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Valley of Fire - Henderson, Las Vegas, Red Rock State Park, Indian Springs, Charleston/Mountain, Nevada Donnerstag, 29. Juni 2000, 7.30 Uhr, Valley of Fire, Nevada Das war wieder eine unruhige Nacht. Ein kleiner Sturm wirbelte den Sand
auf, daß ich die Keffiya immer wieder festzurren mußte, um
das Gesicht zu schützen. In der Ferne, über dem Lake Meade, gab
es Wetterleuchten. Von meinem Platz hatte ich einen ganz weiten Blick zurück
ins Tal. Abends hatte noch jemand lange den Generator an seinem Wohnmobil
laufen lassen. Ich hasse diesen unnötigen Krach. Wozu in die Natur
gehen und dann die ganze Zivilisation und den ganzen Lärm mitschleppen?
Am letzten Abend in Monument Valley hatte eine Gruppe Jugendlicher einen
Radioplayer dabei und voll aufgedreht. Es dröhnte über den ganzen
Platz. Vielleicht ist es ja auch eine persönliche Idiosynkrasie. Die
Trommel gefiel mir, ebenso die Gitarre. Ich meine, es ist ein Unterschied,
ob jemand tatsächlich auf einem Instrument spielt oder nur eine Konserve
abnudelt. Vor ein paar Monaten las ich über ein Projekt von Christoph
Schlingensief: er brachte Wagners "Ring des Nibelungen" in die Namibwüste.
Nicht um die Opern dort aufzuführen - sondern um durch das Land zu
fahren und mit Riesenlautsprechern die Wüste zu beschallen! Der Bericht
steht im Internet:
Der Sonnenaufgang im Valley of Fire entschädigt für alles. Nur eine Ameise biß mich sehr schmerzhaft in die Hand - der Himmel und die Ameise mögen wissen, warum. Fettcreme auf die Stichstelle hilft. Beim Frühstück nähern sich wie gestern abend Spatzen
und Chipmunks. Offensichtlich sind sie es gewohnt, von Menschen versorgt
zu werden. Vor allem die Spatzen (oder was wie Spatzen aussieht), inspizieren
eingehend Tisch und Bänke und sind enttäuscht, daß sie
keine Brotkrümel finden. Also streue ich ein paar Sonnenblumenkerne
von meinem Müsli. Vor allem aber zieht es sie zur Wasserzapfstelle.
Ich lasse etwas Wasser laufen, bis sich die Vertiefung im Stein gefüllt
hat. Die Spatzen trinken. Ebenso die Chipmunks und eine Eidechse, die vorsichtig
über den Felsen herangekrochen kommt. Als ich sie fotografieren will,
erschrecken sie meine Bewegungen, und sie schlüpft davon, kommt aber
glücklicherweise wieder, und diesmal halte ich still.
Hinter dem Visitor Center führt ein "Scenic Byway" ins Hinterland
des Valley of Fire. Ich muß gestehen, ich bin schon so verwöhnt
von der Schönheit der Wüstenlandschaften, daß mich das
Valley of Fire bisher nicht sonderlich hingerissen hat. Die roten Felswände,
zu deren Füßen ich geschlafen habe, sind in diesen Gegenden
an der Tagesordnung. Schön waren die "Beehives", die steinernen Bienenkörbe
nahe dem Campground. Drei rote Felsen aus Navajostein, geschichtet und
täuschend echt gerundet wie Bienenkörbe. Nur die Bienen fehlten.
Ich wähle die Landstraße wieder an Overton Beach vorbei über
Henderson. Wenn ich schon so nahe an Las Vegas bin, möchte ich auch
noch den Red Rock State Park besuchen, den ich bei den früheren Reisen
auslassen mußte. Die Fahrt nach Henderson ist - wie so oft - von
vielen Fotografierstops unterbrochen. Die Felsenberge weisen eine Form-
und Farbvielheit in immer neuen Überraschungen auf. Links blitzt einmal
der Lake Meade durch. Es gibt auch weitere Abzweige zum See - d.h. zu Bootsanlegestellen.
