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WEB-Tagebuch Regina Berlinghof

Juli 2004
29.07.2004
Sonys Minidisc - ein Konzern kommt zur Vernunft
Zwei Jahre hat es gedauert, und jetzt endlich nimmt Sony die Käufer seiner Produkte ernst. Vor zwei Jahren kaufte ich mir einen Minidisc-Recorder der besseren Sorte mit Mikro-Eingang, um Lesungen usw. ohne schweres Gepäck digital aufnehmen und anschließend in den PC einspeisen zu können. Die Rechnung machte ich leider ohne Sony. Die Aufnahmen klappten einwandfrei. Nur konnte ich sie nicht auf meinen Rechner überspielen.
„Aus Kopierschutzgründen“ ließ das mitgelieferte Softwareprogramm nur die Überspielung auf den Rechner von solchen Stücken zu, die man vorher vom Rechner auf den Minidisc übertragen hatte. Man wollte wohl das einfache Austauschen und Einstöpseln des Minidisc an mehrere PCs verhindern, mit dem Musikstücke sonst leicht von PC zu PC ausgetauscht werden konnten. Nun, jeder USB-Stick macht das heute als Kinderspiel.
Nur die Leute, die brav – ohne irgendwelche Urheberrechte zu verletzen – eigene Aufnahmen per Mikrofon, sei es Sprache oder Musik, gemacht hatten, blieben auf der Strecke. D.h. sie mußten nach altmodischer Art, die Stücke abspielen und dann über den Kopfhörereingang des PC analog aufnehmen. Qualitätsverlust inbegriffen.

Jetzt endlich gibt es laut Hersteller und Fachberichten in den Tageszeitungen neue Minidisc-Geräte und neue Software, die das Überspielen nicht mehr nur als Einbahnstraße betreiben. Zwar teuer, aber immerhin. Ich halte mir mit einiger Freude zugute, daß mein damals empörter Aufruf im Internet zum Hacken der Sonysoftware den Hersteller nicht nur per eMail erreicht hat, sondern im Lauf von zwei Jahren auch offene Ohren fand. 
 

18.07.2004
Das Märchen von den egoistischen Genen
Dieses Jahr bin ich zum ersten Mal nicht zur Europawahl gegangen. Ich wußte nicht, welche Partei ich wählen sollte. Die Grünen sind als Korrekturpartei genug und bekommen dafür schon genug Stimmen, aber ihre Anfälligkeit für einen idealistischen Dogmatismus macht sie nicht mehrheitsfähig. Die „christlichen" Bruderparteien und die „sozial"demokratische Regierungspartei haben sich in die Hände der Industriebosse, der Banker und der Wirtschaftsberater gegeben. Der Sachverstand der Beamten und der Politiker selbst gilt nichts mehr. Bei den Politikern fragt man sich auch, woher sie ihn haben sollten. Haben die meisten der heute Regierenden (egal welcher Partei) doch ihre Karriere stramm in der Partei durchgezogen, ohne je einen Beruf im Wirtschaftsleben ausgeübt zu haben. Sie haben gelernt, Beziehungen und „Freundschaften" aufzubauen, sie sind geübt im Taktieren und Ausmanövrieren von Gegnern, sie können sich in der Öffentlichkeit gut darstellen und können vor allem gut reden. Der praktischen Lösung von Sachproblemen sind sie auf dieser Weise erfolgreich aus dem Weg gegangen.
Herr Stolpe und mit ihm Kanzler Schröder läßt sich noch immer von den Versprechungen der Toll Collect Managern einseifen und Milliardeneinnahmen des Staates durch die Lappen gehen,
die Herren von Mannesmann-Vodafone läßt man Millionenabfindungen durch Steuerabschreibungen finanzieren usw. usw.

