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WEB-Tagebuch Regina Berlinghof



Juni 2006

26.06.2006
Ach, Bruno!
Nun ist er tot, verfolgt, erschossen, gemordet. Wegen der Angst des Menschen. Dabei hat er sie nicht angefallen oder gejagt. Ich glaube den amtlichen Versicherungen nicht, daß es angeblich nicht möglich war, den Bär lebend in eine sichere Gegend zu bringen. Witzigerweise waren Wanderer und Medien oft näher am Bären als seine geheuerten finnischen Verfolger. Zwei Stunden lang konnte man gestern abend noch Bruno aus nächster Nähe beobachten. Kein Jäger kam, kein Betäubungsgewehr. Am Morgen in der Frühe dann der Todesschuß. Ein Leben ausgelöscht, völlig sinnlos.
Ich habe Dokumentarfilme aus Amerika gesehen, in denen Bären mit Hubschraubern beobachtet, betäubt, vermessen und dann wieder in die Wildnis entlassen wurden. Warum hat man hier keine Hubschrauber eingesetzt?
In manchen Nationalparks im Westen (Yosemite z.B.) gibt es wild lebende Bären. Trotzdem läßt man die Touristen dort übernachten - sogar in Zelten! Man instruiert sie nur eindringlich, keine Lebensmittel im Zelt oder im Freien zu lassen.
In Österreich gibt es einen Plan, wie man mit eingewanderten Bären verfahren will. Hierzulande existiert nichts dergleichen. Auf den nächsten Bären wartet wieder nur der Todesschuß. Hat die bayerische Landesregierung noch nicht begriffen, daß wir das 19. Jahrhundert hinter uns gelassen haben?



20.06.2006
20 Jahre PC - mein PC Jubiläum - 2. Teil
Mein erstes Textprogramm vor 20 Jahren war Wordstar 3.4. Alle Befehle mußte man damals noch über Tastenkombinationen eingeben. Die Befehlscodes standen mitten im Text, wurden bloß beim Ausdrucken nicht wiedergegeben. Es war eine gute Vorbereitung für die Internetsprache html, die nach dem gleichen Prinzip funktioniert, wenn man sich den Quelltext ansieht.
Aber die Eingabe war leicht und elegant. Unten gab es eine Funktionsleiste. Die Funktionstasten konnte man sogar individuell anpassen, wie ich nach einem Monat Experimentieren herausfand.
Vor allem konnte man den Text auch über die Seitenumbrüche fortlaufend lesen. Das war keine Selbstverständlichkeit, wie ich später im Büro mit PCText3 von IBM herausfand. Ein schreckliches Textprogramm. Man sah immer nur die aktuelle Druckseite, keine Zeile davor oder danach. Mit F2 (soweit ich mich erinnere), mußte man die Seiten vor- und zurückblättern. Ich haßte es, für dieses Programm Schulungen und Einführungen zu geben. Ganz anders mit Lotus123, dem damaligen Tabellenkalkulationsprogramm, das von Windows-Excel später total an die Wand gedrückt wurde. Dann gab es Sidekick, ein speicherresidentes kleines Programm zu Editieren und Rechnen.
Eine Tochterfirma arbeitete schon mit WordPerfect, einem wunderbaren Textprogramm, das auch schon die Pfadverwaltung zu verschiedenen Ordnern und Laufwerken ermöglichte - und es gab eine Druckbildvorschau WYSYWIG! Auch dieses Programm hatte nach Windows-Word keine Chancen mehr. Zu viele Abstürze. Microsoft gab nicht alle Tricks seines Betriebssystems heraus und konnte mit seiner Markmacht alle guten DOS-Programme ausschalten. Das marktbeherrschende DBase wurde von Access geschlachtet. Später ging es Netscape ebenso durch den viel benutzerunfreundlicheren Internetbrowser von Microsoft. Die Kartellbehörden waren damals in Sachen Computer viel zu ahnungslos, um erkennen zu können, welche Marktmacht sich Microsoft mit seinem PC-Betriebssystem schuf. Bill Gates nahm zwei- bis dreimal soviel ein wie seine Konkurrenten, wenn sie nur eines ihrer Programme absetzten.
Auch Framework blieb auf der Strecke - das erste integrierte Officeprogramm noch auf DOS-Ebene. Es war schnell und vereinigte Text, Tabellenkalkulation und Datenbank in einem Programm. Gleiche Befehle aus Austauschbarken in und zwischen allen Programm-Modulen. Nur das Erlernen des Arbeitens mit den Fenstern machte anfangs vielen Benutzern Schwierigkeiten. Noch gab es keine Maus. Man schaltete zwischen F11 und F12 zwischen den verschiedenen Fenstern hin und her.

