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LESERBRIEF AN DIE FAZ, abgedruckt am 18.2.2001 (leicht gekürzt)
 

11. Februar 2001 
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Redaktion Leserbriefe
 
 

Mensch und Tier - zum Leserbrief Bernhard Mihms in der Rhein-Main-Sonntagszeitung vom 11.2.01
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie gut, daß der Frankfurter  Stadtverordnetenvorsteher der CDU, Bernhard Mihm, die "christliche" Unterscheidung von Mensch und Tier so auf den Punkt gebracht hat.

Die Ehrfurcht vor dem Leben und allen Mitgeschöpfen ist also nichts als ein "tragischer Irrtum" Albert Schweitzers und ist unchristlich. Christlich hingegen ist das Menschenbild des Lubliner Professor Woytila, wonach der Mensch als einziges Geschöpf von Gott um seiner selbst willen geschaffen worden ist und geliebt wird.

Woher weiß Herr Mihm eigentlich, welcher dieser beiden aufgeführten Autoritäten Recht hat und welcher von ihnen einem tragischen Irrtum unterliegt? Oder sollte allein die Tatsache, daß Kardinal Woytila inzwischen Papst mit Unfehlbarkeitsanspruch geworden ist, den Ausschlag gegeben haben? 

Was sind also die Kriterien eines Christen wie Herrn Mihm? Nur blinder Gehorsam gegenüber dem Papst? Die Bibel etwa? Dort findet sich nichts von diesen theologischen Spitzfindigkeiten. Gott erschuf die Welt - und Gott sah, daß es gut war. Er schuf die Pflanzen und die Tiere - und Gott sah, daß es gut war. Gott erschuf den Menschen nach seinem Bilde (als ein schöpferisches Wesen!) - er schuf sie als Mann und Frau und segnete sie. Dann kommt's: in 1. Moses, Kap. 1, 28:
Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.
Das ist aber nicht christlich, sondern Altes Testament. Von Jesus aber wird berichtet, als er vierzigTage in der Wüste war: und ward versucht von dem Satan und war bei den Tieren und die Engel dienten ihm. (Markus 1, 13)
Jesus lebte also MIT den Tieren - nicht gegen sie. Mehr habe ich im Neuen Testament zum Status der Tiere nicht gefunden. Vermutlich gilt bei den meisten Christen und Papst Woytila darum immer noch das Herrschegebot aus der Schöpfungsgeschichte. Ist ja auch viel angenehmer und bequemer so. Und es schmeichelt dem Stolz, so daß sich der Mensch als "Krone der Schöpfung" fühlen darf.

So sage ich denn, daß ALLE Tiere (auch die Wirbellosen) und Pflanzen und Steine Mitgeschöpfe des Menschen sind und als Geschöpfe und Teilhaber des Göttlichen dieselbe Achtung und Ehrfurcht verdienen wie der Mensch. Jedes Lebewesen lebt um seiner selbst willen und nicht zum Nutzen und zur Willkür der Menschen. Wenn Menschen Tiere und Pflanzen essen, so ist das ein Übergriff, der durch nichts, aber auch nichts gerechtfertigt wird - wohl aber unter dem Gesichtspunkt des Notstands entschuldigt wird, wenn Recht steht gegen Recht steht: Zur Erhaltung seines Lebens darf der Mensch - wie alle anderen Mitgeschöpfe - andere Lebewesen töten und essen. Aber der Mensch sollte wissen, daß er tötet und kein Recht dazu hat. Die Indianer bitten daher den Geist des Tieres um Vergebung, bevor sie auf die Jagd gehen. Die Buddhisten (und Jainas - nachträgliche Ergänzung) essen darum kein Fleisch und tragen Mundschutz: nicht, um nicht selbst verunreinigt zu werden, sondern um nicht versehentlich kleine Insekten einzuatmen und zu töten!
Jede Tötung von Tieren, jede Freiheitsberaubung von Tieren ist ein Übergriff und nur darum gestattet, weil der eingeborene Selbsterhaltungstrieb uns entschuldigt. 

Und wenn Sie mich fragen, woher ich das weiß oder begründe, so sage ich dies mit derselben Autorität wie Jesus von Nazareth, als er die Ehebrecherin verteidigte oder den Sabbatbruch rechtfertigte: "Ich aber kenne ihn (=Gott )". (Joh. 8, 55).
Wenn die Achtung vor den Mitgeschöpfen nicht christlich zu nennen ist, so ist das Christentum von der lebendigen Wurzel zum Göttlichen abgeschnitten. Albert Schweitzer allerdings hatte noch die lebendige Verbindung. (Franz von Assisi auch  - nachträgliche Ergänzung)
 

Mit freundlichen Grüßen 
Regina Berlinghof

Die beiden Briefe als GIF-Dateien, die Erwiderung mit zwei weiteren Leserbriefen zu diesem Thema:
Bernhard Mihm am 11.2.2001
mein Leserbrief mit zwei weiteren vom 18.2.2001
 

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