Das Grundgesetz hatte im Gegensatz zur kommunistischen und nationalsozialistischen Zwangswirtschaft die Marktwirtschaft verankert, aber nicht im Sinne des Manchesterliberalismus des 19. Jahrhunderts (Catch-as-Catch-can Liberalismus), sondern eingebunden in die soziale Verantwortung. Art. 14 garantiert zwar die Eigentums- und Erbfreiheit, schreibt im 2. Absatz aber auch fest: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."
Mit anderen Worten: Gewinn ist gut, aber nicht zu Lasten des Menschen. Nicht zu Lasten der Schwachen und nicht zu Lasten der Gemeinschaft oder des Staates. Wie gesagt: im Grundgesetz steht sogar, es solle: „dem Wohle" (!!) der Allgemeinheit dienen.

In der Wirtschafts- und Politikpraxis ist davon nicht viel übrig geblieben. Spitzenmanager lasssen sich hohe Abfindungen garantieren, egal ob sie ihr Unternehmen zu Gewinn oder in die Pleite geführt haben. Die Folgen tragen die Arbeitnehmer, die Zulieferer und die Steuerzahler. Merke: heutzutage werden Gewinne dem eigenen Portemonnaie gutgeschrieben, die Verluste sozialisiert. Müller-Milch verlegt seinen Hauptsitz ins steuerfreundlichere Ausland und schädigt damit nicht nur den Staat, sondern – Achtung: unlauterer Wettbewerb ! – auch seine Mitkonkurrenten, die im Lande bleiben und redlich hier ihre höheren Steuern zahlen.

Man könnte Beispiele ohne Ende nennen. Die Frage ist: wie ist diese Entwicklung zustande gekommen und wie kann ihr begegnet werden. Es ist natürlich unmöglich, an dieser Stelle alle Punkte aufzuzählen. Ich möchte hier nur einen erwähnen, die in der allgemeinen Diskussion nicht ganz so sehr im Vordergrund stehen.

Ich weiß nicht, wer die Theorie vom „Egoismus der Gene" erfunden hat. Das Schlimme ist, daß die Öffentlichkeit vergessen zu haben scheint, daß es sich um eine wissenschaftliche Theorie, nicht um die Wirklichkeit handelt. Die These vom Egoismus wird heutzutage so selbstverständlich überall zitiert und angewendet als wäre sie ein unabänderliches Naturgesetz wie die Drehung der Erde um die Sonne. 
In Natursendungen des Fernsehens lernt schon jedes Kind, daß Löwenmännchen die Jungen eines eroberten Rudels töten, „um die Weibchen wieder empfängnisbereit zu machen und ihre Gene weiterzuvererben." Hat irgend jemand schon einmal die Löwen und die Gene zu diesem Thema befragt? Aber was der Zuschauer, was jedes Kind lernt, ist, daß die Natur den Egoisten fördert und belohnt. 
Als ob die Natur nicht ebenso unzählige Beispiele aufweist, in denen Tiere sich fremder Junge, sogar artfremder – annehmen. Die Hündin, die Kätzchen und Löwen säugt und bemuttert, Vogelmännchen, die sich rührend um die Brut aus „fremdem" Samen kümmern. 
Aber diese Beispiele passen nicht mehr ins gängige Raster und werden nur als Kuriosa erwähnt. Der Egoismus scheint das Natürliche zu sein. Und wir lernen: wir müssen alle Winner sein. Der Starke, die tuffe Frau setzen sich durch – der Rest sind Versager oder Hilfstruppen, über die die Überlegenen bestimmen können. Hört sich irgendwie faschistoid an, die Nazis hätten ihre Freude dran. Sollte jemand glauben, die Tendenz gehe zum „Übermenschen" in Nietzsche'schen Sinne, der sei belehrt, daß Nietzsche unter dem Übermenschen den verstand, der sich selber bezwingen konnte – nicht andere. 

Wir brauchen eine Besinnung auf das Miteinander und nicht Gegeneinander, auf das Erkennen des anderen als ein „Ich noch einmal" (Schopenhauers Philosophie des Mitleids oder moderner der Empathie sei hier genannt). Und das gilt nicht nur für den Mitmenschen, sondern auch für Tiere, die Pflanzen und die ganze Erde. Wir sind alle aus demselben Stoff – nur anders ausgeformt. Darum gibt es keinen Grund, irgendein Wesen zum eigenen Vorteil auszubeuten.

