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Bryce Canyon - Kanab/Utah - Zion National Park - Interstate 15 - Valley of Fire/Nevada Mittwoch, 28. Juni 2000, 6.00 Uhr, Bryce Canyon, Bryce Point Nach dem Sonnenuntergang in allen intensiven Gelbtönen, verkrümeln sich die Touristen sehr schnell. Ich bleibe beim Ausguck, schreibe ins Tagebuch. Als die Dämmerung hereinbricht, hole ich vom Auto Schlafsack und Isomatte - gehe bepackt den Weg zweimal an den Felsen entlang und lasse mich nieder. Kurz nach Mitternacht wecken mich dicke Regentropfen. Es tröpfelt. Ich warte erst noch, möchte gerne weiterschlafen. Ein Gewitter scheint es nicht zu sein. Zehn Minuten lang warte ich - der Regen wird stärker. Ich kann es nicht riskieren, daß die Decken und der Schlafsack richtig naß werden. So bleibt mir nichts anderes übrig, als aus dem Schlafsack zu kriechen. Es geht nur mühsam. Ich bin müde. Als ich die Schuhe endlich richtig herum angezogen habe, hört es auf zu regnen! Ich bleibe beim Entschluß, zum Auto zu gehen. Wieder schleppe ich zweimal alles am Abgrund entlang. Ohne Taschenlampe würde ich mich diesen Weg nicht wagen. So geht es. Allerdings noch vor Jahren undenkbar. Frustriert krieche ich ins Auto, schlafe schlecht. In der Morgendämmerung werde ich durch herankommende Autos geweckt. Die ersten Frühaufsteher, die zum Sonnenaufgang herkommen. Es ist kalt. Die Nacht war trocken geblieben. Ich hätte draußen bleiben können. Aber man weiß es immer erst hinterher. Wie zur Bestätigung beginnt es, schwach zu tröpfeln, hört aber gleich wieder auf. In meine zwei Decken gehüllt (wie praktisch, daß ich sie habe!), warte ich unter einem riesigen Pinienbaum auf den Sonnenaufgang. Eine Freude kriecht durch mich hindurch, löst alles in Heiterkeit auf. Vor mir fliegen die Raben, erkunden den Morgen. Zur Religion der Navajos gehört es, die Sonne am Morgen zu begrüßen. Die Sonne darf einen nicht schlafend im Hogan oder Zelt antreffen. Man sollte kein Muß daraus machen. Es ist ein großes Glück, die Sonne aufgehen zu sehen. Wenn der Blick ungebrochen bis zum Horizont reicht, öffnet sich die Seele, und die Strahlen der Sonne wärmen nicht nur den Körper, sondern beschwingen den Geist. Kein Wunder, daß die Vögel in Vorfreude auf die Sonne singen. Die Wissenschaft rechnet seit Darwin nur noch mit dem Egoismus als Verhaltensmuster: Revierabgrenzung, Werbeverhalten, Durchsetzen gegen Rivalen. Wie arm unsere Weltsicht dadurch wird. Wir haben Freude und Glück aus unserem Denk- und Weltbild ausgeblendet und wundern uns dann, warum wir das Dasein für leer und sinnlos halten. "Woher willst Du wissen, daß die Vögel Freude empfinden?" Hält mir ein innerer Wissenschaftler vor, und in etwas schiefer Analogie zu Dschuang Dsi antworte ich: An meiner Freude am Sonnenaufgang erkenne ich die Freude der Vögel. (An meiner Freude am Gehen erkenne ich die Freude der Fische am Schwimmen - das trifft es natürlich präziser und ist nicht ganz so anthropozentrisch wie mein Argument). Ich bin noch zu den anderen beiden Points nahe beim Bryce Point gefahren, die nach dem Sonnenaufgang fast menschenleer sind. Der Marsch hinauf zum obersten Ausguck des Pariah Point tut an diesem kalten Morgen richtig gut. Am Inspiration Point ist überhaupt niemand. Dafür sehe ich am Waldrand eine Hirschkuh, die sich von mir nicht stören läßt. Die vorwitzigen Chipmunks sind selbstredend überall dabei. Diesen Morgen nutze ich, um im Camp wieder einmal die zivilisatorischen Segnungen zu genießen: Dusche, Haare waschen, Wäsche waschen. Es gibt einen Laundromat. Also Marken im Shop besorgt, auch fürs Trocknen, dann unter die Dusche, dann Frühstück unter Bäumen. Zwischendurch die Wäsche aus der Waschmaschine in den Tumbler gesteckt. Als ich mit Frühstück fertig bin, kann ich die Wäsche trocken und duftend abholen. In der Ferne grummelt es schon wieder. Es gibt dicke Wolken überall. Ich möchte dem Monsun und den Nächten im Auto entkommen. Warum nicht nach Nevada fahren? Auf der Straßenkarte des AAA ist ein Foto vom "Valley of Fire". Sieht vielversprechend felsig und trocken aus. Also werde ich mich nach Osten halten. Und bei der Fahrt ein Wiedersehen mit dem Zion Park und Kanab feiern. Ich mache eine Schleife über Kanab, wo ich vor vier Jahren ein paar Tage übernachtete, um die großen Nationalparks: Zion, Bryce und Grand Canyon (Nord- und Südkante) kennenzulernen. Ein Gedenkgruß geht an die Coral Pink Sand Dunes und den Kanab Creek, wo ich immer frühstückte. Das Straßenbild von Kanab hat sich nur wenig verändert. Das Treasury Trail Motel steht noch da. Nur die Tankstelle schräg gegenüber hat einem Shop Platz gemacht. Ich fahre die Hauptstraßen entlang - finde ein einladendes mexikanisches Restaurant, Escobar, bei dem ich eine riesige und sehr gute Geflügel