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Notom Road - Boulder, Utah - Burr Trail/Utah

Montag, 26. Juni 2000, 6.30 Uhr, Burr Trail, Notom Road

Nach zehn Minuten hörte der Regen gestern abend auf. Ich bin doch wieder ausgestiegen und habe draußen sehr gut geschlafen. Gegen vier begann es wieder zu tröpfeln. Es blieb mir nichts übrig, als ins Auto zu gehen. Seitdem hat der Regen nicht aufgehört, er ist sogar stärker geworden. Ein richtiger Landregen, ein Ende ist nicht abzusehen. Wolkengrau überall - wie in Deutschland, nur wärmer. Heute fahre ich zum anderen Ende des Burr Trails, der nach Boulder, Utah führt. Von der Piste gestern sah ich die Abzweigung nach Boulder, die als Piste steil in die Berge der Waterpockets führt. Vorher aber mache ich noch Station im Visitor Center, genieße fließendes Wasser. Im Center haben sie ein maßstabstreues Modell des Waterpocketgebiets aufgebaut. Ich sehe die ganze Strecke, die ich von Bullfrog gefahren bin. Die Berge links und rechts sind einmodelliert. Ich erkenne die Mesas, die Waterpockets. Sehr schön und detailgetreu gemacht. Draußen regnet es noch immer. Bei diesem Wetter hat es wenig Sinn, den Scenic loop noch einmal zu durchfahren. Ich kehre zur Landstraße zurück und biege Richtung Highway 12 Richtung Boulder ab. Die Straße führt hoch in die Berge - die Escalante Staircase. Hohe Pinien und Zedern säumen die Straße. Oben kommen mir weidende Kühe entgegen. Es gibt einen Outlook über das Capitol Reef Tal. Ein phantastischer Ausblick. Das Capitol Reef selbst, weiter hinten die Henry Mountains und in der Ferne grüßt der Navajo Mountain. Die Landschaft wieder betörend gesprenkelt in den Farben rot und weiß und braun. Zwischendurch kommt sogar die Sonne durch und erhellt einzelne Landstriche. Die Straße führt immer weiter nach oben. Es wird empfindlich kalt. Ich mache kurz Rast an einer Ranger Informationsstation. Ich komme mit den Volunteers ins Gespräch. Ein pensioniertes Ehepaar, das für den National Service arbeitet und hier oben wohnt. Es macht sie glücklich, hier in der Natur zu leben. Sogar ihre Katze haben sie in ihrem Wohnmobil dabei. Letztes Jahr hat er im Wald Bären gesehen. Diese Waldlandschaft ist wunderschön, aber nicht das, weshalb ich hierher gefahren bin. Sie ähnelt der wilden Alpenlandschaft mit den dichten Wäldern, den Wiesenmatten mit Kühen in den höheren Regionen. Ich bin froh, als der Paß erreicht ist und die Straße wieder nach unten, nach Boulder führt. Die weißen abgerundeten Kegelcliffs von Boulder leuchten mir schon von weitem entgegen. In Boulder, einer kleinen Ortschaft, biege ich die Straße zu den Cliffs ab. Sie führt zum Burr Trail. Vor zwei Jahren war ich diese Straße nur ein Stück weit hineingefahren, wollte damals aber weiter zum Bryce Canyon. Diesmal lasse ich mir Zeit. Ich werde hier übernachten, wenn es ein stilles Fleckchen in der Wildnis gibt. Die weißen Cliffs sind netzartig zerfurcht. In den Kreuzungen wachsen kleine Bäumchen. Und zwischendrin gibt es rosa Streifen vom Navajosandstein. An einem größeren Platz mit riesigen Pinien mache ich wie vor zwei Jahren Halt und hole mir aus dem Trockenbachbett weißen Sand als Souvenir. Die weißen runden Felsen werden von ebenso runden, rosafarbenen Navajosandsteinfelsen abgelöst.

