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Burr Trail/Utah - Escalante - Bryce Canyon/Utah Dienstag, 27. Juni 2000, 6.30 Uhr, Burr Trail, Boulder/Utah, Erster Outlook auf die Waterpocket Berge Als ich am Morgen in der ersten Dämmerung gegen vier Uhr aufwache und hinausschaue, sehe ich nichts besonderes. Ich bin noch müde, lege mich noch einmal hin. Um fünf Uhr wache ich wieder auf, stehe auf, gehe hinaus. Es regnet schwach und ist sehr kalt. Aber der erste helle Glanzsaum über den Bergen im Osten, die Strahlen in den Himmel, die Glanzränder um die Wolken treiben mich hinaus. Als ich dann doch zum Auto zurückgehe, um etwas Wärmeres anzuziehen, traue ich meinen Augen nicht. Vor einer dunklen Wolkenwand spannt sich ein Regenbogen von der einen Seite des Canyons im runden Bogen genau zur anderen Seite. Ein Halbkreis, der beide Seiten der Schlucht verbindet. Es ist wie ein Geschenk. Ich fische nach der Kamera, steige aus. Mein Objektiv schafft den ganzen Bogen nicht. Leider. So knipse ich abwechselnd die linke und die rechte Seite der Schlucht und die Enden des Regenbogens. Inzwischen ist die Sonne im Osten über den waterpockets und den Mesas aufgegangen. Ein zweiter Regenbogen überhöht den ersten. Und die Felsenkrone leuchtet in strahlendem Goldgelb. Was für ein wunderbarer Tagesbeginn! Es kommt noch eine dicke Regenwolke, die sich vor die Sonne schiebt, aber die großen Wassermassen weiter im Norden ablädt. Ich mache Morgentoilette, frühstücke. Als sich die Wolke zu den Henry Mountains verzogen hat, kommt die Sonne ganz durch. Nachts träumte ich von Felswänden - hoch und gelb. Ich war immer am Abgrund. Aber ich war ein Vogel, ein Adler, der über diese Landschaft sicher fliegen konnte! Mit diesem Burr Trail von Boulder her hat es eine merkwürdige Bewandtnis: jedenfalls, wenn man abergläubisch ist. Als ich gestern nachmittag die Filmrolle wechselte, passierte mir dasselbe, was mir vor zwei Jahren ebenfalls im Burr Trail, nur weiter vorne, noch nahe bei der Stadt zu passierte: der Film riß! Wieder ein Film verloren wie vor zwei Jahren! Allerdings hatte ich gestern abend noch so viel Zeit, daß ich die Schlucht zurückgefahren bin und die Aufnahmen wiederholt habe, so gut es ging. Ich hatte sogar Glück im Unglück: denn mittags, als ich kam, war der Himmel meist wolkenbedeckt und die Farben und Felsen grau - am Spätnachmittag leuchtete alles in der niedrig stehenden gelben Sonne. Bei dieser Fotografiertour fuhr ich noch einmal den Berg Richtung Boulder hinauf, fotografierte im Abendlicht auch die rosa Rundfelsen. Als ich dann wieder losfuhr, gab es ein gleichmäßig wiederkehrendes klackendes Geräusch von außen. Ein Reifen? Ich war mir nicht sicher. Stieg aus, checkte, nichts. Fuhr los - wieder das Klacken. Schneller, wenn ich schneller fuhr und langsamer, wenn ich bremste. Wieder ausgestiegen, wieder nichts gesehen. Ich war nahe dran, es einfach zu ignorieren, als mir plötzlich der ICE-Unfall einfiel: die Fahrgäste hatten das regelmäßige Klacken gehört - aber niemand hatte dem Beachtung geschenkt. Zum dritten Mal angehalten, zum dritten Mal gecheckt. Diesmal entdecke ich im rechten Hinterreifen einen Schotterstein, der halb aus den Rillen im Reifen herausschaut, so groß ist er. Mit dem Autoschlüssel kann ich ihn herauspulen. Ich glaube, wenn ich weitergefahren wäre, hätte er sich irgendwann nach innen geschafft - und dann hätte ich einen Reifen gehabt. Als ich losfahre, höre ich nur noch die normalen Fahrgeräusche. Ich muß gestehen, ich bin zufrieden mit mir, zumal ich kein Autofreak und -tüftler bin - nur eine begeisterte Fahrerin. Vor der nächsten Tour sollte ich doch einmal einen Reifenwechsellehrgang machen. Das nehme ich mir fest vor. Dienstag, 27. Juni 2000, 18.45 Uhr, Bryce Canyon, Bryce Point Ich bin heute morgen noch lange im Burr Trail bei Boulder gekreuzt. In der Frühmorgensonne sind die Felsen wieder ganz anders und neu beleuchtet. Goldgelb der Felsenkranz, leuchtend rot die angestrahlten Sandsteinfelsen. In der Mitte der Schlucht gibt es in der Felswand eine Höhlung mit Zacken, die wie Stalagmiten von oben nach unten hängen. Eine halbe "Tropfsteinhöhle" im