Salad-Taco esse. Im Lokal liegen Infobroschüren über den Ort aus. Die hat es damals noch nicht gegeben oder ich hatte ihr Vorhandensein nicht bemerkt. Jetzt werden in der Broschüre über zwei volle Seiten alle Filme aufgelistet, die hier gedreht wurden. Eine stattliche Zahl von Western ist seit 1924 zustandegekommen, darunter "Trommeln am Mohawk" mit Henry Fonda und Claudette Colbert, "Stagecoach" oder Ringe mit John Wayne, "Union Pacific", "Arabian Nights", "Mein Freund Flicka" - die Verfilmung des Kinderbuches, "Westward the Women" mit Robert Taylor, "Der Regenmacher" mit Burt Lancaster und Katherine Hepburne, "The greatest Story ever told" (Das war der Wilde Westen?), "The Outlaw Josie Wales" mit Clint Eastwood.. Zion Park. Schon die Straße stimmt einen auf die Farben ein, die einen hier erwarten: sie ist mit rotem Belag asphaltiert! Dann kommen die mächtigen Bergdome. Glatte senkrechte Felswände mehrere hundert Meter hoch: aber oben abgerundet und aus zartestem hellrotem Stein! Die Masse, die Macht ist da - aber die Schroffheit wird durch Farbspiele in Rot- bis Weißschattierungen gemildert, ins Leichte abgewandelt. Diese Berge sind die Mozarts unter ihresgleichen. Beim Herankommen sieht man wieder die Schichten und Lagen - wie dünne Tortenböden oder besser Baumkuchenmaserungen. Und immer wieder versteinerte gequirlte Hefekuchenteige. Zwischendrin geht's im Zickzack auf und ab: die Zeichnungen wie ein Marmorkuchen. Ich muß lachen, weil mir immer nur Bilder aus dem Eßbaren einfallen. Vermutlich bin ich in tiefster Natur durch und durch verfressen. Oder ich bin die Nachfahrin einer Köchin oder Bäckerin. Ich habe ja als Teenie selbst gerne gebacken und alle Tortenkreationen ausprobiert, die meine Eltern noch willig waren zu kosten. Also nun anders: die Schichten türmen sich übereinander wie Jahresringe von Bäumen, wie Schieferblättchen oder Blätterteig (!). Felshügel wie riesige Brüste - und zwischendurch führt die Straße sogar durch einen Tunnel - mit atemberaubenden Fensterdurchbrüchen zur Schlucht. Nur halten darf man nicht. Der Verkehr wird einspurig geführt. Man kommt nur pulkweise voran. Vor den Tunneleingängen muß man mit Wartezeiten rechnen. Man ist froh, daß man endlich fahren darf und trödelt nicht herum, damit die von der Gegenseite nicht zu lange warten müssen. Erst draußen gibt es wieder Haltebuchten und Aussichtspunkte. Die eigentlichen "Sehenswürdigkeiten" des Parks liegen in einer Seitenschlucht, die man besser mit dem Shuttlebus fährt, weil kaum ein Durchkommen ist. Ich lasse diesmal das Seitental aus, auch das Imax Kino, in dem Zion auf der Leinwand erleben kann. Ich frage mich nur: wozu Leinwand, wenn man alles vor der Nase hat? Der Virginriver hat diesen Canyon gegraben. Durch seiner Schluchten führt auch die Interstate 15, auf die man hinter Hurricane stößt. Auch hier möchte man am liebsten jeden Meter anhalten, schauen, fotografieren - und darf es nicht. Im Gegenteil - hier donnern die Trucks um die Kurven, überholen sogar, wenn man nur ein bißchen im Tempo nachläßt. In ihrem Windsog muß man höllisch auf das Lenkrad aufpassen. In der Schlucht gibt es ohnehin oft heftige Seitenwinde. Man mußt ganz konzentriert fahren - "Verweile doch, hier ist es so schön", möchte man sich und jedem zurufen - und rast wie alle anderen durch die Schönheit hindurch. Dann kommen die langen Ebenen von Nevada bis Las Vegas. Ich verlasse aber schon viel früher den Highway: bei Glendale, die kleine Landstraße, die nach Overton führt und dann zum Valley of Fire. Ich merke erst nach Overton, daß der Tank schon ziemlich leer ist. Darum fahre ich an der Abzweigung zum Valley erstmal vorbei, vier Meilen weiter zu Overton Beach am Lake Mead. Erfahrungsgemäß gibt es an solchen Punkten eine Tankstelle. Und da ist sie auch. Der Lake Mead ist der erste See, der durch die Aufstauung des Colorado
entstand. Blaues Wasser mitten in der Wüste. Und der kleine Marina
- ein Badeort oder besser Badefleck. Das einzige Gebäude beherbergt
die Tankstelle, den Shop und Umkleideräume. Die Straße endet
am Wasser - zum Wasserlassen der Boote. Das hervorstechende Merkmal bei
solchen Flecken sind die Bootslandestege. Von einem Strand, gar Sandstrand
ist nichts zu sehen. Die Amerikaner mieten oder haben Boote - von dort
aus springen sie ins Wasser. Nicht vom Land aus. Ich hatte gehofft, hier
vielleicht einen schönen einsamen Übernachtungsplatz zu finden,
hier gibt's nur den Parkplatz für die Autos und die Boote. Also zum
Valley of Fire. Die kleine Landstraße führt auf niedrige Hügel
zu. Hier ist die Erde teilweise schwarz - es sind nicht nur die Schatten
durch die niedrig stehende Sonne. Faszinierend im Gegenlicht die kleinen
Creosotbüsche mit kleinen hellen Beeren.
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