WEB-Tagebuch Regina Berlinghof |
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September 2005 | ||
| Öffentlicher Nahverkehr und Umweltbewußtsein Eine defekte Lichtmaschine im Auto läßt mich wieder mit den Segnungen des öffentlichen Nahverkehrs in Berührung kommen. Wirklich ein großes Plus: In der U-Bahn kann man lesen - vorausgesetzt man ergattert einen Sitzplatz. Vor allem aber verführt die Bahn zum Warten in vollgestopften Zügen und zu stehenden oder abgeschalteten Rolltreppen. Besonders erfreulich, wenn man gut bepackt ist und der Weg nach oben führt. Morgen soll mein Auto fertig werden. Es bedeutet, eine halbe Stunde später aus dem Haus müssen und mindestens eine halbe Stunde früher nach Hause kommen. Ich muß gestehen, daß mein Umweltbewußtsein im Berufsverkehr nur mäßig pocht. | |
| Self-fulfilling prophecy - Nach der Bundestagswahl Als Gerhard Schröder nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen feststellte, daß seine Regierung nicht mehr das notwendige Vertrauen genieße und er deshalb die Vertrauensfrage stellen und Neuwahlen ausschreiben müsse, hatte er im Bundestag eine satte Regierungsmehrheit. Die SPD war die stärkste Partei im Parlament. Nun hat er den Salat: Die Geister, die er rief, die wird er nun nicht los. Die Mehrheit verloren, nur noch zweitstärkste Partei. Die Wähler haben die Vertrauensfrage beantwortet. | |
| Katrina, USA und Dritte Welt Ich hatte Hemmungen, mich zu dem Desaster in New Orleans zu äußern. Aus der Ferne sehen Rettungsmaßnahmen immer leichter und einfacher aus als vor Ort. Aber zwei Punkte beschäftigen mich immer noch:
In New Orleans sah man gebrochene Dämme und überlaufende Wassermassen, aber nirgendwo Menschen, die dagegen anzukämpfen versuchten.
Man sollte nicht glauben, daß die Grenzen zwischen Erster und Dritter Welt entlang der Nationalstaatsgrenzen verlaufen. Man sollte auch nicht glauben, daß es in den Ländern der Dritten Welt nur Arme gäbe. Im Gegenteil. Dort gibt es reiche Leute – wirklich Reiche, die in palastartigen Villen leben können, die mit bester Ausbildung an den westlichen Universitäten groß geworden sind und die sich in New York, London und Paris so zuhause fühlen wie in ihrem Heimatland. Was die Dritte Welt von der Ersten Welt unterscheidet, ist die Zweiteilung der Bevölkerung in eine kleine Gruppe der Superreichen („die fetten Katzen, die die Sahne wegschlecken“, wie man in Ägypten sagt) und die große Mehrheit der Armen und wenig Gebildeten. Die Kluft zwischen beiden Bevölkerungsgruppen ist nicht nur materiell, sondern auch kulturell, ideell. Die Reichen mit ihrem westlichen Lebensstil verstehen sich besser mit den Reichen der übrigen Welt als mit den Armen ihres eigenen Landes. Und umgekehrt gilt: Die Armen aller Länder verstehen sich untereinander besser als mit den Reichen ihres eigenen Landes. Für die Reichen sind ihre armen Landsleute rückständig, abergläubisch, nicht intelligent genug. Es mangelt ihnen an Ausdrucksweise und Benimm. Man verkehrt nicht mit ihnen. Im Grunde ist eine Haltung wie die der Adligen in früheren Zeiten: die Armen sind nicht nur arm, sie sind Menschen zweiter Klasse. Man fühlt sich für sie nicht verantwortlich. Nicht für ihr materielles Wohlergehen, nicht für ihre Gesundheit, nicht für ihre Bildung. Es ist diese Gleichgültigkeit der Oberschicht gegenüber dem Schicksal der Armen und Schwachen, die die DrittWeltLänder kennzeichnet. Genau diese Abgrenzung und Gleichgültigkeit der Reichen gegenüber den Armen macht sich auch in den USA und im Gefolge davon auch in Europa breit. Die Zustände in New Orleans machen nur deutlich, was sich schon lange abzeichnete: Die Senkung der Steuern ausgerechnet zugunsten der Einkommenssteuerstarken und zulasten des staatlichen Sozialausgleichs. Die Abschottung der Reichen in ihren Superghettos, die sie von privaten Sicherheitsleuten bewachen lassen. Die Abschottung ihrer Kinder von denen der „anderen“ durch Privatschulen und Privatuniversitäten, so daß sie die Armen später nur als untergebene Angestellte oder als Dienstboten und Hauspersonal kennenlernen, doch niemals von gleich zu gleich. George W. Bush ist ein typisches Beispiel dieser reich geborenen Kinder – immer behütet und beschützt von Mummy und Daddy, bis hin zum „Ersatzdienst“ in der National Guard als flotter Pilot anstelle vom Dienst in Vietnam. Später behütet und beschützt von Mummies und Daddies reichen Freunden, wenn er ein Unternehmen wieder mal vermurkst und in den Sand gesetzt hatte. Schon am 11. September 2001 war er erst zur Stelle, als alles sicher war und er sich im Licht der Scheinwerfer der Medien sonnen konnte, sein Arm demonstrativ um die Schulter eines Feuerwehrmannes gelegt. Die Dritte Welt ist in den Vereinigten Staaten schon längst eingezogen. Nicht nur in New Orleans, nicht nur in den Armenvierteln der Schwarzen. Sie sitzt in den Köpfen der Reichen und Privilegierten und all derer, denen es nur um ihr eigenes Fortkommen und ihren eigenen Reichtum geht. Sie sitzt in den Köpfen all derer, denen das Gemeinwohl ihres Staates und ihrer Mitbürger völlig gleichgültig ist. | |
Übersicht / Table |