Miniformat. Gegen 12.00 verlasse ich die Schlucht, verlasse Boulder Richtung Escalante. Für die nächsten fünfzehn Meilen brauche ich drei Stunden. Die Straße führt kurvenreich nach oben. Der Blick zurück atemberaubend: in der Ferne die weißen Felsen von Boulder, ganz am Horizont die Henry Mountains, der Navajo Mountain und die Waterpockets vom Capitol Reef, dann schon dazwischen wieder bizarre Felsklötze in rot und schwarz. Die Sicht reicht über 100 Meilen weit. Vor mir eine Schlucht in weiß und lachsrot, der Fels in sich gestreift. Später, an einem "offiziellen" Aussichtspunkt gibt es eine große Schautafel und die Erklärung, daß Boulder der letzte Ort in Utah war, der erst 1935 ans Straßennetz angeschlossen wurde. Der Bau der berühmten 1-Million Dollar Road. Bis dahin wurde die Post per Maultier oder Packesel zugestellt. Die Straße führt über einen Bergrücken oder genauer inzwischen: Die Straße ist der Bergrücken. Man registriert es wegen der Breite der Gegenfahrbahn nicht gleich: Nicht nur rechts bricht der Boden fast senkrecht ein paar hundert Meter ab - auf der anderen Seite mit Blick zurück nach Boulder genauso! Das felsige Tal auf der rechten Seite ist durchfurcht vom Escalante River. Der Fluß selbst mäandert in der tiefen roten Schlucht des Calf Creek Canyon weit unten. Hier herrschen die dunkelroten Töne des Sandsteins. Auf der anderen Seite machen die hellroten und weißen Farben, die sich durch die Felsen ziehen, die Landschaft zur Farbpalette des größten aller Künstler: der Natur. Die Straße führt in engen Serpentinen hinunter zum Calf Creek Canyon, mitten in die Schlucht. Es gibt einen Rast- und Campingplatz, von dem man aus zu Fuß zu den Wasserfällen des Escalante gelangt. Nur ist es jetzt - mittags - so heiß, daß es selbst mit einer Wasserflasche nicht ratsam ist, loszumarschieren. Das Tagesziel ist aber der Bryce Canyon - noch eine gute Fahrstrecke! Escalante gefällt mir so gut wie beim letzten Mal. Es ist nicht nur ein malerischer Name. Das kleine Städtchen hat Charme - oft noch kleine altmodische Holzhäuser. Vielleicht noch vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Mit Holzveranden und schmalen Ecksäulen, umgeben von einem Garten. Vor den Geschäften zieht sich ein überdachter hölzerner Fußweg. Ich finde den Eisshop wieder, der auch Schnellgerichte anbietet. Bestelle Burritos - und anschließend wieder ein riesiges Softeis. Unter einem großen, schattenspendenden Baum haben sie Tische und Bänke aufgestellt. Die Landstraße (Highway 12), die durch den Ort führt, ist nur mäßig befahren. Ich schaue dem Treiben genüßlich zu. In der Ferne haben sich gewaltige Gewitterwolken geballt, aus denen Blitze schießen. Aber die Wolken ziehen großenteils seitwärts vorbei. Nur ein paar Tropfen kommen herunter. In Escalante finde ich endlich ein Postamt, in dem ich die bereits geschriebenen Ansichtskarten endlich aufgeben kann. Am Ortsausgang gibt es ein Informationsbüro für das "Escalante Staircase National Monument" - und bald danach den National Petrified Forest, zu meiner Überraschung für diese Gegend, an einem See gelegen. Der Park und Campground wird gerade renoviert. Ich laufe den kleinen Fußweg den Berg hinauf und ärgere mich, daß ich vorher doch nicht ins Büro gegangen bin, um mir den kleinen Faltplan mit den Beschreibungen zu holen, den ich bei den anderen Touristen in der Hand sehe. Von versteinerten Bäumen kann ich nichts entdecken. Aber der Ausblick auf den See und zurück in die Felsenlandschaft von Escalante bis hin zu den Henry Mountains ist den Aufstieg wert. Versteinertes Holz hatte ich vor zwei Jahren im Canyon de Chelly gesehen. In Monument Valley unter einem Baum sogar selbst ein Stück entdeckt. Ich steige nicht ganz hinauf - der See lockt. Unten gibt es sogar einen kleinen Bootsanlegesteg. Dort sitzen allerdings ein paar Leute, ein Mann springt ins Wasser und platscht unter lautem Gelächter aller im See. Das Wasser muß hübsch kalt sein. Ich gehe seitlich in den weißen Sand - und merke zu meinem Staunen, daß es gar kein Sandstrand ist, sondern daß der Boden mit weißlich getrockneten feinen Algen bedeckt ist. Ein faszinierendes Gespinst aus