WEB-Tagebuch Regina Berlinghof |
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Mai 2008 |
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Pfingsten, heiliger Geist, Glaube und
eigene Erkenntnis Passend zu Pfingsten erreichte mich der Kommentar einer Christin zu meinem Offenen Brief: "Die rechte und die linke Hand Gottes - Israel, Palästina und das verheißene Land" mit der Frage, "wie ich zum Glauben gekommen" wäre. Hier meine gekürzte Anwort: Der Heilige Geist weht ja, wo er will und nicht nur da, wo die Priester und Prediger ihn für sich beanspruchen - er weht für Juden, Christen, Hindus, Muslimen, Buddhisten - für alle Menschen. Die Frage ist nur, ob sie wirklich offen dafür sind. Jesus, Buddha, Lao Tse und viele andere, nicht so berühmte Menschen, waren es. Die Jünger hatten Jesus als lebendiges Zeugnis für die Erleuchtung von Gottes Liebe. Aber er verwies sie auf den heiligen Geist, wenn er einmal nicht mehr da wäre. Es ist schön, wenn ein großer Meister zu Gottes Liebe führen kann. Aber es geht auch ohne Meister - denn der Hl. Geist ist für alle da. Das lehrte Jesus, und das ist auch meine Erfahrung. Denn der hl. Geist oder die Erleuchtungserfahrung führt einen nicht zum Glauben, sondern zu eigenen Erkenntnis. Woher hatte denn Jesus sein Wissen? Es gibt besonders begabte und begnadete Menschen in allen Bereichen: in der Kunst, in der Musik, auch in der Religion. Es ist nicht jeder ein Rembrandt, ein Mozart oder ein Jesus. Und doch hat jeder Mensch - mehr oder weniger - die Fähigkeit, Kunst und Musik als etwas Wirksames und Lebendiges zu erleben, ein Bild zu malen oder eine Melodie zu trällern. So ist es auch mit der religiösen Erfahrung. Leider haben die Buchreligionen das Gewicht ganz auf den Glauben verlegt und den Weg zur eigenen Erfahrung mehr versperrt als gefördert, oft sogar verketzert. Denn es sind die Mystiker aller Religionen, die immer wieder aus dem eigenen Kern und der eigenen Gotteserfahrung oder der Erfahrung des Göttlichen sprechen und schreiben und die darum oft genug verfolgt und getötet wurden. Jesus selbst ist nur ein Beispiel dafür. Giordano Bruno, Sokrates ebenso. Meister Eckehart wurde zum Ketzer erklärt. Heutzutage verfolgen die iranischen Mullahs die Sufis. Indische Mystiker wie Kabir und Mirabai wurden zu Lebzeiten verfolgt, heute werden sie zu Heiligen verklärt. Selbst Buddha sollte Ziel eines Mordanschlages werden. Liebe Frau XXX, Sie fragen mich, wie ich zum Glauben kam. Ich habe höchstens als Kleinkind eine Zeitlang "geglaubt" und als Teenager, Religion und Glauben hinter mir gelassen. Nicht nur die Kirche, sondern auch das Christentum. Warum soll ich an Himmel und Hölle, Ursünde u.ä. glauben, wenn es niemand beweisen kann? Trotzdem hatte ich immer das Gefühl und das Bewußtsein, in etwas Größeres, Ganzes eingebettet zu sein - vor allem in der Natur und ganz besonders in der nicht zivilisierten Natur: in der Bergwelt der Alpen, in der Wüste, nachts unter dem Sternenhimmel. Die eigene spirituelle Erfahrung kam mit Ende Zwanzig völlig überraschend und nicht gesucht. Es war die Erfahrung in der Liebe zu meinem Freund, die sich in einem Moment bis ins Kosmische öffnete und Raum und Zeit überstieg. Was ich damals erlebt und erkannt habe, fand ich den Schriften der Mystiker wieder. Und ich verstand vieles von der Bibel, das mir bis dahin gedanklich nicht nachvollziehbar war. Auch dieses ist alles nicht zu beweisen - aber es hat die eigene Erfahrung als Grundlage. So wie man auch nicht beweisen kann, warum man diesen Menschen liebt und jenen nicht. Es ist die innere Wahrheit. Für mich ist Jesus einer von vielen Erleuchteten - und darunter einer der ganz Großen. Aber bin ich nach meiner Erfahrung keine "Christin" mehr geworden. Das wäre zu eng. Warum soll ich der Bibel oder Theologen etwas "glauben" oder nachbeten, was ich aus eigener Erfahrung selbst weiß - und in einem viel weiteren und umfassenderen Sinn als die Bibel oder eine andere "Heilige Schrift" je zuließe? Ich habe meinen Roman "Mirjam. Maria Magdalena und Jesus" aus dieser Erfahrung heraus geschrieben: als Hinweis und Anregung, daß es nicht des Glaubens, sondern der eigenen religiösen Erfahrung bedarf. So wie Kant schrieb: "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen", so möchte ich darauf hinwirken, die eigene religiöse Erfahrung zu suchen. Und wenn man sich mit Glauben zufrieden gibt: dann nur mit dem besten und höchsten: daß wir aus Liebe geschaffen und geboren sind: wir Menschen und alles, was auf dieser Welt existiert. Vom Stein, über die Rose bis zur Fliege. Egal ob groß oder klein, "nützlich" oder "schädlich". Das sind nur menschliche Kategorien - nicht göttliche. Mein damaliger offener Brief mit der linken und rechten Hand Gottes war von mir durchaus etwas ironisch gemeint und im Stil der alten Propheten geschrieben - für Fundamentalisten jeglicher Couleur ist das ja wohl noch immer die einzige Sprache, die sie verstehen. Weder Vernunft noch Liebe scheinen zu ihnen durchzudringen. Es tut mir leid, wenn ich Sie damit enttäuscht habe. Mit herzliche Grüßen, Regina Berlinghof |
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