Jeder neue PC kostete etwa gleich viel wie der alte. Und das Starten brauchte genauso lange. Das gilt sogar bis heute. Nur daß mit jedem Mal mächtigere und umfangreichere Programme gestartet werden als vor 20 Jahren per Diskette. Aber ich sitze genauso daumendrehend vor dem Bildschirm und warte...


19.06.2006
20 Jahre PC - mein PC Jubiläum
Am 13. Juni waren es 20 Jahre - damals, an einem Freitag dem 13 Juni 1986, kaufte ich meinen ersten PC: einen Toshiba Laptop, ausgestattet mit einem 3,5"-Diskettenlaufwerk, 256 KB Hauptspeicher und einem Prozessor von 4,77 Hertz. Keine Festplatte! Es war ein Sonderangebot für "läppische" DM 4000. Der billigste Nadeldrucker kostete 800,-, und das Textprogramm Wordstar 3.4 rund 1500. Der Zehnerpack Disketten noch zusätzlich 180,-. Ohne die Erbschaft von meinen Eltern hätte ich mir diesen Luxus nie leisten können. Aber so erlag ich der Versuchung: Schreiben können im Freien, ohne die Nachbarn zu stören. Mit der Schreibmaschine fühlte ich mich im Sommer immer eingesperrt.
Nach einem 2-stündigen "Einführungskurs" beim  Verkäufer, einem Büroartikelgeschäft  (PC-Geschäfte wie Vobis oder Escom kamen erst später), zog ich mit dem neuen Spielzeug nach Hause. Im Freundes- und Bekanntenkreis hatte noch niemand einen PC. In der Bank, in der ich damals arbeitete, hatte nur die Sekretärin einen PC - einen IBM mit zwei 360-Floppy-Laufwerken. Die wenigsten konnten sich mit dem Gedanken anfreunden, selbst an einem solchen Gerät zu sitzen. Ein PC-Techniker, den ich nach seiner Meinung zu Laptops fragte, hielt sie für Totgeburten, nicht überlebensfähig.
Compaq hatte damals einen tragbaren (!) PC von den Ausmaßen und dem Gewicht einer Nähmaschine. Auf dunklem Plasma-Bildschirm rote Schriftzeichen. Ein Graus für die Augen. Mein Laptop hatte eine angenehme grüne Farbe. Allerdings war er immer auf helles Licht in der Umgebung angewiesen.
Die Computereinführung bestand in den Befehlen von Edlin, einem Zeileneditor von DOS (Version 2.1!). Danach saß ich an dem verlängerten Wochenende (mit 17. Juni!) über den DOS- und Wordstar-Handbüchern. Es hieß, ich sollte zur Sicherheit die Betriebs- und die Textprogrammdisketten kopieren. Man lege die Quelldiskette  in Laufwerk A:, dann die Zieldiskette in Laufwerk B: Ich fand aber nur ein Diskettenlaufwerk. Wo also war Laufwerk B?
Es dauerte Stunden, bis ich die Zieldiskette probeweise in dasselbe Laufwerk legte. So lernte ich den Unterschied zwischen sinpler Hardware und einem virtuellen Laufwerk. Im Handbuch gab es dazu keinerlei Erklärung. Ich war damals so erbost, daß ich einen Beschwerdebrief an Toshiba schrieb und irgendwann ein nutzloses Goody bekam.
Dann mußte ich begreifen, daß ich selbst nach dem Start von DOS nicht einfach mit Wordstar loslegen konnte - das Programm wollte vorher installiert werden!
Nach diesen Hürden war alles übrige einfach. Ich fand, daß die Computer- und Softwareindustrie an mir genug verdient hatte - den Rest wollte ich selbst machen. Um Berechnungen durchführen zu können, belegte ich einen Basic-Kurs an der Volkshochschule - leider mit einem völlig unmotivierten Lehrer (eine große Ausnahme im Vergleich zu späteren VHS-Leitern).
Aber nach einem halben Jahr fand ich sogar einen Halbtagsjob in einer anderen Bank im IT-Bereich (Anwenderservice). Und das Schreiben auf der Terrasse war wunderbar - und auch im Winter. Tippfehler konnten endlch mühelos ausgemerzt werden - ohne langwieriges Herumfummeln mit Tippex oder Korrekturband. Nach zwei Wochen war ich dem Gerät verfallen und wurde zum Prediger und Missionar der neuen Technik ... - nicht immer zur Freude meiner Freunde und Bekannten. Heute sitzen sie nichtsdestotrotz alle vor einem PC!
 
