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Valley of Fire - Henderson, Las Vegas, Red Rock State Park, Indian Springs, Charleston/Mountain, Nevada

Donnerstag, 29. Juni 2000, 7.30 Uhr, Valley of Fire, Nevada

Das war wieder eine unruhige Nacht. Ein kleiner Sturm wirbelte den Sand auf, daß ich die Keffiya immer wieder festzurren mußte, um das Gesicht zu schützen. In der Ferne, über dem Lake Meade, gab es Wetterleuchten. Von meinem Platz hatte ich einen ganz weiten Blick zurück ins Tal. Abends hatte noch jemand lange den Generator an seinem Wohnmobil laufen lassen. Ich hasse diesen unnötigen Krach. Wozu in die Natur gehen und dann die ganze Zivilisation und den ganzen Lärm mitschleppen? Am letzten Abend in Monument Valley hatte eine Gruppe Jugendlicher einen Radioplayer dabei und voll aufgedreht. Es dröhnte über den ganzen Platz. Vielleicht ist es ja auch eine persönliche Idiosynkrasie. Die Trommel gefiel mir, ebenso die Gitarre. Ich meine, es ist ein Unterschied, ob jemand tatsächlich auf einem Instrument spielt oder nur eine Konserve abnudelt. Vor ein paar Monaten las ich über ein Projekt von Christoph Schlingensief: er  brachte Wagners "Ring des Nibelungen" in die Namibwüste. Nicht um die Opern dort aufzuführen - sondern um durch das Land zu fahren und mit Riesenlautsprechern die Wüste zu beschallen! Der Bericht steht im Internet: 
Zitate von der Startseite:
    "Wagnertour vom 27.12.1999 bis 11.1.2000 quer durch Namibia. Gestartet waren 12 Jeeps ab Windhoek. Höhepunkte war die Wagnerbeschallung des Fish-River Canon am 31.12.1999, die Beschallung der Robben am 5.1.2000 und die hereinbrechende Sintflut ab 8.1.2000."
Der Geist des Kolonialismus regiert immer noch. Immer muß die weiße Kultur den Rest der Welt "beglücken" und mit den eigenen Ideen, diesmal mit Musik zudröhnen. Wann lernen wir, zuzuhören? Können wir überhaupt einmal still sein und das andere, zum Beispiel die Wüste, überhaupt zulassen?

Der Sonnenaufgang im Valley of Fire entschädigt für alles. Nur eine Ameise biß mich sehr schmerzhaft in die Hand - der Himmel und die Ameise mögen wissen, warum. Fettcreme auf die Stichstelle hilft.

Beim Frühstück nähern sich wie gestern abend Spatzen und Chipmunks. Offensichtlich sind sie es gewohnt, von Menschen versorgt zu werden. Vor allem die Spatzen (oder was wie Spatzen aussieht), inspizieren eingehend Tisch und Bänke und sind enttäuscht, daß sie keine Brotkrümel finden. Also streue ich ein paar Sonnenblumenkerne von meinem Müsli. Vor allem aber zieht es sie zur Wasserzapfstelle. Ich lasse etwas Wasser laufen, bis sich die Vertiefung im Stein gefüllt hat. Die Spatzen trinken. Ebenso die Chipmunks und eine Eidechse, die vorsichtig über den Felsen herangekrochen kommt. Als ich sie fotografieren will, erschrecken sie meine Bewegungen, und sie schlüpft davon, kommt aber glücklicherweise wieder, und diesmal halte ich still. 
Beim Visitor Center gibt es außen und innen Lehrpfade, Schauräume, die die Wüste und ihre Bewohner beschreiben. Sehr informativ gemacht. Ich verwirre eine Rangerin, weil ich sie nach einem ruhigeren Plätzchen zum Übernachten frage. Sie rät mir zum Charleston Mountain nördlich von Las Vegas. Außerdem sei es dort sehr viel kühler. 

Hinter dem Visitor Center führt ein "Scenic Byway" ins Hinterland des Valley of Fire. Ich muß gestehen, ich bin schon so verwöhnt von der Schönheit der Wüstenlandschaften, daß mich das Valley of Fire bisher nicht sonderlich hingerissen hat. Die roten Felswände, zu deren Füßen ich geschlafen habe, sind in diesen Gegenden an der Tagesordnung. Schön waren die "Beehives", die steinernen Bienenkörbe nahe dem Campground. Drei rote Felsen aus Navajostein, geschichtet und täuschend echt gerundet wie Bienenkörbe. Nur die Bienen fehlten. 
Die kleine Straße führt nun in eine Schlucht. Jetzt erkenne ich die Felsen vom Foto der Straßenkarte (allerdings im Rückspiegel). Beim ersten und zweiten Haltepunkt hat man den Blick zurück auf die Straße, die sich lange zwischen den Felswänden schlängelt. Nach dem Passieren der Schlucht beginnt das Farbenspiel. Weiße Felsen, rote Felsen, braune Felsen, gestreifte Felsen, runde Felsen, spitze Felsen - und ein ganz weiter Blick in diese Felsenlandschaft. Nicht durch ihre Größe, sondern durch ihre Form fällt mir eine kleine Felsgruppe ins Auge: wie Törtchen oder Spielchips liegen zwei wiederum in sich geschichtete Felsscheiben schräg auf einer Platte. Die möchte ich von nahem fotografieren. Fahre aber erst weiter und hebe sie mir für den Rückweg auf. Die Straße führt durch eine abenteuerlich bizarre Landschaft. Ich begegne nur wenigen Autos und Touristen. Trotzdem bleibe ich nicht im Tal, an dessen Ende ein Rastplatz liegt. Der Charleston Mountain lockt. 

