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Charleston
Mountain - Pahrump, Death Valley, Bad
Water,
Furnace Creek - Beatty/Nevada - Lida Pass/Nevada
Freitag, 30. Juni 2000, 6.45 Uhr, Route 156, Nevada, halbe Höhe
Drüben bei den Bergen halten sich noch immer die Wolken. Es ist
kalt. Aber ein Sonnenaufgang in allen Farben kündigt sich an. Ich
mache Morgentoilette, fahre dann los - zurück zur Hauptstraße.
Diese Gegend ist mir nicht sicher genug. Ich fürchte, es gibt hier
zu viele Sheriffs und Militär (nämlich auf der anderen Gebirgsseite
der Straße) Zu viele Leute die schießen, die nachts herumfahren.
Vielleicht haben die Aufseher mich gesehen und wundern sich, was eine Frau
allein in der Nähe eines Staatsgefängnisses treibt! Ein Stück
weiter unten auf der Hauptstraße gibt es einen schönen Ausblick.
Ich finde ein Plätzchen auf einem umgestürzten Joshua Tree und
frühstücke, schreibe dort. Aus dem Joshuastamm sprießen
seitlich neue Triebe heraus. Ein Teil der Wurzeln des Hauptstamms steckt
noch in der Erde und kann Stamm und Neutriebe versorgen.
Ich beschließe, weiter nach Norden zu fahren. Hinter Tonopah
ist die Strecke der 378 laut Karte mit "scenic" gekennzeichnet. Aber zuvor
will ich noch ein Wiedersehen mit Death Valley feiern. Ich mache einen
Umweg über Pahrump, fahre dann bis Shoshone und von dort durch Death
Valley zurück auf die 95 bei Beatty.
Die Strecke nach Pahrump ist diesmal relativ stark befahren. In Pahrump
selbst entdecke ich an der Tür der Tankstelle ein kleines Schild:
Zutritt nur für maximal fünf Studenten/Schüler auf einmal.
Drinnen frage ich nach dem Grund. Sie: in der Nähe sei eine Schule.
Wenn die Schüler den Laden stürmten, bräche das totale Chaos
aus. Trotzdem: so ein Schild habe ich noch nirgends gesehen. Also hole
ich die Kamera und halte drauf.
Ich bin froh, daß die Straße nach Shoshone schon viel leerer
ist. Bei Shoshone kommt mir allerdings in einer Kurve ein Riesentruck in
voller Fahrt entgegen. Sein Anhänger schlenkert über meine Fahrbahn,
ich kann gerade noch ausweichen. Ich bin froh, als ich die Stichstraße
nach Badwater, dem Südeingang von Death Valley, erreicht habe. Hier
fährt fast niemand, nur ganz selten kommen Touristenautos entgegen.
Die meisten nehmen die Strecke über Zabriskie Point. Es ist noch ziemlich
früh - die Sonne steht noch im Osten und beleuchtet von meinem Rücken
aus die Landschaft, so daß die Farben und Formen wunderbar zur Geltung
kommen. In Death Valley dann die gleißenden Salzkrusten vertrockneter
Seen. Zum Teil gibt es sogar noch Wasser. Die Straße wellt sich über
die Hügel. Manchmal hat man das Gefühl, Achterbahn zu fahren.
Dann schon weiter nördlich, nahe der Kreuzung zum Zabriskie Point,
geht es los mit den Farben: türkis, dunkelbraun, weiß, rot und
schwarz gestreift, getürmt, geschichtet, geborsten. Eine Landschaft
für Maler - wenn sie sich nicht durch die Vielfalt erschlagen fühlen.
Ich mache Halt in Furnace Creek und im Visitor Center, finde dort neben
Ansichtskarten eine wunderschöne Einkaufstasche mit Navajomustern.
Weiter nach Norden, lasse die Abzweigung zum Zabriskiepoint rechts liegen.