Ich habe vor bald 30 Jahren zwei Jahre lang in Ägypten gelebt. Ein Land der sogenannten dritten Welt. Ich habe die Ägypter als intelligent und humorvoll kennengelernt. Aber das Land stagnierte damals und stagniert noch immer, weil eine reiche Oberschicht – im Volksmund „die fetten Katzen" – ihren Reichtum nicht im Land investiert, sondern vor allem zum eigenen Wohlbefinden genießt. 

Wer diese Kluft zwischen der kleinen reichen Oberschicht und der großen Masse der Armen und Ungebildeten in täglichen Leben einmal erlebt hat, erkennt die ersten Anzeichen einer solchen Entwicklung vielleicht leichter wieder, wenn sie sich woanders ausbreiten. Die Seuche des hemmungslosen Egoismus ist das Schlimmste, was einem Gemeinwesen passieren kann. Sehr lesenswert dazu die „Ungehaltene Rede" Ludwig Poullains über Ethik und Moral in der heutigen Bankenwelt (FAZ v. 16.7.04 - Archiv)

Firmen wie Müller-Milch, die hierzulande Geschäfte machen, aber keine Steuern zahlen wollen, sollten boykottiert werden. Ebenso Firmen wie Vodafone, Daimler, Deutsche  Bank deren Manager (Schrempp, Ackermann!), nur die eigene Bereicherung oder Machtfülle im Auge haben. 

 

15.07.2004
Ein Buch auf der Autobahn
Seit Anfang der Woche liegt auf der Ausfahrt der A66 ein Buch am Fahrbahnrand. Es hat keinen Deckel mehr, die Seiten sind verdreht aufgeschlagen. Ein Buch, aus dem Fenster geworfen wie eine leere Bierflasche. Hat sich der Leser über das Buch geärgert oder eine Leserin gelangweilt? Ein Streit zwischen Kindern um das Buch, bis sie es sich an die Köpfe warfen und versehentlich zum Fenster hinaus? Bis jetzt hat es niemand aufgelesen. In der Kurve kann man schlecht halten. Und ich bin morgens immer in Fahrt, daß ich noch einigermaßen pünktlich ins Büro komme. Aber diese himmelwärts blickenden Buchseiten,  der Sonne und dem Regen preisgegeben, wecken jeden Morgen neue Fragen, bis die Autos und die Ampel vorne die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. 
Finde ich  morgen das Buch wieder an seinem Platz? 
 
10.07.2004
"Kein Geld für Nichtstun" - Agenda 2010, Toll Collect und die tollen nichtsnutzigen Regierungstage. Teil 2: Und was tut die Opposition?
Und Frau Merkel blicket stumm auf dem ganzen Tisch herum
9.07.2004
"Kein Geld für Nichtstun" - Agenda 2010, Toll Collect und die tollen nichtsnutzigen Regierungstage
Wer gesund und bei Kräften ist, soll "Kein Geld für Nichtstun" imehr bekommen. Das ist das Motto der Agenda 2010. Wie schön!!
Dann können wir endlich die Gehälter dieser Regierung einsparen, die sich durch geschäftiges Nichtstun auszeichnet. Stichwort Toll Collect. 
Wenn man daran denkt, wie viele Millioneneinnahmen Stolpe, Eichel  und Schröder täglich durch die Lappen gehen lassen, dann kann man schon das große Heulen bekommen angesichts der "Sparmaßnahmen" im Kulturbereich (Orchester-, Opern- und Ballettschließungen), angesichts nicht erneuerter Straßenbeläge in Städten und auf Autobahnen, angesichts der Abzockerei der vielen Kleinen mit Praxisgebühr, Zuzahlungen zu Medikamenten usw.
Aber es ist ja auch viel leichter, bei Abstimmungen im Bundestag den Arm zu heben, als Großkapitalisten und Spitzenmanagern die Zähne zu zeigen. 
Dabei würden doch Schweizer Bäpperles reichen! Aber nicht einmal dazu ist diese tolle, nichtsnutzige Regierung imstande.
 
 
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