Ich wähle die Landstraße wieder an Overton Beach vorbei über Henderson. Wenn ich schon so nahe an Las Vegas bin, möchte ich auch noch den Red Rock State Park besuchen, den ich bei den früheren Reisen auslassen mußte. Die Fahrt nach Henderson ist - wie so oft - von vielen Fotografierstops unterbrochen. Die Felsenberge weisen eine Form- und Farbvielheit in immer neuen Überraschungen auf. Links blitzt einmal der Lake Meade durch. Es gibt auch weitere Abzweige zum See - d.h. zu Bootsanlegestellen. Völlig überraschend stehen auf der Bergseite plötzlich Palmen zwischen in den Felsen. Zwei kleine Oasen kurz hintereinander. Ich biege zur zweiten ab - dort gibt es sogar einen großen Parkplatz - und einen Teich, der von einem Bach gespeist wird. Ein Pärchen tummelt sich verliebt im Wasser. Sie lachen und laden mich ein. Ich danke ebenso lachend und setze mich ein bißchen abseits unter eine Palme ans fließende Wasser und hänge die Füße hinein. 
Die Ruhe bleibt nicht lange. Kurz nach mir kommt ein Bus. Die Insassen strömen überall hin. Die Stille des Ortes ist weg. Ich fahre lieber weiter. Die Straße führt über einen Paß. In der Ferne eine Bergkette, die aussieht, als sei gerade ein Vulkan ausgebrochen: Eine braune Schicht überzipfelt rote Felsen, so daß die Erde wie eingerissen aussieht - und zwischen den Rissen schaut noch die noch rotglühende Lava hervor. Bei Henderson überquert man den Colorado, der als mageres Flüßchen hier fließt - nur wenig Wasser, das der aufgestaute See herausläßt. Wie hat man diesen Fluß gezähmt, der diese ganze Landschaft mit seiner wilden Wassermacht durchfräst und geschliffen hat!

Als ich in Henderson tanke, merke ich, daß ich in Nevada bin: die Bingos im Tankstellenshop. Hier spielt das Normalvolk. Nicht die Reichen, nicht die Touristen. Auf diese Weise zieht der Staat Nevada seine Steuern ein. Einkommenssteuern gibt es nicht. Man kann sich auf den Spieltrieb der Touristen und der Einheimischen verlassen. 

Ich fahre durch die Außenbezirke von Las Vegas. Viel Verkehr - finde auch gut an Hand der Karte den Red Rock State Park. Irgendwie bin ich nicht mehr ganz aufnahmefähig oder schon zu gesättigt von Schönheit. Ich durchfahre den Loop, steige ein paar Mal aus, fotografiere. Vor allem gleich zu Beginn gibt es wieder eine abenteuerliche Felslandschaft. Im Visitor Center frage ich noch einmal nach abgelegenen Seitenstraßen und -wegen. Gerade jetzt in den Neumondnächten möchte ich klar die Sterne sehen können ohne störende künstliche Beleuchtung von Campgrounds oder Städten. Ich zeige der Rangerin die Karte. Östlich von der 95 ist doch ein Riesengebiet als Wildlife gekennzeichnet. Sie weiß nichts über die Straßen, über ihren Zustand, ob man mit einem Kompaktauto sie befahren kann oder ein geländegängiges Fahrzeug braucht. Sie empfiehlt mir aber eine noch abgelegenere Seitenstraße zum Mount Charleston - bei Indian Springs biege sie ab. Dort sei man auch von den Lichtern von Las Vegas weit genug entfernt. Dorthin will ich fahren. Muß wieder durch Las Vegas, dann auf die immer freier werdende 95. Links die hohe Kette des Charleston Mountain, rechts eine ebenso hohe Kette, die das WildlifeGebiet umfaßt. Hier gibt es viele Militärlager. Es ist ein gutes Stück zu fahren und schon später Nachmittag. 

