23.10.2004
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Wahlen
in den USA
Zum
Glück für Bush hatte der Terroranschlag vom 11.9. die Aufmerksamkeit
der Öffentlichkeit von den Merkwürdigkeiten und Irregularitäten
seiner Präsidentenwahl abgelenkt.
Sein
Bruder Jeb Bush, der Gouverneur von Florida, hatte weitsichtig in seinem
Staat, der alles entschied, Wähler aus den Wählerverzeichnissen
gestrichen, wenn zu vermuten war, daß sie demokratisch wählen
würden, vor allem Farbige und Vorbestrafte. Nach der Wahl wurde die
Nachzählung mit allen Mitteln verzögert bis verhindert.
Alles
schlimm genug. Aber was mir völlig ratselhaft ist: Wieso ist Jeb Bush
immer noch Gouverneur? Wieso kann er in diesem Jahr wieder die Wählerlisten
und die Wahlcomputer präparieren? Wo blieb der Sturm der Öffentlichkeit
gegen die Wahlfälschung, wo blieben die Klagen und Gerichte?
Wenn
Wahlen nur noch per Knopfdruck in den Computer möglich sind, ohne
einen Nachweis in Papierform, so ist nichts mehr nachprüfbar.
Es
sieht so aus, als begänne eine neue Epoche, die den vergangenen Zeiten
des Analphabetismus vergleichbar ist. Fürsten, Könige, Kleriker
und Schreibkundige beherrschten die Welt. Und sie beherrschten den Inhalt
der schriftlichen Dokumente und Urkunden. Und sie fälschten, was das
Zeug hielt. Wer von den einfachen Bauern, Händlern, Handwerkern konnte
es ihnen schon nachweisen?
Heute
kann die Mehrzahl der Menschen zwar lesen und schreiben – aber wie viele
können programmieren oder haben Zugriff bzw. die Berechtigung auf
die entscheidenden Datenbanken?
Einige
wenige Programmierer, Hersteller, Wahlleiter und ihre politischen Vorgesetzten,
die Gouverneure der Staaten können jede Eingabe zunichte machen oder
sie in ihrem Sinne abändern, und niemand kann es mehr nachprüfen
und den Betrug beweisen. Schöne demokratische Aussichten für
die USA und damit für uns alle.
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13.10.2004
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Nach
der Frankfurter Buchmesse 2004
Selten
habe ich die Buchmesse aus einem so verzerrten Blickwinkel erlebt. Wie
ein Bühnenarbeiter hinter den Kulissen, der nicht mitbekommt, was
sich vorne auf der Bühne abspielt. Arabien als Ehrengast der diesjährigen
Buchmesse. Arabische Autoren und Verleger zu Gast, viele Lesungen, Tanz-
und Musikaufführungen, ein Zelt mit arabischem Kunsthandwerk – alles
worauf sich das Interesse der Besucher, Journalisten und Kritiker richtete
– alles sichtbar, greifbar vor mir in nächster Nähe und so fern
wie der Polarstern.
Eine
Ein-Frau-Verlegerin bleibt an ihrem Stand, spricht mit Besuchern, Flaneuren,
Lesern, Journalisten, die vorbeikommen, spricht von ihren Büchern,
ihren Autoren, den neuen Titeln – darunter Hans Bethges Nachdichtungen
arabischer Lyrik: "Arabische Nächte"! - Seit 2001 für diesen
Termin vorgesehen - nun durch einen glücklichen Zu-Fall passend zum
diesjährigen Messeschwerpunkt erschienen.
Aber
Zeit zum Kontakt mit den arabischen Autoren hat man als Verlegerin nicht.
Sie bereitet selbst noch zwei Lesungen aus Bethges "Arabischen Nächten"
vor, liest am Donnerstag und Freitag. Am Samstag noch an gleicher Stelle
in der Matthäuskirche genießt sie als Hörerin das Lesekonzert
mit Claudia Ott und ihrer zauberhaften Neuübersetzung der 1001 Nacht.
Damit sind die Tage und Abende gelaufen. Dann eine böse Erkältung.
Samstag und Sonntag werden zum Stehmarathon.
Anstelle
neuer arabischer Literatur erlebt die Ausstellerin Arabien aus dem Blickwinkel
von Sicherheitsbeamten und –organisatoren. Schon beim Aufbau ließ
die Polizei das verdächtige gelbe Auto (Ex-Post) anhalten – Beamte
warfen sorgsame Blicke in das vollgestopfte Innere mit Bücherkartons,
Werkzeugen, Essensvorräten, Tisch, Leiter. Vermutlich schreckten die
Beamten ebenso vor dem Gedanken zurück, alles auspacken und sichten
zu müssen. Sie ließen passieren.
