalten. Aber eine gute Zahl Bücher konnte ich doch verkaufen – und Bestellungen zusätzlich gab’s auch. 
Der Abbau am Mittag geht schnell. Ärgerlich nur, daß wir mit den Autos erst nach 14.30 aufs Messegelände dürfen. Als ob man da Stunden stehen wollte…
Abends noch ins Konzert in die Alte Oper – ein Berliozabend. Am nächsten morgen geht es wieder ins Büro zu Hotline, Schulungen und IT-Fragen….
19.10.2003
Verletzte, kommst du ins Krankenhaus . . .
Eigentlich wollte ich dieses Wochenende endlich meine Impressionen von der diesjährigen Buchmesse ins WEB-Tagebuch setzen. Ein Stolpern und Sturz am Freitag im Büro machten einen Strich durch alle Pläne.
10.00 Uhr im Gang gestürzt. Im Taxi zum Krankenhaus gefahren, das mit der Berufsgenossenschaft vertraglich verbunden ist. Ich solle mir bloß die Taxiquittungen aufheben, bekomme ich mit auf den Weg. Ich war auf die rechte Seite geknallt. Die Schulter schmerzte höllisch, im ganzen Arm keine Kraft mehr. Und das rechte Knie brannte ebenfalls, ließ sich aber bewegen. Ich saß erst mal fünf Minuten auf dem Gang, um mich innerlich zu berappeln. Ein Kollege, der herbeigestürzt war, half mir dann aufzustehen.
Gehen konnte ich - aber der Arm ließ sich praktisch ohne Schmerzen nicht mehr bewegen. Immer noch benommen und weiß im Gesicht wartete ich aufs Taxi.
Alles klappte prima. Dann vorm Bürgerhospital ausgestiegen. Stufen hinauf. Die schwere Tür mußte man mit der freien linken Hand aufziehen, die schon die Jacke, Handtasche und einen kleinen Beutel schleppte. Es gab nirgends Türen, die sich selbstätig öffneten. Die Notaufnahme befindet sich im Keller. Also im Fahrstuhl nach unten, dann durchgefragt. Vor dem Schalter der Notaufnahme stand schon eine Frau. Weiter zurück das Warnschild wie bei Banken: "Abstand halten"! Ich wartete - mit eiskalten Händen und Füßen, der Arm schmerzte. Die Frau vor mir gehörte offensichtlich zum Personal. Ich machte mich bemerkbar, die Frau verabschiedete sich. Die Schwester hinter dem Schalter wandte sich mir zu. Als sie hörte, daß es sich um einen Arbeitsunfall handelte, zog sie ein Formular hervor und wollte nun Stück für Stück den Fragebogen durchgehen. Nicht, was passiert war, wurde ich gefragt, nicht, wo es mir wehtat. Den Namen des Arbeitgebers wollte sie wissen, wann der Unfall passiert war, wann ich heute mit der Arbeit angefangen hätte. Da rastete ich aus. Ob sie mich solche Sachen nicht später fragen könnte, ich sei hier als Patientin und wollte untersucht werden. Ungerührt beharrte sie auf Ihren Fragepflichten. Außerdem verlangte sie nach meiner Krankenkassenkarte. Die Schwester saß hinter dem Schalter  - die Patientin durfte stehen. Ich suchte nach dem Kärtchen, fand es, überreichte es. Sie wollte die Fragen fortsetzen. Ich fing an zu brüllen. Eine andere Schwester, älter, energischer, stämmiger, führte mich in einen Untersuchungsraum, wo ich mich endlich setzen konnte. Weiter gings im Fragebogen. Adresse des Arbeitgebers usw. Dann ließ man mich allein. Immer noch eiskalte Hände und Füße, der Arm ein einziger Schmerz. Das interessiert hier keinen. Nach endlosen Minuten (Viertel-, Halbestunde?)  - ich habe nicht auf die Uhr gesehen -, kam der Arzt. Kurz Arm und Knie freigemacht. Er schickte mich zum Röntgen. Den Begleitzettel steckte man mir in die linke Hand, die wieder mit Jacke, Tasche und Beutel bewaffnet war. Ich durfte nichts zuücklassen. Eine Garderobe gibt es nicht. Wieder Gänge entlang mit einer schweren Tür dazwischen. Der linke Ellbogen schaffte sich Bahn.
Ausziehen zum Röntgen. Der Röntgenarzt oder -mitarbeiter sehr nett und hilfsbereit. Ich konnte mich nicht zu den Schuhen beugen, weil Arm und Schulter zu sehr schmerzten. Er löste mir die Knoten, half später auch beim Zuschnüren.
Als er schließlich die Bilder brachte, meinte er, daß der Arm im Schultergelenk gebrochen sei. Der untersuchende Chirurg bestätigte später diese Diagnose. Dazwischen der Gang zurück - in der Linken wieder mit allem beladen, dazu die Röntgenaufnahmen. Diesmal mußte ich vor der Gangtür kapitulieren - sie ging jetzt nach innen auf. Ich mußte sie aufziehen, konnte es aber nicht, weil sie zu schwer war. Glücklicherweise kam bald ein Mitarbeiter vorbei, der mir die Tür aufhielt.
Nach dem Befund - glatter Durchbruch - kam die energische Schwester wieder, brachte eine "Gilchristschlinge", die heutzutage den Gips ersetzt. Ihre Einfassung war aus rauhem, hartem Stoff - sie legte eine Kompresse dazwischen. Drei Wochen soll ich dieses Ding auf der nackten Haut mit angewinkeltem Arm tragen. Ununterbrochen, ohne Ablegen zwischendurch, selbst nachts - also auch kein Duschen, Waschen usw. Nun ja. (Kommentar meines nachbehandelnden Orthopäden: "Unsinn!" - Zuhause hatte ich schon selbst die alte Gilchristschlinge angelegt, die ich dem Bruch des linken Oberarmes vor zwei Jahren verdankte. Zwischendurch läßt die sich immer mal "aushängen", so daß auch der Ellbogen bewegt werden kann.)
Das bestellte Taxi kam ließ auf sich warten, weshalb ich in den Hof ging, wo es anfahren sollte. Die Türen waren verschlossen - für Personen wie für Autos. Also die Klingel an der Pforte bestätigt. Der Pförtner ließ mich heraus. Auf der Straßenseite gegenüber, wo sich der Eingang zum Marienhospital befindet, ein Taxistand.
Ich stieg erleichtert ein.