Es ist schon komisch: Diese runden rosa und weißen Felsen, zusammengebacken aus Sedimenten und Sand, haben eindeutig weibliche Formen. Sie erinnern an Brüste, an runde Hüften und Pos. Die dunkelroten Sandsteinfelsen ragen dagegen oft wie Phalli in den Himmel. Besonders schöne Beispiele gibt es im Arches National Park. Freud wäre vermutlich entzückt gewesen. Ob er auch die weiblichen Felsformen zu schätzen gewußt hätte? Irgendwo habe ich gelesen, daß hier im Colorado Hochplateau mit den tiefen Einschnitten des Flusses das weibliche Zentrum der Erde liege, während das männliche Pendant der Himalaja in Tibet sei. Für die Indianer ist heute noch "Mutter Erde" heilig. Es gab auch schon Treffen zwischen tibetischen Lamas und indianischen Medizinmännern und Weisen.

Die Straße schraubt sich einen Bergrücken hinauf - und plötzlich öffnet sich die Aussicht tief nach unten in ein kleines rundes Tal, das sich nach hinten zu einer Schlucht verengt, in deren Öffnung man gerade noch sehen kann. Zwei Felswände aus senkrecht stehenden rotem Sandstein bilden die Schlucht - und die Straße im Talgrund führt mitten hinein. Das ist die Straße, die ich befahre. Bald werde ich unten sein. Jetzt verstehe ich auch, weshalb die Strecke "Trail", Pfad, Fährte heißt. Sich hier zurechtfinden, heißt wirklich, sich einen Weg bahnen, einen Trampelpfad finden und anlegen. Unten sehe ich ein weißes Auto - winzig klein zwischen den massigen und hohen Felswänden. Nach einer Viertelstunde begegnen wir uns auf der Straße. Ich kann gar nicht sagen, wieviel Zeit man für eine Strecke braucht. Ich halte zu oft an, steige aus, fotografiere. Die Straße führt in Kurven nach unten. Am Grund wachsen Sykomoren und Büsche - Wasser sammelt und hält sich hier. Dann rücken die hohen roten Felswände immer dichter zusammen. Von oben laufen bei vielen die schwarzen Streifen herunter. Der Fels selbst ist streckenweise ganz glatt, wie poliert, dann wieder merkwürdig "eingedellt". Als sei die Wand mit Steinen beschossen worden, haben sich halbrunde Öffnungen in den Fels gegraben oder wurden herausgewaschen. Es gibt den riesigen Felswänden etwas poröses. Die kleinen Höhlungen erinnern an Tropfsteinhöhlen, nur in die Vertikale gezogen. Die Schlucht ist nichts als ein Bachbett, das nur widerwillig seitlich Raum für die Straße läßt. Oft genug haben Überschwemmungen Sand und Geröll darauf abgelagert und Löcher in die Asphaltdecke geschlagen. Der Mensch muß ständig flicken und erneuern, was er der Natur abgerungen hat. Eine halbe, eine ganze Stunde fahre ich so durch die Schlucht, beschaue mir die bizarren Felsformationen. Hier ist wieder das Reich der Phalli, manche geradezu komisch menschengetreu. Die Straße steigt wieder an - vorne eine Kuppe. Dann wieder ein Ausblick, der einem den Atem verschlägt. Egal, wohin man schaut: vor mir bricht der Berg in ein weites Tal ab, vorgelagert runde Kuppen aus porösem rotem und grauem Steinbergen. Dann eine weite Ebene unten - dahinter wieder Berge: die schwefelgelb-grauen Mesas der Bullfrog-Notom Straße, die ich gestern gefahren bin. Davor die weißen Zacken und Zinnen der Waterpockets - und rote Berge. Hinter mir eine steile Felsenwand aus hellgelbem Sandstein, die - man kann es nicht anders sagen - in einer Krone aus senkrecht gefurchten Felszacken endet. Auf der anderen Straßenseite zieht sich diese Steilwand, die in sich noch einmal mit Längsfelsen gegliedert ist, weiter. Weiter in der Ferne dann rote Felsberge. Eine Gruppe von Japaner, geführt von einer Amerikanern fotografiert das Panorama. Sie arbeiten an einem Stativ, fotografieren. Ich gehe aus ihrem Schußfeld, ein bißchen zu ihnen hinauf, weil der Blick hinunter ins Tal von dort noch dramatischer ist. Dabei stelle ich befriedigt fest, daß es mir immer weniger ausmacht, an solchen Abgründen entlangzugehen oder mit der Kamera mich hinstellen und hantieren. Man kann sich die Höhenangst wirklich abtrainieren. Sicher, ich werde nie ein Bergsteiger oder Kletterer. Aber Jahr für Jahr entdecke ich bei mir eine größere Trittsicherheit. Die Japaner packen ihre Ausrüstung zusammen, fahren weiter. Ich bleibe noch und genieße die Stille.

