WEB-Tagebuch Regina Berlinghof |
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September 2009 | ||
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Ehrengäste und Zensur auf der
Frankfurter Buchmesse Der Eklat vor der Frankfurter Buchmesse hat eines klargemacht: Es ist falsch, Regierungsvertreter einzuladen, wo es um Literatur und Kunst geht. Schriftsteller und ihre Übersetzer gehören auf Podiumsdiskussionen, durchaus aus Kulturwissenschaftler der jeweiligen Region - aber Regierungsvertreter? Die Buchmesse ist keine Veranstaltung der Bundesregierung sondern des Börsenvereins des deutschen Buchhandels - also der Buchhändler und Verleger in Deutschland. Was haben Buchhändler und Verleger mit offiziellen Regierungsbehörden zu tun, gegen die man sonst ankämpft, weil sie in ihrem Land die Menschenrechte unterdrücken, insbesondere die Presse- und Meinungsfreiheit? Lädt man etwa zu den Filmfestspielen in Cannes, Venedig oder Berlin Regierungsdelegationen ein? Hätten wir je auf solche Weise Filme in ihrem Land verbotene Filme wie "Das rote Kornfeld" von Zhang Yimou oder Satrapis "Persepolis" sehen können? Ich bin Verlegerin von vier Titeln der klassischen chinesischen Literatur (www.yinyang-verlag.de). Ich habe bewußt auf jeden Kontakt zu chinesischen Behörden verzichtet - anders als vor drei Jahren, als Indien Gastland war und ich Übersetzungshilfe für die beiden indischen Dichtermystiker Mirabai und Kabir beantragt und erhalten habe (dem National Booktrust of India nochmals herzlichen Dank!) Ich wünsche mir bald die persische Literatur zu Gast auf der Frankfurter Buchmesse. Ohne Ahmadineshad & Co und ohne Regierungsmullahs. |
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Wer repräsentiert, wer spricht
für das chinesische Volk? "Wir sind nicht gekommen, um uns in Demokratieunterricht belehren zu lassen, diese Zeiten sind vorbei", begründete Mei Zhaorong, der ehemalige chinesische Botschafter, den vorübergehenden Auszug der offiziellen chinesischen Delegation aus dem Symposion, als die Dissidenten Dai Quing und Bei Ling sich zu Wort meldeten. „Diese Dame und dieser Herr können sich nicht anmaßen für 1,3 Milliarden Chinesen zu sprechen!“ Eine solche Sprecherrolle maßt sich Bei Ling aber gar nicht an: "Die Stimme eines Schriftstellers kann immer nur für ihn selbst sprechen und nicht für irgendjemand anderen." (so ein Zitat aus der FAZ). Es sind die chinesische Regierung und ihre nachgeordneten Vertreter, die für sich in Anspruch nehmen, für das chinesische Volk zu sprechen. Und mit welcher Berechtigung tun sie das? Jedenfalls nicht auf Grund von echten Wahlen zum Parlament. Die Bevölkerung wird nur bei den Wahlen auf Kreis- und Gemeindeebene befragt. Dann steigen Delegierte von dieser Ebene zur nächst höheren auf. Und wer nicht die Linie der KP vertritt, hat keine Chance. Die Mitglieder des Zentralkomitees der KP haben die Macht - nicht weil sie gewählt worden sind, sondern weil sie Polizei und Militär auf ihrer Seite haben - und wiederum deren Führer bestimmen. Wie kann also eine solche Regierung, wie können Regierungsvertreter behaupten, sie sprächen für das chinesische Volk, wenn das Volk nie dazu gefragt wurde? Auf der Webseite zur politischen Verfassung Chinas finden sich folgende Zeilen, mit denen ein längerer Artikel zu dem Thema eingeleitet wird: (http://www.chinafokus.de/nmun/1.php) "Bei der Darstellung des
politischen Systems der VR China muss zunächst darauf hingewiesen
werden, dass Aufbau und Kompetenzen der Organe von Partei und Staat
nicht die tatsächlichen politischen Verhältnisse und
Machtverteilung wiederspiegeln. Formal das oberste Entscheidungsorgan
ist der Nationale Volkskongress, der jedoch höchstens einmal
jährlich tagt und sonst von dem "Ständigen Ausschuss" des NVK
vertreten wird, der allerdings auch nur alle zwei Monate zu Sitzungen
zusammentrifft. Die Exekutive bildet der Staatsrat, der vom
Ministerpräsidenten geleitet wird und den Ministerien und
Kommissionen voransteht. Auch hier gibt es eine engere Führung,
den "Ständigen Rat", bestehend aus dem Ministerpräsidenten,