feinsten Blättchen und Zweigchen - aber rutschig und glitschig. Ich muß doch auf den Steg. Inzwischen sind alle Leute im Wasser, laden mich dazu ein. Meine Badesachen sind fern im Auto. Ich kann nur lachend abwinken, ziehe aber Schuhe und Strümpfe aus und halte sie ins Wasser. Wunderbare Erfrischung nach ein paar duschelosen Tagen. Beim Trocknen merke ich, daß die Füße zu wenig Wasser und zu wenig Luft bekommen haben. Gelinde gesagt: sie stinken richtig käsig. Die Fahrt zum Bryce Canyon führt wieder durch grau-gelbschwefelige Mesas, in der Ferne der höchste Berge der Gegend, der Mount Powell. Bei Henrieville führt die Straße zwischen zwei weißen Tafelbergen hindurch, deren Abschluß der Mount Powell bildet. (Im Rückblick). Man könnte meinen, die alten Ägypter hätten sich von dieser Landschaft für ihre Pylonen und Tore vor den Tempeln inspirieren lassen. Noch überraschender ist die Verwandtschaft mit ägyptischen Tempeln im Arches Nationalpark. Dort gibt es zwei Felswände, die eine Prozessionsstraße zu säumen scheinen - zwei Kilometer lang! Am Eingang des Bryce Canyon empfängt mich ein Hirsch, der nah an
der Straße grast. Die Sonne steht schon ziemlich tief. Ich suche
mir anhand der Karte, die man am Eingang bekommt, den Übernachtungspunkt
aus: gibt es einen Blick nach Westen und nach Osten? Also
für den Sonnenuntergang und -aufgang? Der Bryce Point scheint beide
Voraussetzungen zu erfüllen. Andere haben das auch erkannt. Je tiefer
die Sonne sinkt, um so mehr Menschen sammeln sich außen auf der Klippe,
zu der nur ein schmaler, umzäunter Weg über einen Felsenkamm
führt. Mit der Sonne im Rücken schaut man über das weite
Rund des Bryce Canyon mit seinen goldgelben Steinspitzen, Spindeln, Zinnen
und Schründen. In der Ferne der Mount Powell. Es ist, als blicke man
in ein riesiges Amphitheater, auf dem kein menschliches Drama gespielt
wird, sondern in dem sich Natur selbst in Szene setzt. Felsen wie in Bewegung.
Stein gelöst in filigran aufragenden Säulen und Säulchen,
Stalagmiten ähnlich, gelb und rot mit weißen Häubchen.
Ein Felsenwald. Der richtige Wald ist hinter uns: auf dem Plateau des Canyons:
Pinien, Zedern und Birken. Ja, Birken - wie in einem Stück von Tschechow.
Man glaubt, plötzlich durch Russland zu fahren. Das Hochplateau zieht
sich auf eine Höhe von mehr als 3000 Meter. Vor zwei Jahren habe ich
am Endpunkt, dem Rainbowpunkt, übernachtet und ziemlich gefroren.
Der Bryce-Point liegt niedriger. Ich gehe ein Stück am Rim entlang
- Richtung Parkeingang. Erst führt der Weg nur an den Felsen vorbei,
dann schlängelt er sich ein Stück nach innen, links und rechts
von Bäumen in lichtem Abstand gesäumt. Der Weg nun weich gepolstert
von den Nadeln der Bäume. An einem Vorsprung mit weitem Blick bitten
mich drei Frauen, sie zu fotografieren. Ich mache es gerne - und bitte
sie, auch von mir ein Bild zu machen. Später muß ich feststellen,
daß der Foto immer häufiger streikt und Doppelbilder en masse
produziert. Schöne Bilder gehen so daneben. Die einzige Entschädigung:
das Doppelbild der Beim Warten auf den Sonnenuntergang beobachte ich die Chipmunks, die kleinen zweifarbig gestreiften Hörnchen - vermutlich die Vorbilder von A- und B-Hörnchen der Micky Maus. Sie haben fast alle Scheu verloren. Vor vier Jahren krabbelte mir so ein verwegener Winzling das Bein hoch - während ich den Film wechselte und ausgerechnet diese Nahbegegnung nicht fotografieren konnte. Dafür sehe ich heute dasselbe Spiel bei einem kleinen Mädchen. Dann zwei Chipmunks, die sich gegenseitig verfolgen. In Liebesstimmung? Normalerweise nehmen die Chipmunks die Körner und Nüsse zwischen ihre Vorderpfoten und essen sie, wie wir es von unseren Eichhörnchen kennen. Hier sah ich ein von Touristen verwöhntes fett gewordenes Tier, das gierig die Brösel mit dem Maul direkt vom Boden fraß. Je tiefer die Schatten wandern, um so "plastischer", konturenschärfer
zeigt sich das Felsmeer. Am Ausguck gibt es eine Schautafel, die beschreibt,
wie das Land seinen Namen bekam: von dem Ehepaar Bryce, das hier eine Ranch
aufbaute. "The hell of a place when you look for lost cattle."
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