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Organ Pipe Park - Show Low, Arizona

Sonntag, 18. Juni 2000, 6.30 Uhr, Organ Pipe National Park, bei Lukeville, Campground

Ich sitze am Tisch. Im Nordwesten über der Berglinie liegt ein zarter Wolkendunst - ganz rosa. Darüber der Vollmond, der bald untergehen wird. Im Nordosten geht dann gelb und unspektakulär die Sonne auf. Bald schon ist es wieder heiß. Der Sonnenuntergang gestern bot ein ähnlich zartes Farbenspiel. Ich hatte einen Schlafplatz unter einem riesigen Saguaro ausgesucht und fühlte mich "beschützt". Der Campground hat Toiletten und Waschbecken mit fließendem Wasser, was gut tat. Aber ich brauche doch bald eine Dusche, um mir die Haare zu waschen. Nachts wachte ich auf - Tiere machten Lärm: es war ein dauerndes Knacken, Krachen, Kauen, Schmatzen. Nachts hatte ich nur die Taschenlampe als "Waffe". Ich richtete sie in das Halbdunkel (der Mond leuchtete stark). Ich sah ein paar Tiere über einen Weg huschen. Gelbliches Fell. Ich dachte an Kojoten. Ich stand auf, ging zur Toilette. Dort war alles voller Kakerlaken. Ich muß gestehen, ich zog es vor, im Freien zu pinkeln, vergrub das Papier. Als ich zurückkam, leuchtete ich noch einmal herum - dann war Stille, und ich konnte in Seelenruhe bis fünf Uhr schlafen. Später im Visitor Center wurde mir klar, daß es sich bei dem nächtlichen Tierbesuch nicht um Kojoten, sondern um Javelins, eine Wildschweinsorte, gehandelt haben mußte.

Am Abend hatte ich noch einen kleinen Schock: ich saß am Tisch, zum Abendbrot und zum Schreiben und sah plötzlich, wie es vorne vom Auto heruntertropfte. Tausend Ängste fielen wie Plagen ein: war ich doch zu unvorsichtig über einen zu hohen Stein oder Felsen gefahren? Durfte ich überhaupt unasphaltierte Straßen fahren? Jeder macht es in Amerika. Aber wenn etwas passiert, was dann? Ich konnte die Ängste einigermaßen abschütteln und auf heute morgen vertagen. Es ändert ja doch nichts. Ich fahre nachher zur Tankstelle in Lukeville und lasse das Auto checken. 
Noch etwas: ich merke, das hier ist nicht meine Landschaft. Sie ist überwiegend weiß und hell. Aber ich liebe die roten Berge und Felsen. Ich beschließe, nach Norden aufzubrechen. Wieder ins Navaholand, und nach Utah, nach Escalante. 
Der Tankstellenbesitzer schaut sich mein Auto gar nicht an, als ich ihm vom steten Tropfen erzähle. Er läßt sich beschreiben, an welcher Stelle das Wasser heruntertropft und diagnostiziert dann den A/C, den AirConditioner (die Klimaanlage). Das wäre normal. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich fahre nach Norden los, mache wieder Bilder auf der Straße. Noch ist die Luft klar und rein, die Schatten lang. Alles, die Saguaros, die Felsen, die Berge treten in leuchtender Klarheit hervor. Ich will zwar nach Norden, aber nach Möglichkeit die Autobahn meiden. Dort muß man rasen, kann die Landschaft nicht genau besehen, langweilt sich dann und wird müde. Ich suche mir eine Strecke durch das Indianerreservat der Tohone O'odham heraus. 

