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LESERBRIEFE AN DIE ZEIT
     
 
An
DIE ZEIT
Redaktion Leserbriefe

   28. Mai 1998

Zeitmagazin Nr. 22 vom 20.5.98 „Sammeln ist ein Trip“ Interview von Peter Sager

Sehr geehrte Damen und Herren,
die Sammelwut von Frau Baronin Lambert in allen Ehren. Ich frage mich nur, was sie mit ihrer Photosammlung eigentlich bezweckt: Kunst oder Schockieren? Angesichts der täglichen Gewaltszenen im Fernsehen sind die gefesselten Schönheiten von Araki doch wahrlich nicht mehr schockierend. Allerdings hat er auch Photos von Frauen ohne Fesselungsverrenkungen gemacht: wunderschön, ausdrucksstark und sehr erotisch. Leider wird über diese Photos oder seine Aufnahmen von Häusern und Straßen, die vor zwei Jahren unter anderem im Frankfurter Museum für Moderne Kunst zu sehen waren, sehr viel weniger geschrieben. 
Wird also Kunst heutzutage nur dadurch öffentlich zur Kunst erhoben, weil sie schockiert?
Seit den siebziger Jahren scheint es fast so auszusehen. Man könnte sagen: als pubertäre Reaktion auf die süßlich-rosafarbene Bonbonwelt der fünfziger Jahre. Ich warte nur noch auf die Photos von gefesselten Kindern und Babys (à la Babyficker - „mit denen kann man es ja machen“), damit das träge Publikum so recht aufgeschreckt und schockiert wird. „Photos sollen uns zwingen, über unsere Grenzen zu blicken.“ Merken Sie nicht, wie verräterisch der Satz ist? Welche oberlehrerhafte, um nicht zu sagen obrigkeitliche Anmaßung und Aggressivität dahinterstecken? Wieso soll ich als freier Mensch mich zu etwas zwingen lassen? Und über welche Grenzen soll ich gezwungenermaßen schauen? Vor allem, wenn dieser Zwang nur für die anderen gilt. Denn auf die Frage, ob sie sich selbst so nackt und gefesselt fotografieren lassen würde, hat die Sammlerin nur zur Antwort: „Es gibt Grenzen.“ Das wars ja wohl!

Mit freundlichen Grüßen
Regina Berlinghof
 


 
 
 
 
 
 
 
 


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