Völlig überraschend stehen auf der Bergseite plötzlich Palmen
zwischen in den Felsen. Zwei kleine Oasen kurz hintereinander. Ich biege
zur zweiten ab - dort gibt es sogar einen großen Parkplatz - und
einen Teich, der von einem Bach gespeist wird. Ein Pärchen tummelt
sich verliebt im Wasser. Sie lachen und laden mich ein. Ich danke ebenso
lachend und setze mich ein bißchen abseits unter eine Palme ans fließende
Wasser und hänge die Füße hinein.
Als ich in Henderson tanke, merke ich, daß ich in Nevada bin: die Bingos im Tankstellenshop. Hier spielt das Normalvolk. Nicht die Reichen, nicht die Touristen. Auf diese Weise zieht der Staat Nevada seine Steuern ein. Einkommenssteuern gibt es nicht. Man kann sich auf den Spieltrieb der Touristen und der Einheimischen verlassen. Ich fahre durch die Außenbezirke von Las Vegas. Viel Verkehr - finde auch gut an Hand der Karte den Red Rock State Park. Irgendwie bin ich nicht mehr ganz aufnahmefähig oder schon zu gesättigt von Schönheit. Ich durchfahre den Loop, steige ein paar Mal aus, fotografiere. Vor allem gleich zu Beginn gibt es wieder eine abenteuerliche Felslandschaft. Im Visitor Center frage ich noch einmal nach abgelegenen Seitenstraßen und -wegen. Gerade jetzt in den Neumondnächten möchte ich klar die Sterne sehen können ohne störende künstliche Beleuchtung von Campgrounds oder Städten. Ich zeige der Rangerin die Karte. Östlich von der 95 ist doch ein Riesengebiet als Wildlife gekennzeichnet. Sie weiß nichts über die Straßen, über ihren Zustand, ob man mit einem Kompaktauto sie befahren kann oder ein geländegängiges Fahrzeug braucht. Sie empfiehlt mir aber eine noch abgelegenere Seitenstraße zum Mount Charleston - bei Indian Springs biege sie ab. Dort sei man auch von den Lichtern von Las Vegas weit genug entfernt. Dorthin will ich fahren. Muß wieder durch Las Vegas, dann auf die immer freier werdende 95. Links die hohe Kette des Charleston Mountain, rechts eine ebenso hohe Kette, die das WildlifeGebiet umfaßt. Hier gibt es viele Militärlager. Es ist ein gutes Stück zu fahren und schon später Nachmittag. Indian Springs ist ein kleines Nest entlang der Landstraße. Ich suche den Abzweig, finde ihn nicht, frage in der kleinen Tankstelle. Ich muß zurückfahren, etwa 6 Meilen zum Abzweig des Nationalgefängnisses. Eine Riesenanlage, mehrere Gebäudekomplexe links und rechts der schmalen Landstraße. Wie eine gerade Linie steigt die Straße langsam auf die Höhe, Richtung Toiyabe. Links und rechts wachsen Joshua Trees. Ich freue mich, wenn ich diese Bäume sehe. In ihrem bizarren Wuchs verteilen sie sich so großzügig weitläufig in der Landschaft, daß die Wüstenlandschaft auf einmal heiter luftig wirkt. Ich fahre eine gute halbe Stunde. Weiter oben liegt der Ort Toiyabe. Vor dem Ort hat man eine wunderbare Aussicht zurück ins Tal und auf die Berge gegenüber. Ich steige aus, fotografiere. Ein rotes Sportauto braust vorbei, bremst etwas ab. Zwei junge Männer drin, die mich erstaunt mustern, aber weiterfahren. Als ich weiterfahre, zeigt der Tank auf einmal nur halbe Füllung an. Unten auf der 95 war er noch dreiviertel voll. Soviel