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Flug Frankfurt - London - Los Angeles

Mittwoch, 14. Juni 2000, 9.50 Uhr, K-Bahn Königstein-Frankfurt/Höchst - Flughafen Lounge

Der Winter war so lang, und jetzt sind schon die Kornfelder gelb. Der Sommer scheint vorbeizufliegen, kaum daß er gekommen ist. Der Blick aus der Königsteiner Kleinbahn erinnert an die Sommerlandschaften aus den GroßenSchulferienzeiten: welliges Mittelgebirge, gelbe Felder, grüne Waldhänge. Aber mich trägt der Zug in die Wüste. Zu den rot-gelb-weiß-bunten Felsen im Südwesten der USA, zu den Joshua-Trees, zu Chipmunks, Kojoten und Klapperschlangen. Die beiden großen Gepäckstücke mit Schlafsack und Isomatte habe ich schon gestern abend im Terminal 2 bei British Airways abgegeben. So kann ich mit dem kleinen, aber immer viel zu schweren Handgepäck (wieso muß frau immer eine volle Kosmetiktasche mitschleppen?) gemütlich zum Flughafen fahren - ohne große Taxikosten oder mit der Frage: wo parke ich das Auto während der ganzen Zeit? Wenn der Flug vor 12.00 Uhr mittags startet, kann man sein Gepäck vorher abends ab 19.00 aufgeben. Eine wunderbare Einrichtung: die Zufahrtswege sind leer, ich bekam sogar einen Kurzparkplatz vor dem Terminal - und am Schalter erwartete mich eine freundliche Hosteß. Einchecken ohne Warteschlange! Und Fensterplätze nach London und weiter nach Los Angeles gebucht und bekommen! An diesem Morgen kann ich also direkt zum Abflugsteig gehen, gebe am Postschalter noch einige dringende Briefe auf, die ich am Abend einschließlich der Umsatzsteuermeldung bis nachts um zwei fertig gemacht hatte. Dazu noch letzte eMails verfaßt, die Mailbox auf automatische Beantwortung gesetzt und die Homepage aktualisiert. Schlafen kann ich später im Flugzeug. 
 
 

Mittwoch, 14. Juni 2000, 11.45 im Flugzeug nach London

Die Wolken sind jetzt ganz dicht geworden. In Frankfurt waren es nur wenige, dafür war es sehr diesig. Als wir zur Startbahn rollten, glaubte ich, Schafe auf der Wiese zu sehen und dachte schon, daß die FlughafenAG ganz umweltfreundlich die Tiere zur Rasenpflege einsetzt. Die Schafe entpuppten sich schnell als hellgelbe, runde, knubbelig aussehende Technikobjekte. Aber dann waren da plötzlich zwei Kraniche. Sie wanderten auf der Wiese und suchten nach Futter. Hellgrau, schlank - wunderbar elegant. Ich hatte diese Vögel noch nie in Freiheit gesehen, und nun diese Symbole des Fliegens zum ersten Mal ausgerechnet auf dem Flugfeld! Sollte dies eine Mahnung gewesen sein, daß ich mit Lufthansa hätte fliegen sollen? Nun, ich hatte spät gebucht, und die billigen Lufthansaflüge im Sonderangebot waren alle schon weg. Ich bekam nicht einmal mehr einen Flug nach Salt Lake City oder Phoenix, meinen Wunschzielorten. Einen Flug nach Las Vegas gab es, aber mit sehr später Ankunft. Und ich wollte kein Hotel vorab buchen bzw. dort so spät suchen. Also blieb ein sehr preiswerter Flug nach L.A. mit British Airways. Mit dieser Gesellschaft war ich schon vor zwei Jahren nach San Francisco als Ausgangspunkt für die Rundreise im Südwesten geflogen. Eine exzellente Fluggesellschaft mit exzellentem Service. Angefangen damit, daß man zweimal 30 kg Gepäck mitnehmen kann, bis hin zum Servicebeutel mit Kopfhörern, wärmenden Söckchen und Zahnbürste und Zahnpasta. Außerdem: sind wir nicht alle Europäer? 