Dann kommt die Straße nach Beatty. Menschen- und autoleer. Sie führt
auf den Corkscrew-Peak zu - den Korkenzieherberg, der seinen Namen mit
den verdrehten Schichtungen um seine Spitze verdient hat. Dann geht es
über Berge, durch Schluchten - um nur wieder ein Wüstental zu
gelangen, an dessen Ende sich gegen die Fahrtrichtung wieder eine Bergkette
erhebt. Jetzt durchfahre ich quer die versteinerten Wellenberge, die ich
vom Flugzeug aus gesehen hatte. Wenn ich mir vorstelle, daß vor hundert
Jahren hier die Trecks diese Berge und Wüstentäler durchquerten
- Männer, Frauen, Kinder zu Fuß, die Maultiere vor dem Karren,
dann bekommt man eine blasse Ahnung von den Strapazen, denen Mensch und
Tier damals ausgesetzt waren. Welche Kraft das gekostet hat - und wieviel
Zähigkeit und Ausdauer es ihnen abgefordert hat!
Am Fuß der nächsten Bergkette leuchtet es weiß. Vermutlich
wieder ein getrockneter Salzsee. Weißer Staub wirbelt auf, hängt
wie Nebel in der Luft. Am Straßenrand kommen jetzt Schilder: "Dust!"
Auf der linken Straßenseite Schuppen mit Türmen und Geräten
- ein Steinbruch mit Fabrikanlage. Der Wind weht heftig und wirbelt Sand
und weißen Staub durcheinander. Der Ort heißt Rhyolite nach
dem hellen vulkanischen Gestein, das hier abgebaut wird. Auch auf der Strecke
von Beatty nach Tonopa sieht man die Arbeit des Windes: große Sandhosen,
die sich am Rande der Bergkette entlangziehen. Beim Aussteigen und Fotografieren
muß ich Hut und sogar Brille festhalten, damit sie nicht davonfliegen.
Schon ziemlich weit im Norden kommt überraschend ein Abzweig: die
Lida Junction. Die hatte ich in der Karte übersehen. Die abzweigende
Straße führt kerzengerade nach Westen auf die Berge zu. Eine
nördliche Verbindungsstraße von der 95 Beatty/Tonopah am Nordrand
von Death Valley vorbei ins Owenstal, Endpunkt Big Pine. Ich merke
mir diese Straße - für den Fall, daß mir die Gegend weiter
nördlich nicht gefällt.
Goldfield und Tonopah sind alte Minenstädte. Vor den Stadtgrenzen
sieht man sieht noch die Reste der verlassenen Minen. Ich fahre ein Stück
den Highway 6 bis zur Junction zur 376 und biege dann ab. Die Straße
ist zwar leer, aber sie führt durch ein sehr breites Tal. Die Berge
links und rechts liegen im Staubdunst. Ich fahre bis zur Kreuzung der 377,
wundere mich, wieso diese Strecke als scenic gekennzeichnet ist, aber nicht
die Strecke von Beatty bis Tonopah, die sehr viel dichter an den Felsketten
vorbeiführt und für das Auge viel mehr Abwechslung bietet. Als
ich kurz hinter der Kreuzung aussteige, mir wieder frischen Grapefruitsaft
presse, merke ich zu spät, daß der Deckel der großen Thermoskanne,
die zum Thermosbehälter gehörte, vom Wind davongeweht wurde.
Schade, jetzt kann ich nur mit der kleinen Feldflasche und dem Autotrinkbecher
die Getränke kalthalten.
Auf der ganzen Strecke gab es keine Straßen, die in die Berge
links oder rechts führten. Nach der Karte wird sich das im weiteren
Verlauf auch nicht ändern. Vielleicht ist es falsch - aber ich beschließe
umzukehren und mich der Lidastraße zuzuwenden. Die Fahrt dauert.
Freitag, 30. Juni 2000, 19.00 Uhr - Abzweig 266 Lidapass, halber
Weg Richtung Silver Peak
Von der Lidastraße, der 266, gibt es zunächst eine Abzweigung
Richtung Death Valley, die mich sehr reizt. Golden Point. Aber dann ist
dies ein Ort, der am Hang der Berge liegt. Ich fahre weiter. Wieder eine
Abzweigung - diesmal nach rechts. Ein ziemlich verwittertes Schild sagt,
daß man hier Joshuafrüchte sammeln kann! Links und rechts der
Straße stehen sie wieder. Ich biege ab, fahre die unasphaltierte
Straße oder besser den Weg entlang, der in die Berge führt und
bald dem Blick von der Hauptstraße entzogen ist. Zwischen sanften
Hügeln schlängelt sich der Weg. Rechts ein Tafelberg aus rotem
und braunem Fels, Mount Jackson. Die Joshuas werden immer dichter. Wunderschön.