sollte ich eigentlich nicht verbraucht haben. Im Ort steht ein Schild: Bitte Ruhe halten - nicht schießen. Kurz danach verwandelt sich die Straße in eine Schotterpiste. Die Rangerin hatte mir gesagt, daß die Straße durchgängig asphaltiert sei! Der Ort liegt höchstens auf Drittelhöhe des Berges! Ich fahre entmutigt ein Stück weiter - da steht das Sportauto. Die zwei jungen Männer sind draußen im Gelände und ballern herum! Die Straße wird sehr eng. Es hat keinen Sinn. Mit diesem Auto komme ich nicht den Berg hoch. Dann noch das Problem mit dem Tank. Da oben gibt es garantiert keine Tankstelle. Ich kehre um. Außerdem merke ich, daß ich ziemlich blöd war: wie soll ich die Sterne in der Dunkelheit sehen können, wenn unten das Staatsgefängnis mit Riesenscheinwerfern taghell beleuchtet sein wird! Auf der Fahrt nach unten zeigt die Tanknadel auf einmal wieder dreiviertel Fülle an! Die Steigung! Aber so groß sollte der Unterschied in der Anzeige beim Bergauf- bzw. abfahren nicht sein! Um auf den Berg zu kommen, muß ich die 156 oder 157 nehmen. Aber vorher doch noch einmal zurück nach Indian Springs zum Tanken. Als ich unten am Gefängnis vorbeikomme, geht ein Häftling über die Straße. In gestreifter Kleidung. So brauchen sie nicht einmal eingesperrt zu sein. Ein schrecklicher Anblick. Wie Zuchthäusler in Deutschland vor Urzeiten. Irgendwo in Arizona gibt es sogar einen Sheriff, der die Gefangenen in Ketten zu öffentlichen Zwangsarbeiten schickt. Unter dem Beifall der Mehrheit. Während der Fahrt nach Indian Springs geht die Sonne unter. Schade, daß ich dieses goldgelbe Farbenspiel heute nicht richtig genießen kann. Diesmal fahre ich zur Tankstelle auf der anderen Straßenseite. Sie ist größer, hat die großen Reklamelichter. Nebenan ist eine Bar. Bar und Tankstelle scheinen ein Treffpunkt für Trucker zu sein. Und wieder überall die Bingos. In der Abenddämmerung fahre ich zurück nach Norden, zur Route 156, etwa 17 Meilen noch. Schon im grauen Abendlicht geht es wieder hinauf zum Mount Charleston. Ich suche nach einer kleinen Seitenstraße, wo ich übernachten kann. Zwei-, dreimal geht es links oder rechts ab - aber immer von der Hauptstraße zu übersehen. Dann finde ich eine schöne Seitenstraße und ein Plätzchen, wo ich den Schlafsack ausbreiten kann. Vor mir der Blick ins Tal und zu den Wildlifebergen, wo es ständig wetterleuchtet. Ein wunderbarer Anblick. Nachts wache ich auf. Ich höre ein Auto auf der Hauptstraße. es bremst, hält nah an der Kreuzung. Ich höre Türenschlagen, Schritte, Männerstimmen. Was haben die hier um diese Zeit zu suchen? Ich bleibe ganz still liegen. Sehr lange. Immer noch Stimmen. Dann wird ein Auto angelassen, fährt weg. Ich atme beruhigt auf, aber ein Gefühl von Gefahr bleibt. Vor dem inneren Auge plötzlich das Bild einer hageren Figur, in Tücher gehüllt, die vorne an der Straße wartet. Ich halte mich noch immer ruhig. Dann - es müssen fünf bis zehn lange Minuten vergangen sein, springt wieder ein Auto an, fährt davon! Jetzt ist die Luft rein, und ich schlafe ziemlich gut und ungestört durch. |
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