Die Wolken haben sich zu einem Wattemeer verdichtet. Ich kann nicht mehr erkennen, ob wir noch über Land oder schon überm Wasser sind. Plötzlich reißt die Decke auf. Unten sehe ich die Küstenlinie. Das Wasser ist ganz grün, sieht aber klar aus.

Der klare Himmel war nur ein kurzes Zwischenspiel. Die Wolkendecke ist wieder dicht. Wir haben London erreicht, können aber noch nicht landen. Die üblichen Warteschleifen. Wir fliegen noch hoch über den Wolken. Plötzlich schießt weiter unten ein kleineres Flugzeug (oder ist das nur die perspektivische Verzerrung) in entgegengesetzter Richtung durchs Blickfeld. In der nächsten halben Stunde sehe ich noch vier oder fünf weitere Flugzeuge unter uns, einmal auch einen "Überflieger" über uns. Faszinierende Momente, denn die Maschinen kommen und verschwinden so schnell, daß es nicht einmal zu einem Schnappschuß reicht. Ein bißchen mulmig ist mir schon. Ich weiß, die fliegen alle auf festen Luftkorridoren. Aber liest man nicht auch immer wieder von den "close encounters"? Noch dazu wenn eine feste Wolkendecke die Sicht einschränkt? Ich sitze in dieser Maschine, kann am Flugverlauf nichts ändern. Wenn etwas passiert, passiert es - oder auch nicht. Wozu sich also völlig unnötig oder im schlimmsten Fall vorher schon verrücktmachen? Ich schiebe die angstmachenden Gedanken beiseite und genieße die Aussicht auf die Wolkenberge und warte auf die nächsten Flugzeuge.
 
 

Mittwoch, 14. Juni 2000, 16.30 Uhr, London Heathrow, Terminal 4

Seit einer halben Stunde sollten wir in der Luft sein, aber es geht erst in anderthalb Stunden weiter. Also werde ich statt 18.00 Uhr Ortszeit erst gegen 20.00 Uhr in Los Angeles ankommen. Dann auschecken, dann erst Hotel suchen können. Der Grund für die Verspätung sei ein Defekt am Flugzeug, der nicht behoben werden konnte. Ein neuer, größerer Flieger wird bereitgestellt. Das Gepäck wird umgeladen. Mir kommt ein ketzerischer Gedanke: Hatten sie den Flug überbucht? Am Schalter warteten Unmengen von Menschen. Aber wenn es wirklich eine defekte Maschine war, bin ich froh, daß sie uns eine andere Maschine geben. Ich bleibe beim Abfluggate vor den großen Fenstern und schaue dem Beladen einer Maschine zu. Der Catering-Service kommt, dann ein riesiger Gabelstapler oder besser eine fahrbare Plattform mit Fließband, auf der Koffer aus den Gepäckwagen in die Maschine gesteuert werden. Zwei Ladeluken werden auf diese Weise gefüllt. Bei der hinteren Ladeluke rollen die Koffer in einem endlosen Strom in den Bauch des Fliegers. An der vorderen Luke gibt es Schwierigkeiten. Immer wieder muß der Stapelfahrer das Band anhalten, zurückfahren, den Koffer wieder hineinsteuern. Alles maschinell. Die Koffer selbst werden gar nicht mehr angefaßt. Einer rutscht über das Band hinaus und stürzt hinunter auf den Boden. Der Fahrer läßt ihn liegen. Erst als ein Flughafenangestellter zu Fuß vorbeikommt, hebt der den Koffer auf und befördert ihn wieder aufs Band. Er hilft dem Fahrer beim Einsteuern. Ich dachte, es wäre unsere Ersatzmaschine, die sie beladen. Aber wenig später, als die Ladeluken verschlossen sind, rollt die Maschine aufs Flugfeld. Ich habe noch mehr als eine Stunde Zeit und gehe noch einmal zurück in den Terminal und suche mir die Sitzplätze vor den großen Fenstern. Schön, die metallenen Vögel landen und starten zu sehen. In der Zwischenzeit lese ich FAZ von zuhause zu Ende. 
 