Nachtrag vom 1. November 2003:
Bericht der FAZ (Natur und Wissenschaft) vom 29.10.03:
Fatales Trödeln im Krankenhaus
Nach Schlaganfällen wird oft wertvolle Zeit verschenkt / Von Nicola von Lutterotti
[...]
"Alle Hospitäler verfügten über die technischen und personellen Voraussetzungen, einen Gehirnschlag rund um die Uhr zu diagnostizieren. Dennoch verging oft viel zuviel Zeit, bis das Klinikpersonal die Betroffenen untersuchte. Die Verzögerung war vor allem für jene Patienten von Nachteil, die innerhalb von zwei Stunden nach Symptombeginn im Krankenhaus eintrafen. Bei diesen Kranken dauerte es im Mittel mehr als eine Stunde, bevor eine Computertomographie oder eine Magnetresonanztomographie des Gehirns vorgenommen wurde.
[...]
Vergleichsweise schnell untersucht wurden etwa Patienten, die bereits fortgeschrittene neurologische Ausfälle aufwiesen, privat versichert waren, sehr früh nach Beginn der Beschwerden in der Notaufnahme ankamen oder aber am Wochenende eingeliefert wurden. Allein lebende Patienten und solche, die bereits ein anderes Krankenhaus aufgesucht hatten, mußten demgegenüber mit besonders langen Wartezeiten rechnen. Daß im Krankenhaus häufig soviel wertvolle Zeit verschwendet wird, liegt Villringer zufolge vor allem an organisatorischen Mängeln. "
 

 

 
   
   
 
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