255 S., kt., 3. Auflage 2006, ISBN 3-9806799-0-X; erschienen im YinYang Media Verlag, Kelkheim. |
Inhaltsverzeichnis: Die Kette Kundry Das Kopftuch Lilli oder Das dritte Auge Bericht vom Planeten "Kleiner Bruder" Vojko Trutzkij Der See Troubadour Wüste96 |
"Daves Stimme dozierende Stimme drang durch seine
Angst: "Du
weißt
- wir haben den Durchbruch geschafft. Aber was die Feineinstellung der
Koordinaten betrifft, wußte Columbus wahrscheinlich mehr
über
die Position Amerikas bevor er losfuhr, als wir über deinen
exakten
Raumzeit-Landepunkt. Alles was wir tun können, ist, dich in die
Zukunft
zu katapultieren und dafür zu sorgen, daß du nicht in einem
Ozean landest - alles andere werden wir erst durch dich erfahren.
Solange
du in der Zukunft bist, gibt es keine Verbindung. Wir wissen nur,
daß
ein lebender Organismus den Zeitbruch übersteht. Sammy und Iris
konnten
uns schließlich nicht erzählen, was sie gesehen und erlebt
haben
- jedenfalls noch nicht. Wir wissen also nicht, an welchem Ort und und
zu welcher Zeit du genau landen wirst..." Nachdem sie ihre Liebe genossen hatte, verwandelten
sich ihre
Liebhaber
in Morgenröcke. Karlas Kollektion von Morgenröcken war
berühmt.
Einmal im Jahr, wenn sie eine Führung veranstaltete, durfte die
staunende
Öffentlichkeit einen Blick darauf werfen. Jedes Stück ein
kostbares
Unikat - man bewunderte sie und betrauerte die Männer, die
Körper,
Geist und Seele gelassen hatten, um von ihr in einen Morgenrock
verwandelt
zu werden. Aber es fehlte nicht an Nachschub. Er log. Aber sie brauchten ja nicht zu wissen, daß er oft Stunden hinter der Gardine verbrachte und sie beobachtete. Erst vor ein paar Wochen war ihm die junge Frau mit dem Kopftuch in der Wohnung gegenüber aufgefallen. Ein Kopftuch in der Wohnung! Wie im Harem! war es ihm durch den Kopf geschossen, und das Wort Harem war erregend durch seinen Körper geprickelt. Nicht daß die junge Frau, die ihr Haar unter dem Kopftuch verbarg, seine Neugier geweckt hätte. Das wäre unter seiner Würde. Aber wenn er zufällig am Fenster vorbeikam, warf er automatisch einen flüchtigen Blick zum Fenster gegenüber. In den darauffolgenden Tagen kam er sehr oft am Fenster vorbei. Irgendwann war es ein selbstverständliches Sichvergewissern geworden, ob sie da war oder nicht. Und irgendwann hatte er angefangen, sie genau zu beobachten, wenn sie sich drüben hinter den beiden Fenstern bewegte. aus Lilli oder Das dritte Auge Ulrichs Blick blieb an einem kleinen bunten
Strauß im
Vorraum
hängen, der durch den Rundbogen vom "Wohnbereich" aus zu sehen
war.
Es waren wohl Rosen darin und Fresien - die anderen Sorten konnte er
aus
der Ferne nicht erkennen. Es war auch ganz unwichtig, wie die
zusammengebundenen
Blumen hießen. Es war der Strauß selbst, der Ulrichs
Aufmerksamkeit
erregte. Denn er explodierte geradezu in flammender Buntheit. In seinem
überquellenden, lebendigen Farbenspiel erinnerte er an einen
Bauernstrauß,
in den man wahllos alle auf der Wiese vorhandenen Blumenarten
gepflückt
hatte, so daß mit dem Strauß die blühende Wiese selbst
in das Haus gekommen zu sein schien. Nur daß im November die
Wiesen
draußen nicht mehr bunt blühten. Jedenfalls nicht in diesen
Breiten. Ulrich war sicher, daß Sonja und Gerhard diesen
Strauß
weder gekauft noch gebunden hatten. Vermutlich stand er auch deshalb
draußen
im Vorraum. In die so sorgsam gepflegte schwarzweiße Wohnkultur
paßte
er hinein wie ein Trompetenstoß in ein Bergsches Streichquartett.
Einer von den Gästen mußte ihn mitgebracht haben. Ulrich
fragte
sich, wer von diesen angepaßt Übermütigen zu einem
solchen
Strauß fähig war. aus: Bericht vom Planeten "Kleiner Bruder" "Als erstes versuchten wir, den Grad der Intelligenz
der
Nackthäutler
zu bestimmen, also ihre Fähigkeit zu umfassender und realistischer
Wahrnehmung ihrer selbst und ihrer Umwelt. Dies erfordert einen
ausgeprägten
Geruchssinn. Denn wie anders als durch intensives, hautnahes Beriechen
können wir Aufschluß über den Charakter und die
gegenwärtige
Verfassung unseres Gegenübers gewinnen? Kein anderer Sinn bietet
eine
solche Vielfalt, Fülle und Tiefe an Informationen wie der
Geruchssinn.