 

Mittwoch, 14. Juni 2000, gegen 22.30, Los Angeles, Travellodge Hotel

Zehn Stunden Flug von London nach L.A. hinter mir und kein bißchen müde. Überm Atlantik gelesen und geschrieben. Das Land kam wegen der Nordroute wieder sehr schnell. Schade, daß nicht mehr angesagt wird, wo wir sind. So kann ich nur anhand der eingezeichneten Flugroute im British Airways-Journal raten, welche Landstriche wir gerade überfliegen. Neufundland, Hudson Bay? Viele Seen. Dann Land, endlos die Felder. Als sich die Farbe unten ins braunrot der Wüste verwandelt, macht mein Herz einen Sprung. Kann ich etwas erkennen? Ein mäandernder Fluß durchschneidet die braune Felslandschaft. Ist das schon der Grand Canyon? Ich bin mir nicht sicher. Wie lange, regelmäßige Wellen erheben sich die Bergkämme in einer langen Linie gegen die Sonne. Dann ein ebenso langes Tal, und wieder eine Bergkette. Berg und Tal wechseln sich ab wie Wellen, wenn ein Stein ins Wasser geworfen wird. Nur daß hier die Wellenberge und -täler nicht weiter rollen - sondern wie in einem gefrorenen Augenblick zu Fels versteinert sind. Schon tief in der Abenddämmerung landet die Maschine gegen 19.30 Ortszeit in Los Angeles. Die großen Gepäckstücke habe ich schnell auf dem Band entdeckt. Auch einen Trolley gefunden. Aber dann die langen Schlangen vor der Paßkontrolle. Wir sollen Paß und die Einreiseformulare bereit halten. Ich halte! Und lese weiter in der Biographie der eigenwilligen und großartigen Malerin Georgia O'Keeffe, die ebenfalls die Wüste liebte. Sie hatte einen Platz und ein Haus zum Malen in New Mexico gefunden. Ghost Ranch. Eine Freundin gab mir den Tip, dort vorbeizufahren. Je mehr ich aber lese, um so überzeugter bin ich, daß sich die Ghost Ranch zu einem ebensolchen Touristen überlaufenen Ort entwickelt hat wie Taos, vor dem O'Keeffe damals geflohen war. Ich muß mir meinen eigenen Platz suchen. Zum Meditieren und Schreiben. Ich halte mir aber die Option, bis nach New Mexico zu fahren, offen. Hinter mir steht ein kleiner dünner katholischer Priester, ein Asiate, der immer so dicht aufrückt, daß er gegen meinen Rucksack stößt. Und er schnieft mir in den Nacken. Ab und zu mache ich eine Befreiungsbewegung nach hinten, dann ist für einen Moment Ruhe. Bald ist er wieder herangerückt, als glaube er, damit schneller vorwärtszukommen. Aber die amerikanischen Paßbeamten lassen sich von der langen Schlange nicht beirren. Sie mustern genau die Pässe, stellen Fragen. Ich weiß, daß bei Asiaten die Körperdistanz zu "Fremden" viel geringer ist als bei uns. Wenn man wie ein Hering in einer vollgepackten U-Bahn steht, ist der Körperkontakt zu anderen ja noch viel hautnäher. Aber es ist unangenehm, wenn jemand so dicht heranrückt, während ringsum genug Freiraum ist. 

