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WEB-Tagebuch Regina Berlinghof

März 2004
23.03.2004
Nasenschleier
Eine Forschungsarbeit aus Saudi Arabien – so die FAZ vom letzten Sonntag – hat ergeben, daß Frauen mit Gesichtsschleier sehr viel weniger an Nasenkrebs erkranken, als Frauen, die ihr Gesicht Wind, Sonne, Regen und den begehrlichen Blicken der Männer aussetzen.
Tja, Männer, also ran an den Nasenschleier – oder wollt Ihr, daß Euch der Krebs an der Nase packt?
 
 22.03.2004
Erlkönigin – „jetzt faßt sie mich an!“
Konzert. Die ersten zarten Töne des Siegfriedidylls steigen auf. RATSCH!!. Mein Nachbar, Marke Intellektueller im Edelrolli, hat den Klettverschluß seines Feldstechers geöffnet und holt das Fernglas heraus. Manche hören eben nicht mit den Ohren, sondern mit den Augen. Der Feldstecher ist wenigstens lautlos.
Nicht so das Papier seines Programmheftes, das er immer ungeduldiger während des zweiten Stücks, den Liedern eines fahrenden Gesellen von Mahler umkrampft. Manchmal liest er den Text mit, dann blättert er weiter. Im letzten Lied, das ins süß-traurige Piano hinübergleitet, schlägt er die Seiten auf und zu, sinnloses Rascheln ohne lesen. Reine Ungeduld. Ich fahre mit meiner Hand dazwischen. Er hält verdutzt inne. Bis zum letzten Mahlerton bleibt es neben mir absolut still. Die letzten Töne verklingen. Im Saal ist es still. Es braucht lange, bis Beifall aufkommt. Während des Klatschens wende ich mich versöhnlich an meinen Nachbarn, versuche, ihm zu erklären, daß er mit seinem Blättern und Rascheln die Musik gestört hätte. „Ich habe nicht geblättert!“ Und dann kommt die Retourkutsche: „Aber ich habe mich wahnsinnig geärgert, daß Sie mich angefaßt haben!“  Im Nachhinein weiß ich nicht mehr, ob ich meine Hand nur über seine Faust gehalten habe oder ihn tatsächlich berührt habe. Es kommt zu einem Wortwechsel. Ich erwähne den Krach mit dem Klettverschluß. Sein Kommentar: „Ich hoffe nur, daß Sie in Zukunft nie mehr neben mir sitzen.“  Meine Antwort kommt von Herzen: „Das hoffe ich auch!“
Hab ich ihm Leides getan?
 
2.03.2004
Mel Gibson's Jesus-Film oder die Lust am Leiden 
Bis jetzt konnte ich Mel Gibson's Jesusfilm noch nicht sehen. Obwohl mich das Thema sehr reizt, noch dazu die Filmsprachen Aramäisch und Latein, weiß ich noch nicht, ob ich mir wirklich den Film ansehen werde. Ich habe Ausschnitte gesehen - Bilder von einem blutüberströmten Jesus. Es gibt zahlreiche und übereinstimmende Berichte von exzessiv gezeigten Quälereien, Greueln, Schreien der Gemarteten. Muß das Blut wirklich erst in Strömen fließen, müssen alle Einzelheiten der Torturen gezeigt werden, damit Menschen noch Mitgefühl empfinden können? Ist das die spirituelle Botschaft des Jesus: Grausamkeit und Leiden? 
Es ist schon merkwürdig, daßdie Leute lieber lustvoll Greuel genießen, als sich an erfreulichen und damit harmloseren Dingen erfreuen. Angesichts der puritanischen Erbauung angesichts von Blut, Schlägen und Schreien, aber grenzenloser Empörung, wenn eine Sängerin in einer Show eine nackte Brust zeigt, habe ich in meinem Roman "Mirjam. Maria Magdalena und Jesus" nachgeschlagen und zitiere aus dem Ende des 24. Kapitels: 

"Die Schüler(= Jünger, = Kirche) lehren Jeschuas Liebe. Aber sie sehen überall nur Sünde und Sünder in einer sündhaften Welt. Und weil sie überall, auch in sich selbst, nur Sünde sehen, ist das Schreien nach Erlösung so groß! Seit neuestem lehren sie sogar, daß Jeschua am Kreuz für ihre Schuld gestorben ist und die Sünden der Menschen auf sich genommen hat. Aber welche Sünden? Was ist denn Sünde? Der Mensch irrt und ist in seiner Unwissenheit, die nichts als Liebelosigkeit und Angst ist, zu furchtbaren Greueln fähig. Worin besteht die Sünde eines wilden Tieres, das - in die Ecke getrieben - den Menschen anfällt und tötet, um zu überleben? Man schützt sich vor ihm - aber worin ist es sündhaft, warum muß Gott ihm vergeben? Wer liebt, liebt auch das wilde Tier - und nimmt sich dabei in acht, daß es ihn nicht auffrißt! Sie lehren, daß es Jeschuas göttlicher Auftrag war, am Kreuz für alle Menschen zu sterben. Aber ist denn ein Mensch je dadurch gerechter und besser geworden, weil ein anderer für ihn gestorben ist? Erfährt er dadurch Liebe? Im Gegenteil! Das Maß seiner Schuld verdoppelt sich! Er hat nicht nur gesündigt - ein anderer hat dafür die Schuld auf sich genommen und büßt für ihn freiwillig mit seinem Leben! Steht er dann nicht auf ewig in dessen Schuld? Wie kann ich weiterleben und je wieder Freude empfinden, wenn einer für mich gestorben ist! Wie lange hatte Jeschua unter der Schuld gelitten, weil Jehuda an seiner Stelle gekreuzigt worden war! Welch ungeheure Erwartung lastet nun auf mir, mich dieses Opfers auch wert zu erweisen! Verpflichtet ein solches Opfer nicht dazu, nun doppelt ‘gut’ und ‘liebevoll’ zu sein? Wenn ich dann doch wieder ‘sündige’, bin ich dann nicht ganz und gar verwerflich? Solche Opfer gebieten immer nur weitere Opfer. Nun werden sie ihrem Rav und Maschiach darin nacheifern, ebenso opfern zu können wie er selbst! Sie sind Kinder - und wie Kinder lernen sie durch Nachahmung. Hat Gott sich durch seinen Sohn für die Menschen geopfert - was könnte ihm gefälliger sein, als das Opfer des Menschen für Gott! Darin wird ihre wahre Nachfolge bestehen: im Opfern und nicht in der Liebe. So wie sich der Maschiach für sie geopfert hat, so werden sie sich für den Maschiach opfern! Sie werden ihr Glück, ihre Freude und ihre Körper opfern, weil ihr Meister seinen Körper geopfert hat. Der Rav hat gelitten - also werden auch sie leiden, um ihm näher zu sein. 
Sie lehren Jeschuas Liebe - aber von seiner Liebe zu mir wollten sie nichts wissen. Und heute verschweigen sie, daß es unsere Liebe je gegeben hat. Sie lehren eine Religion der Liebe. Es ist eine Liebe, die die Wahrheit leugnet. Was aber ist Liebe ohne Wahrheit? Ich weiß nicht, wohin dies führen wird. Pontius Pilatus hat die Wahrheit nicht geleugnet. Er hat sie gesehen und sein Handeln danach ausgerichtet. Aber er war ohne Liebe. Und was ist Wahrheit ohne Liebe!"  (Klammereinträge und Fettmarkierung nur hier).
 

 
 
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