10.06.2006
Urlaub zuhause
Nach zwei Wochen deutsch-sibirischen Sommers mit Wollsocken, Wolldecke um die Beine, um wenigstens die Heizung nicht anstellen zu müssen, ist der Sommer endlich da. Nun, es gab genug zu tun, was sogar besser ohne Hitze vollbracht werden konnte, Besorgungen, Termine, Parsifal in der Frankfurter Oper im Dritten Rang (bei Hitze ist es dort fast unerträglich). Der neue Herbsttitel ("Kabir fand sich im Gesang" - Die Verse des indischen Dichters und Mystikers aus dem 15. Jahrhundert) ist in Vorbereitung, mein Erzählungsband "Wüste, Liebe und Computer" geht in die dritte Auflage, vorher also noch einmal Durchlesen. Dann habe ich das Buchformat verkleinert und ein neues Titelbild verwendet, d.h. auch den Umschlag komplett neu erstellt - usw.
Gestern nachmittag war ich zwischen zwei und drei in Frankfurt. Die Stadt brütete in der ungewohnten Hitze, im Westend gab es kaum Verkehr. Eine erwartungsvolle Stille schien sich über die Stadt gelegt zu haben. 18.00 begann das Auftaktspiel der Fußballweltmeisterschaft, Deutschland gegen Costa Rica. Im Copyshop lief der Fernseher mit den Vorberichten. Selbst als Nichtfußball-lnteressierte spürt man die aufgeladene Atmosphäre. Abends dann aus allen Fenstern das Echo nach den Toren. Und jetzt schon, nach dem ersten Spiel gibt es anschließend hupende Autokorsos. Diesmal wird von Anfang an auch Flagge gezeigt.
Heute am Sonntag, an dem Deutschland nicht spielt, blieb alles ruhig - jedenfalls hier in Kelkheim.

Noch was:
Heine und Handke. Gut, daß Handke den Preis nicht angenommen hat. Er wollte ja sowieso keine Preise mehr annehmen... Das hätte er gleich zu Anfang auch sagen können. Oder waren 50.000 Euro eine zu starke Verlockung? Ich gönne ihm jeden Preis, von mir aus einen Bert Brecht Preis - dann passen die Dichter - Dichterpreis und Geehrter - besser zusammen. Beide huldigten Diktatoren und Völkermördern, Stalin und Milosevic. Aber daß Handke nun mit dem Heine-Preis geehrt werden sollte, also mit dem Namen eines Dichters, der zeit seines Lebens gegen dumpfen Nationalismus und Volksverhetzung angeschrieben hat, das kommt einer Beleidigung und Verhöhnung Heinrich Heines gleich.
Über die Qualität von Handkes Werken möge die Nachwelt entscheiden. Botho Strauß' Argumentation zugunsten Handkes, daß man heute auch die Werke der Diktatorenverherrlicher Ezra Pound und Brecht lese und hochschätze, überzeugt mich nicht. Alle seine Beispieldichter sind tot. Als Lebende würden sie auch heute wohl kaum Preise erhalten.
Ich liebe die Opern Richard Wagners und schätze ihn als Komponist - aber darum den Menschen und Verfasser von  antisemitischen Schriften mit Preisen zu ehren (lebte er heute noch), käme für mich nie in Frage.
 



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