Die Reichweite seines Informationsraumes ist unübertroffen. Der
Wind
trägt uns die Witterung von Freund oder Feind zu, lange bevor wir
ihn hören, sehen oder betasten können. Kaum hatte Müller-Soden ihn im Bistro fest
zwischen Wand
und Tisch
eingekeilt, war er mit seinem neuen Gott und seiner Mission
herausgerückt.
Er hatte sich einen Computer gekauft und schrieb nun seine Manuskripte
nicht mehr mit der Schreibmaschine, sondern mit Hilfe eines
Textverarbeitungsprogramms. Paolina hatte längst schon das Frühstück für die Gäste abgeräumt und bereitete das Mittagessen vor, als sich die ersten verschlafenen Touristengesichter zeigten. Sie waren mißmutig und zeigten ungeniert ihre schlechte Laune. Sie mußten noch dieselben Kleider und dieselbe Wäsche vom Vortag tragen, die sie selbst nachts nicht hatten ausziehen können. Es gab keine Dusche. Sie hatten keine Zahnbürsten, Zahnpasta, Deodorants dabei. Schließlich hatten sie nur für einen Tagesausflug gebucht. Ihre Wäsche zum Wechseln, ihre Toilettenartikel warteten im vollklimatisierten Hotel in der Stadt. Der Fischgeruch verstörte sie. Fisch zum Frühstück! Sie fühlten sich gestrandet, ausgeliefert an eine fremde, primitive Welt, die auf einmal zu dicht und aufdringlich an sie herangerückt war. Sie sehnten sich zurück nach der Zivilisation, nach dem Hotel, nach fließendem Wasser aus einer Mischbatterie und einem kachelblinkenden stillen Örtchen. Sie gingen hinunter zum Strand. Ein gutes Stück von den Fischerbooten und den ausgespannten Netzen, hockten Frauen auf ein paar großen Steinen und wuschen ihre Wäsche. Eine alte Frau wackelte mit schnellen kleinen Schritten heran. In den Händen trug sie einen großen Keramiktopf. Sie keuchte ans Wasser, nahm dem Topf und schüttete seinen Inhalt ins Wasser. Wenig später roch es nach süßlichem Urin. "Eine Kloake, dieser ganze See ist eine Kloake!" stammelte Evelyn fassungslos. "Und sie waschen sich darin, fischen die Fische daraus - und trinken wahrscheinlich auch noch das Wasser!" "So wie wir gestern abend," fügte Udo hinzu. "Ich glaube, mir wird übel!" Evelyn, die sich heute nicht wie gewohnt schminken konnte, sah tatsächlich etwas bläßlich aus. "Unsinn," kam es von Manfred, den zwar auch ein leichtes Ekelgefühl anwehte, aber da er sich mehr seinem überlegenen Verstand verpflichtet fühlte, sagte er jetzt: "Dieses Wasser ist uns gestern ausgezeichnet bekommen. Der See ist schließlich groß genug. Und die Leute hier machen auch einen ganz gesunden Eindruck!" "Aber den Fisch kann ich trotzdem nicht essen," behauptete sich Evelyn gegen ihren Mann. Inzwischen hatten die Dorfkinder die Turistos entdeckt. Sie umringten die vier hellbunten Gestalten und schauten sie mit ihren großen dunklen Augen an. Sie bettelten nicht, aber den Vieren war es trotzdem nicht angenehm, auf Schritt und Tritt wie durch ein Vergrößerungsglas beobachtet zu werden. "Du hast abgenommen!" sagte Sybille erfreut, als sie
sich nach
ihrem
Urlaub trafen. "Acht Pfund", bestätigte Carlotta und bestellte
sich
ein Eis. Sie saßen im Mövenpick im Freien und genossen die
ersten
warmen Sonnenstrahlen. "Was macht dein Romeo? Schreibt er noch?"
Carlotta
nickte. "Und wer ist es?" "Ich weiß es nicht." "Du hast es nicht
herausgefunden?" "Wie denn", fragte Carlotta. Die Briefe sind in
Frankfurt
aufgegeben, mehr weiß ich nicht." "Schweinekerl." "Er schreibt
aber
nicht schweinisch." "Trotzdem: schweinischer, feiger Macho! - Sag
bloß,
daß dir die Briefe gefallen!" Carlotta nickte wieder. "Ich habe
ihn
Troubadour genannt. Allmählich fange ich an zu glauben, daß
die mittelalterlichen Frauen gar nicht so übel dran waren.
Jedenfalls
nicht die hochgestellten Frauen. Das gilt natürlich nicht für
die einfachen Bauersfrauen oder Dienstmägde. Aber besungen zu
werden..."
Sybille sah sie prüfend an. "Deine Augen haben Glanz. Und deine
Haut
hat Farbe bekommen! - Tust du was?" "Überhaupt nichts, das ist ja
der Witz!" Carlotta lachte. "Es geht ganz von selbst! Ich mache nicht
einmal
eine Abmagerungskur. Ich habe einfach weniger Hunger! Ich nasche kaum
noch
und schwere Sachen esse ich auch weniger." Sybilles Augen blickten
groß,
ungläubig und mißtrauisch. "Ich bin gespannt, wie das
endet!"
"Ich auch" sagte Carlotta sehr einfach. Dann sprachen sie über
Sybilles
Chinaurlaub, über Klaus und über die Kinder.
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