Als ich endlich dran bin, bemängelt der Paßbeamte, daß ich bei der Adresse in den USA keinen Eintrag gemacht habe. Ich sage ihm, daß ich keine feste Adresse haben werde und auch für heute nacht noch erst ein Hotel suchen muß. "Das geht nicht", murrt er. "Da muß eine Adresse stehen." Und er schreibt "Hilton-Hotel" für die erste Nacht hinein. Das entspricht nicht gerade meinem Budget! Ich werde mir etwas anderes suchen. Die Hauptsache, er läßt mich passieren. Nachdem ich auch die Kontrolle über eingeführte Nahrungsmittel und Pflanzen überstanden habe, suche ich die Touristeninformation, um ein Hotel und die Autovermietung zu finden. Nichts zu sehen. Stattdessen an der Wand der Ausgangshalle eine Reklametafel von Hotels, Autovermietungen mit Telefonnummern usw. Dazu ein Telefon, mit dem man kostenlos anrufen kann. Der erste Anruf geht daneben. Alle Zimmer belegt. Dann das Travellodge. Ja, sie haben ein Zimmer frei. 99 $. Seufz. Aber ich nehme das Zimmer, lasse mir die Buchungsnummer und Lagebeschreibung durchgeben. Zuerst aber möchte ich das Mietauto abholen. Ich rufe bei Dollar an. Wo ich sie finden könnte. Ich erfahre, daß ein regelmäßiger Shuttleservice die Fluggäste zum Flughafen bringt bzw. abholt. Ich sollte nur hinausgehen und vorm Ausgang warten. Das hört sich gut an. Draußen aber habe ich bald das Gefühl, wie beim Zahlen im Supermarkt in der "falschen Schlange" zu stehen. Die Busse der anderen Autoverleihfirmen kommen vorbei, nehmen ihre Fahrgäste auf. Es kommen Busse von den großen Hotels. Nur ich stehe noch und warte. Endlich! Der Fahrer ist freundlich, trägt das Gepäck hinein. Im Wagen liegen Lagepläne und Beschreibungen aus, wie man sein Mietauto wieder heil zurückbringen kann. Gottseidank. Das war eine meiner größten Sorgen. Ich hatte zwar einen Stadtplan von L.A. in Frankfurt gekauft, dann aber festgestellt, daß ausgerechnet der Flughafen außerhalb der Darstellung lag und nur in der kleinen Übersichtskarte mit einigen wenigen Hauptstraßen eingezeichnet war. 

Dollar hat Tag und Nacht geöffnet. Ich komme auch gleich dran. Dann eine Überraschung: ich hatte "Economy" gebucht, also eine Limousine der kleinsten Klasse (was bei uns der kleinen Mittelklasse entspricht). Sie hatten keinen Wagen dieser Klasse vorrätig, und ich sollte ohne Aufpreis einen "Zia", einen hochrädrigen, geländegängigen Wagen bekommen. Ich dachte an die höheren Benzinkosten, schluckte, nahm aber erst mal an. Es war ein schönes Auto. Vom erhöhten Fahrersitz hat man einen phantastischen Überblick. Der Haken aber: Der Kofferraum war nicht abgetrennt, sondern offen in die Fahrkabine integriert, sogar mit eigenen Fenstern. Jeder konnte von außen sehen, daß ich mit meinem ganzen Gepäck unterwegs war. Für manche wäre das eine offene Einladung. Ich beharrte auf der Limousine. Da bat mich die Schalterangestellte, am nächsten Morgen wiederzukommen. Vermutlich hätten sie dann ein Auto. 

Das Hotel lag nur wenige Häuserblocks von der Autovermierung entfernt. Ich fühlte mich wie Hans im Glück. Aber beim Einchecken stellte sich dann heraus, daß ich in einem Nebengebäude untergebracht war - nicht im Erdgeschoß, sondern im ersten Stock. Und das mit meinem Gepäck! Ich hatte viel zu viel eingepackt. Das wurde mir vor Ort immer klarer. Also kurvte ich herum, suchte etwas länger nach der rückwärtigen Einfahrt (inzwischen war es dunkel geworden), fand einen Parkplatz. Und hinter dem Gittertor sogar einen Gepäckkarren. Dann aber kam eine Treppe. Also Trolley wieder stehen lassen, alles hochwuchten, auf den nächsten Trolley laden - und dann ging es endlos die Gänge entlang. Ganz am anderen Ende lag mein Zimmer. Zwischendurch gab es Einblicke in einen wunderschönen Innenhof mit plätscherndem Teich oder Pool. Aber das waren nur Wahrnehmungen am Rande. In Frankfurt war es mittags halb zwei am 15. Juni. Ich steckte seit 36 Stunden ohne Schlaf immer noch in denselben Kleidern. Es zog mich zu einem Bett und vor allem zu einer Dusche. 

Was ist das typisch Amerikanische an einem Hotelzimmer? Für mich die Schale, die man mit Eiswürfeln, den überall erhältlichen "Icecubes", vom Automaten auf dem Gang auffüllen kann. Dann natürlich die laufende Klimaanlage, wie immer auf "eisig" eingestellt. Ich suchte den Schalter zum Ausstellen, öffnete dafür das Fenster, schaltete noch ein paar Minuten durch das amerikanische TV, und schlief dann ruhig und angenehm bis morgens um sieben durch. 

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