Die
besonderen Sicherheitsvorkehrungen gegen Terroristen bescherten wunderbaren
Terror gegen Aussteller und Gäste der Eröffnungsveranstaltung:
Auf
der Eröffnungsveranstaltung sollten Bundeskanzler Schröder, Ministerpräsident
Koch und Frankfurts Oberbürgermeisterin Roth „Grußworte“ (sprich
ausgewachsene Reden) zum Besten geben – und die Festrede Nagib Mahfus,
der leider nicht selbst kommen und einen Freund zum Verlesen seiner Reden
schickte. Die Einladungskarte sollte nur gültig in Verbindung mit
dem Personalausweis bzw. einer Identity Card haben. SICHERHEIT; SICHERHEIT;
SICHERHEIT!!!
Vor
der Veranstaltung brachte ich noch ein paar letzte Utensilien zu meinem
Stand, dann holte ich den Personalausweis heraus und stellte mit Entsetzen
fest, daß ich meine Einladungskarte zuhause gelassen hatte und dafür
einen ähnlichen Ausweis für eine Übersetzerveranstaltung
eingesteckt hatte. Nun, vielleicht ließen die Sicherheitsleute mit
sich reden. Ich konnte meine Ausstellereigenschaft schließlich auch
anders nachweisen. Vor dem Congresscenter und im Vorraum drängten
sich bereits die Leute. Es war heiß und stickig. Oben auf das Glasdach
brannte die Sonne und machte das Gebäude zum tropischen Gewächshaus.
Draußen waren sowieso schon 26° - Hochsommer im Oktober. Im Tropenhaus
ging es kaum weiter. Dann wurden die Türen zum Vorsaal im Erdgeschoß
geschlossen. Aus Sicherheitsgründen hieß es.
Ein
bißchen Bewegung gab es in Richtung Rolltreppe nach oben. Zentimeterweise
schoben wir uns nach hinauf – eine gute halbe Stunde lang. Der Schweiß
rann munter in Strömen den Rücken herunter. Irgendwann kamen
ein paar „VIPs“ und drängten sich durch die Menschenmassen, dann Kameraleute
mit ihren schweren Stativen. Ein Mitglied des Bundestages hielt sich auch
für einen VIP und drängte sich ebenfalls vor. Nach endlosen 35-40
Minuten wurden plötzlich die Saaltüren oben geöffnet, die
Menschenschlange setzte sich in Bewegung. Ich hielt meine sämtlichen
Ausweise krampfhaft in der Hand, hoffte auf barmherzige Kontrolleure. Aber
siehe da: Die Türen standen offen – es gab überhaupt keine Kontrolleure.
Wir passierten alle ohne jegliche Kontrolle. Ohne Einladungskarten vorzuzeigen,
ohne Personalausweise und Identity Cards!
Ein
weiteres Beispiel dieser neudeutschen Sicherheit gab es am nächsten
Tag. Statt den üblichen Ausgang am Congresscenter benutzen zu können,
wurden am Abend alle Messebesucher und Aussteller in Richtung Messeturm
geschickt – wie eine Hammelherde immer schön am Zaun entlang, der
sich vorm Messeplatz erstreckt. An jedem geschlossenen Ausgang standen
Polizisten, um bombenwütige Aussteller und Besucher abzufangen. Wir
wollten ja nicht in die Messe, sondern in die Stadt hinein und ihre Bewohner
größter Gefahr aussetzen! Am Messeturm ein paar hundert Meter
weiter schließlich öffnete sich ein Tor sperrangelweit – dort
standen keine Polizisten, keine Kontrolleure. Wir müdgelaufenen und
müdegestandenen Aussteller und Besucher strömten nach draußen.
Ein böswilliger Terrorist hätte dafür ungesehen und ungehindert
aufs Messegelände schlüpfen können. Noch dazu in der Nähe
des Messeturms, wo sich Sprengladungen richtig lohnen: dann krachen diese
Riesentürme so schön zusammen.
Am
nächsten Tag stand in der Zeitung, daß die Polizei verborgene
Kontrollen und Metalldetektoren einrichtete, um Bomben und Sprengmaterial
zu aufzuspüren. Nur hatte in allen Zeitung ebenso gelesen, daß
Terroristen Plastiksprengstoff vorziehen, weil Metalldetektoren ihn nicht
entdecken können.
Soviel
zum Backstageblick und dem, was Sicherheitsspezialisten unter Sicherheit
verstehen.
Ansonsten
war es eine schöne, runde und sehr erfreuliche Messe. Viele Besucher,
Gespräche, Kontakte, Interviews mit dem Hessischen Rundfunk und der
FAZ,
gleich im Anschluß eine überraschende
Rezension der Hafisbände.
Was
will Frau und Verlegerin mehr?? (Nur die Lesungen und Diskussionen
der Ehrengäste nicht mehr versäumen!)
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