Sonntag, 18. Juni 2000, 14.30 Uhr - Route 60, Oakflat Campground

Dies ist ein ganz wunderbarer Rastplatz am Rande der Landstraße. Alte riesige Eichen, die Sitzgruppen in großem Abstand unter den Bäumen, und vom Straßenlärm ist fast nichts zu hören. Auf der Fahrt durch die flache Ebene vor Casa Grande sah ich schon von weitem eine große Windhose, einen Dustdevil oder Staubteufel im Englischen, links von der Straße. Ich war gespannt darauf, sie näher zu betrachten. Als ich dann die Stelle erreichte, war sie plötzlich nicht mehr zu sehen. Ich dachte noch: Schade, sie hat sich aufgelöst - als mir auf einmal das Steuer nach links gerissen wurde. Ich war mitten in die Windhose geraten. Wie gut, daß die Straße menschen- und autoleer war! Nach dem Schrecken war ich froh, daß ich den Zia zurückgegeben hatte. Diese windanfälligen Kästen zu steuern, braucht Übung. 

Sonntag, 18. Juni 2000, 20.30 Uhr - Show Low, Fool's Hollow Lake Campground

Auf der Fahrt über die Route 60 kamen die ersten roten Tafelberge, die ersten Pinienwälder. Ich heulte fast vor Glück. Das ist das Land, das ich liebe, in dem ich mich zuhause fühle. Die Straße führt durch das Reservat der Apachen. Ich habe niemals Karl May gelesen, aber genug Westernfilme gesehen, daß allein das Wort "Apache" alles zum Klingen bringt. In Haarnadelkurven geht es zum Salt River hinunter, und auf der anderen Seiten sieht man im Spätnachmittagslicht weiß leuchtend die Nadelkurven auf der anderen Seite wieder hinaufziehen. An der Brücke über den Fluß gibt es einen Aussichtspunkt und ein Gebäude. Ich erwarte einen Visitor Center. Aber es gibt nur Toiletten und ein paar Schautafeln. Als ich auf der Toilette sitze, kommt unter der Schwingtür eine Taube herein, sucht und pickt auf dem Boden! Sie läßt sich von mir überhaupt nicht stören. Ich gehe zum Auto zurück, hole eine handvoll Sonnenblumenkerne und streue sie ihr im Toilettenvorraum hin. Das Kommen und Gehen der Frauen ist sie offensichtlich gewohnt. 

Ich habe einen wunderschönen, weitläufigen Campground an einem See gefunden, von hohen Pinien umstanden. Vom Autostellplatz führen ein paar Stufen über den roten Waldbolden nach unten zur Sitzgruppe, noch weiter unten ein flaches Quadrat für das Zelt. Ich breite nur meinen Schlafsack aus. Das Allerschönste für mich heute am Campground: die "facilities": Duschräume mit integrierter Toilette, sogar zum Abschließen. Nach vier Hitzetagen ohne Dusche, stehe ich glücklich unter dem Wasserstrahl und wasche mir genüßlich den Körper und die schmutzig und strohig gewordenen Haare. Wieder draußen, komme ich mit einer älteren Frau ins Gespräch. Joy aus Show Low. Sie und ihr Mann haben eine Farm, auch an einem kleinen See gelegen.  Sie wollen selbst einen Campground einrichten. Später kommt ihr Mann Moylen dazu. Er fährt einen alten Pickup und lädt mich für morgen zu den beiden ein. Ich könnte bei ihnen reiten und Kajak fahren. Und er schenkt mir das Buch Mormon. Sie erzählen mir, wie Show Low zu seinem Namen kam:  Zwei Rancher bewirtschafteten das Tal - aber für zwei Ranchen reichte es nicht. Darin waren sich beide einig. So pokerten sie darum, wer bleiben durfte und wer gehen mußte. Der Sieger gewann durch ein "show low" das Spiel (Pokerspieler wissen mehr damit anzufangen). So kam der Ort zu seinem Namen. Und die Hauptstraße heißt bis heute "Deuce of Clubs" = Kreuz/Treff Zwei. 
Joy ist eine Kräuterspezialistin, ihr Vater war Biologe, eingewandert aus Holland. 

Der wunderschöne See hat auch eine andere Seite: Stechmücken! Ich erwarte eine unangenehme Nacht und hülle den Kopf  total in die Keffiyah, daß nur noch die Nasenspitze herausschaut.
 
 

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