Indian Springs ist ein kleines Nest entlang der Landstraße. Ich suche den Abzweig, finde ihn nicht, frage in der kleinen Tankstelle.  Ich muß zurückfahren, etwa 6 Meilen zum Abzweig des Nationalgefängnisses.  Eine Riesenanlage, mehrere Gebäudekomplexe links und rechts der schmalen Landstraße. Wie eine gerade Linie steigt die Straße langsam auf die Höhe, Richtung Toiyabe. Links und rechts wachsen Joshua Trees. Ich freue mich, wenn ich diese Bäume sehe. In ihrem bizarren Wuchs verteilen sie sich so großzügig weitläufig in der Landschaft, daß die Wüstenlandschaft auf einmal heiter luftig wirkt. Ich fahre eine gute halbe Stunde. Weiter oben liegt der Ort Toiyabe. Vor dem Ort hat man eine wunderbare Aussicht zurück ins Tal und auf die Berge gegenüber. Ich steige aus, fotografiere. Ein rotes Sportauto braust vorbei, bremst etwas ab. Zwei junge Männer drin, die mich erstaunt mustern, aber weiterfahren. Als ich weiterfahre, zeigt der Tank auf einmal nur halbe Füllung an. Unten auf der 95 war er noch dreiviertel voll. Soviel sollte ich eigentlich nicht verbraucht haben. Im Ort steht ein Schild: Bitte Ruhe halten - nicht schießen. Kurz danach verwandelt sich die Straße in eine Schotterpiste. Die Rangerin hatte mir gesagt, daß die Straße durchgängig asphaltiert sei! Der Ort liegt höchstens auf Drittelhöhe des Berges! Ich fahre entmutigt ein Stück weiter - da steht das Sportauto. Die zwei jungen Männer sind draußen im Gelände und ballern herum! Die Straße wird sehr eng. Es hat keinen Sinn. Mit diesem Auto komme ich nicht den Berg hoch. Dann noch das Problem mit dem Tank. Da oben gibt es garantiert keine Tankstelle. Ich kehre um. Außerdem merke ich, daß ich ziemlich blöd war: wie soll ich die Sterne in der Dunkelheit sehen können, wenn unten das Staatsgefängnis mit Riesenscheinwerfern taghell beleuchtet sein wird! Auf der Fahrt nach unten zeigt die Tanknadel auf einmal wieder dreiviertel Fülle an! Die Steigung! Aber so groß sollte der Unterschied in der Anzeige beim Bergauf- bzw. abfahren nicht sein! Um auf den Berg zu kommen, muß ich die 156 oder 157 nehmen. Aber vorher doch noch einmal zurück nach Indian Springs zum Tanken. Als ich unten am Gefängnis vorbeikomme, geht ein Häftling über die Straße. In gestreifter Kleidung. So brauchen sie nicht einmal eingesperrt zu sein. Ein schrecklicher Anblick. Wie Zuchthäusler in Deutschland vor Urzeiten. Irgendwo in Arizona gibt es sogar einen Sheriff, der die Gefangenen in Ketten zu öffentlichen Zwangsarbeiten schickt. Unter dem Beifall der Mehrheit. 

Während der Fahrt nach Indian Springs geht die Sonne unter. Schade, daß ich dieses goldgelbe Farbenspiel heute nicht richtig genießen kann. Diesmal fahre ich zur Tankstelle auf der anderen Straßenseite. Sie ist größer, hat die großen Reklamelichter. Nebenan ist eine Bar. Bar und Tankstelle scheinen ein Treffpunkt für Trucker zu sein. Und wieder überall die Bingos. In der Abenddämmerung fahre ich zurück nach Norden, zur Route 156, etwa 17 Meilen noch. Schon im grauen Abendlicht geht es wieder hinauf zum Mount Charleston. Ich suche nach einer kleinen Seitenstraße, wo ich übernachten kann. Zwei-, dreimal geht es links oder rechts ab - aber immer von der Hauptstraße zu übersehen. Dann finde ich eine schöne Seitenstraße und ein Plätzchen, wo ich den Schlafsack ausbreiten kann. Vor mir der Blick ins Tal und zu den Wildlifebergen, wo es ständig wetterleuchtet. Ein wunderbarer Anblick. Nachts wache ich auf. Ich höre ein Auto auf der Hauptstraße. es bremst, hält nah an der Kreuzung. Ich höre Türenschlagen, Schritte, Männerstimmen. Was haben die hier um diese Zeit zu suchen? Ich bleibe ganz still liegen. Sehr lange. Immer noch Stimmen. Dann wird ein Auto angelassen, fährt weg. Ich atme beruhigt auf, aber ein Gefühl von Gefahr bleibt. Vor dem inneren Auge plötzlich das Bild einer hageren Figur, in Tücher gehüllt, die vorne an der Straße wartet. Ich halte mich noch immer ruhig. Dann - es müssen fünf bis zehn lange Minuten vergangen sein, springt wieder ein Auto an, fährt davon! Jetzt ist die Luft rein, und ich schlafe ziemlich gut und ungestört durch.

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