WEB-Tagebuch Regina Berlinghof |
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Februar 2011 | ||
11.02.2011 | 21:01 al-chamdu lillah - الحمد لله! Gottseidank! Der erste Schritt ist getan. Mubarak ist zurückgetreten. 11:52 Revolution in Ägypten und Tunesien - oder bleibt alles beim alten? Und selbst wenn Mubarak endlich zurücktritt - ist damit schon die Demokratie für Ägypten garantiert? Ben Ali ist in Tunesien zurückgetreten, aber die Demokratie dort ist noch lange nicht gesichert. Mubarak treibt ein Hinhaltespiel und wird dabei offensichtlich noch von der Armee und seinen Paladinen gestützt. Wer ist denn sein neu ernannter Vizepräsident, Omar Suleiman? Es ist der Chef des Geheimdienstes, zu dem die Amerikaner festgenommene "Terroristen" zum Verhör schickten, zu Verhören, die sie so brutal selbst nicht durchführen konnten. Seit wann sind Chefs von Geheimdiensten Garanten für Demokratie? Putin war ein hoher Funktionär des KGB. Sein Demokrativerständnis ist laut G. Schröder, ehemaliger Bundeskanzler, zwar lupenrein, doch seine Entscheidungen und Taten als Präsident und Regierungschef sprechen vom Gegenteil. Die innere Geheimpolizei ist in Ägypten allgegenwärtig. Das habe ich von 1975-1977 selbst in Kairo erlebt. Als Tourist bekommt man ja nichts mit, auch nicht viel, wenn man sich drei oder sechs Monate in Ägypten aufhält - allenfalls etwas von der überbordenden Bürokratie, wenn man seine Aufenthaltserlaubnis verlängern will. Die Mugamma, das große zentrale Verwaltungsgebäude am Tahrir-Platz ist ein Erlebnis der besonderen Art, wenn man durch Stockwerke und Gänge von einem Zimmer zum anderen geschickt wird. Aber erst nach einem Jahr in Kairo haben Freunde gewagt, offener mit mir zu reden. Der eine von seiner Mitgliedschaft in der Muslimbrüderschaft - er war in keiner Weise fundamentalistisch, hatte aber einige Zeit als Muslimbruder im Gefängnis verbracht -, der andere von den Schwierigkeiten einen Pass für eine einmalige (!) Ausreise zu bekommen. Es gab keine Zehnjahrespässe wie bei uns. Selbst Abiturzeugnisse und Abschlüsse an den Hochschulen wurden nicht ausgegeben, sondern zentral gelagert. Sie mußten bei Bedarf, wie einer Bewerbung für einen Job, als Kopie immer wieder neu beantragt werden - mit Bakschisch natürlich, und wer politisch unliebsam aufgefallen war, hatte große Schwierigkeiten. Als ich einmal ein Zoomobjektiv von einem Freund geliehen bekam, das auf meine Canon paßte und ich vom neunten Stock des Minihochhauses, in dem ich wohnte, Fotos von den Dächern Kairos schoß, klingelte es am nächsten Tag bei mir an der Tür. Ein Polizist, der sich als Geheimpolizist auswies (Dschundi sirriye), fragte nach meinem Fotoapparat und was ich da gemacht hätte. Ich lebte damals in der Sharia Champollion, nur zwei Querstraßen vom Tahrirplatz entfernt, wo in ein paar Tagen die Arabische Liga tagen sollte. Ich versuchte, ihm die Harmlosigkeit meines Fotoschießens zu erklären, und er zog ab. Aber mir war die Sache doch nicht geheuer, und ich fuhr anschließend zur deutschen Botschaft und meldete den Besuch der Geheimpolizei. Falls ich abgeholt würde, würde sich die Botschaft um mich kümmern können. Aber wer kümmerte sich um verhaftete Ägpyter? Sie waren ihrer Regierung hilflos ausgeliefert, den Bürokraten, dem Polizeiapparat. So hielten sie den Mund und öffneten sich Fremden nur langsam. Die Presse war regierungshörig und zu einer Hofberichtserstattung verkommen. "Präsident Sadat (der damalige Präsident) empfing oder besuchte den oder den..." So begannen jeden Tag die Hauptartikel auf der ersten Seite auf Al-Ahram, al-Achbar oder der Egyptian Gazette. Seitdem sind fast vierzig Jahre vergangen, und die "fetten Katzen", wie die Ägypter ihre korrupte Regierung und die reiche Oberschicht nennen, halten das Land noch immer im Griff. Ich hoffe von Herzen, daß der Wandel zur echten Demokratie für die Ägypter und Tunesier wirklich klappt. Das gilt auch für die Völker der anderen arabischen Länder, die autokratisch und per Geheimdienst regiert werden, wie Syrien, Lybien, Algerien usw. Vor allem gelten meine Hoffnungen und Wünsche auch für die Völker Irans und Chinas, deren Aufstände 1989 bzw. 2009 brutal niedergeschlagen wurden. |
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