seinen vier Stellvertretern, dem Generalsekretär und den fünf
Staatskommissaren. Diese Strukturen finden auf Provinz-, Bezirks- und
Kommunalebene ihre Entsprechung. Die Organe der Partei mit analogem
bzw. vergleichbarem Aufbau und ähnlichen Kompetenzen wären
der Parteitag der KPCh, das Zentralkomitee der Partei als Exekutive und
das Politbüro des ZK als engere Führung. Das eigentliche
Machtzentrum bildet der "Ständige Ausschuss des Politbüros
der KPCh", dessen Mitglieder die wichtigsten Ämter in Partei und
Staat besetzen. Eine Trennung von Partei und Staat existiert nur in der
Theorie. Das in der Verfassung verankerte Prinzip der
Führungsrolle der Partei macht sie und ihren engsten
Führungskreis zum eigentlichen Macht- und
Entscheidungsträger. Eine dritter Machtfaktor im politischen
System, sowohl mit Staat und Partei eng verwoben, sind die
Streitkräfte. Am Beispiel von Mao Zedong, Deng Xiaoping und Jiang
Zemin lässt sich zeigen, wie sehr das Funktionieren des Systems
von der persönlichen Autorität der Entscheidungsträger
und ihrer Hausmacht in Partei und Armee abhängt. Eine
untergeordnete Rolle spielt dabei, welches offizielle Amt der
Entscheidungsträger innehat. Diese institutionelle Dynamik ist
Folge und Ausdruck eines politischen Systems, dessen Verfassung und
Parteistatut Institutionen und Ämtern ihre Kompetenzen nur formal
zuweisen, die Führungsgewichte in diesen Institutionen letztlich
aber von der Autorität der Akteure selbst bestimmt wird."
und Wikipedia zur Wahl der Volksvertreter:In der Regel besteht der
Nationale Volkskongress aus rund 3.000 Mitgliedern und ist damit das
größte Parlament der Welt. Die Mitglieder werden für
fünf Jahre von den Volkskongressen auf Provinzebene bestimmt. Die
Mitglieder der Volkskongresse auf Provinzebene werden durch die
Volkskongresse der nächsten unteren Ebene bestimmt. Lediglich die Mitglieder der Volkskongresse
der Kreis- und Gemeindeebene werden direkt von der chinesischen
Bevölkerung gewählt.[2] In der Regel findet nur einmal
im Jahr eine Plenartagung des Legislativorgans statt. Der Ständige
Ausschuss des Nationalen Volkskongresses trifft sich sechsmal im Jahr.
Er besteht aus einem Vorsitzenden, einem Stellvertreter und ca. 130
Vollzeit-Abgeordneten. Eine seiner wichtigsten Aufgaben ist sein
ausschließliches Vorschlagsrecht für Regierungsämter.
Die wichtigsten Entscheidungen werden jedoch in informellen Runden getroffen. Das Politbüro (14-24 Mitglieder) und das Zentralkomitee (ca. 200 Mitglieder) gelten als die zentralen Entscheidungsgremien der Parteidiktatur. Die Parlamente der verschiedenen Ebenen haben für die Entscheidungsfindung keine Bedeutung und sind lediglich Instrumente im Machtapparat der Kommunistischen Partei Chinas. |
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Buchmesse lädt Autoren aus -
Chinesische Zensur und deutsches Kuschen! Ach, diese entsetzlichen Funktionäre! Die einen üben Zensur aus, die anderen kuschen vor deren Staatsgewalt. Zwei chinesische Autoren haben sich der eigenen Regierung als unliebsame Kritiker erwiesen und sollen daher nicht im eigenen Land und erst recht nicht auf der Frankfurter Buchmesse zu Gehör kommen. Die chinesischen Zensurkulturbeamten verweigern die Teilnahme am gemeinsamen Symposion von deutschen und chinesischen Autoren, falls diese zwei teilnehmen. Und was tun die deutschen Gastgeber? Sie, die sonst immer und überall (??) für freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit eintreten, kuschen und laden ihre Gäste wieder aus. Der PEN als Mitveranstalter sollte Rückgrat zeigen und dieses Treffen boykottieren - und die Besucher zuhause bleiben! Das ist für mich die einzige Antwort auf staatliche Drohungen und Zensur. Sprach nicht unser aller Adorno vom deutschen autoritären Charakter? Auf der einen Seite den starken Mann markieren, wenn das Gegenüber schwächer ist, aber Unterwürfigkeit und Untertanengeist, wenn die andere Seite größeren Druck und Macht ausübt. |
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Übersicht / Table |