Montag, 26. Juni 2000, 14.20 Uhr, Burr Trail - Boulder/Utah, Zweiter Outlook auf die Waterpocket Berge

Ich fahre ein Stück weiter - auf der Halbhöhe der Vorberge gibt es wieder einen phantastischen Ausblick. Nach unten und zurück auf die Felskrone oben. Ich steige wieder ins Auto. Ich möchte zur Gabelung bei den Waterpockets kommen, wo ich gestern das Schild vom Burr Trail gesehen hatte. Nun komme ich von der anderen Seite. Die Straße führt in weiten Bogen nach unten ins Tal, führt wieder sanft nach oben nach Osten zu den Waterpocketbergen. Dann hört der Asphalt auf. Die Straße ist gut geschottert. Ich vertraue auf die Reifen und fahre weiter. Bald bin ich wieder mitten in den roten Bergen und Felsen. Immer schön langsam, damit dem Auto nichts passiert. Oben die Kuppe mit Blick in das Waterpockettal. Unten sehe ich als weißen Strich die Piste, die ich gestern nach Notom gefahren bin. Und jetzt sehe ich vor allem die Waterpockets ganz nah: die weißen, roten, braunen und schwarzen Zackenbänder, manchmal sogar türkis dazwischen. Eine unglaubliche Landschaft - und um so schöner, weil ich sie ganz in der Stille für mich genießen kann. Der Ausguck, das Plätzchen, das ich jetzt gefunden habe, wäre ein idealer Übernachtungsplatz. Unten entdecke ich auf einmal zwei Geländewagen, die die Abzweigung zu mir heraufnehmen. Ich fahre auch wieder los, will nach unten. Aber zuerst führt die Straße weiter nach oben, wird sehr eng und felsig. Dann knirscht es unter mir. Es hat keinen Sinn. Vor allem weiter vorne sind die Felsblöcke in der Straße so hoch, daß ich garantiert aufsitzen werde - ob mit oder ohne Fahrkunst. Ich drehe, komme ins Schwitzen, weil die Straße seitlich steil nach unten abfällt und natürlich nicht befestigt ist. Also geht es nur zentimeterweise. Aber irgendwann habe ich es geschafft. Die beiden Geländewagen brausen an mir vorüber. Wir winken uns zu. Dann bin ich wieder allein. Wolken sind aufgezogen. Es sieht nach Gewitter auf. Das schöne Fleckchen mit Ausguck empfiehlt sich nicht gerade bei Gewitter und Regengüssen. Lieber wieder zurück auf die asphaltierte Straße. Ich fahre bis zum Ausguck am Ende der Schlucht, zu den Felsen mit der Zackenkrone. Hier werde ich auf der Straße, zwischen den Felsen übernachten. Vorher genieße ich den Sonnenuntergang mit rot und rosa angestrahlten Wolken.

Als ich meinen Schlafsack ausbreite und dabei gegen den starken Wind ankämpfe, kommt plötzlich die Frage: "Ob es hier vielleicht Pumas gibt?" Die bergige Felsengegend ist völlig einsam, abgelegen. Kein Touristenort. Da könnte es solche Tiere schon geben. Nein, so mutig oder übermutig bin ich nicht: ich verziehe mich lieber ins sichere Auto. Mein Entschluß war gut: denn in der Nacht gewittert und regnet es. Nachts um zwölf wache ich von den grellen Blitzen auf. Der Regen prasselt so stark herunter, daß ich das Auto anlassen und Fenster auf der einen Seite schließen muß. Außerdem fahre ich noch ein Stück in das innere der Schlucht. Da draußen blies der Wind so heftig, daß das Auto ins Schwanken kam. Und wenn so ein Felsbrocken von der Felswand herunterkommt? Es gab Warnungen wegen Steinschlags. Ich stelle mich auf das Stück freie Fläche innen, möglichst weit weg von den Wänden links und rechts der Straße. Die Blitze blenden durch die geschlossenen Augenlider. Aber der Donner hallt nur schwach, bleibt noch weit weg. Das Gewitter zieht seitlich vorüber. Ich kann noch ein paar Stunden schlafen.
 

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