Dann kommt eine Gabelung. Ich fahre erst mal die rechte Seite weiter, merke
aber, daß sie in offenes, weites Gelände führt, Richtung
nach Norden, nach Goldfield. Hier ist Viehwirtschaft. Ein Teil des Geländes
ist eingezäunt. Also zurück, die andere Zinke gewählt. Der
Weg führt einen Hügel hinauf, macht einen Bogen. Und dann gibt
es einen kleinen Vorsprung im hügeligen Joshuawald - ferne sieht man
wieder einen Ort. Ich fahre ein Stück zurück, bis durch eine
Biegung der Sichtkontakt mit dem Ort verloren ist. Die Straße ist
breit genug, daß ich seitlich halten kann ohne andere Fahrzeuge zu
blockieren.
Auf dem runden Hügel steht in der Mitte ein riesiger Joshua. Es
gibt genug Platz zum Ausbreiten des Schlafsacks. Der Joshua ist so mächtig,
daß sein Stamm Schatten für mich spenden kann. Ein herrlich
weiter Blick - zum Tafelberg und dann hinunter in die Talebene bis hin
zu den Bergen um Goldfield, die ich nun von ihrer Rückseite sehe.
Im Westen, wo die Sonne untergeht, liegen die californischen Berge. Hier
möchte ich ein paar Tage bleiben. In Ruhe meditieren, schreiben. Das
Konzept vom neuen Roman habe ich geändert. Ich weiß nun, wie
ich die Handlung und Personenführung stimmiger aufbauen kann. Die
wenigen Wolken glänzen in allen Farben, der Wind rauscht.
Die Wolken erinnern mich an Gedanken und Vorstellungen: Unsere
Gefühle heizen Empfindungen auf, lassen Gedanken aufkochen, aufsteigen.
Sie können sich zu ganzen Wolkenbergen und -decken verdichten, so
daß der Himmel und die Sonne nicht mehr durchscheinen. Das sind die
Ideologien, die den Bezug zur konkreten Realität verloren haben und
die Welt grau in grau tauchen. Andererseits geben solche Gedanken-Wolkendecken
Sicherheit: sie spenden Regen und Fruchtbarkeit der Erde. Aber da, wo Gedanken
noch freien Raum lassen, so daß der klare Geist wie die Sonne noch
an den Wolken vorbei durchscheinen kann, dann erkennt man auch die Flüchtigkeit
der Wolken und Gedanken: sie wandern, mal tauchen sie diese, mal jene Gegend
in ihren Schatten. Und im Wechsel von Licht und Schatten erkennt man, daß
sich die Dinge von verschiedenen Standpunkten betrachten lassen. Die eine
Seite ist nicht immer im Schatten, die andere nicht immer in der Sonne.
Im Licht der klaren Sonne, im Licht des klaren Geistes ist alles gut und
schön. In der Dunkelheit scheint alles bedrohlich, schreckerregend.
Mit den Augen der Sonne erkennen wir immer das Gute im Menschen - und sprechen
den Menschen in seinem Besten an. Ja, wir wecken so das Gute oder zumindest
das Vertrauen.
Ich plaziere den Schlafsack wie immer so, daß ich mit dem Kopf
nach Nordosten zum Sonnenaufgang schauen kann.
Freitag, 30. Juni 2000, 19.55 Uhr - Abzweig 266 Lidapass, halber
Weg Richtung Silver Peak
Eben verschwand die Sonne hinter den Bergen. Noch sehr hellgelb - die
Berge sind zu hoch. Es gibt nur wenige Wolken weiter nördlich. Ob
es ein Abendrot geben wird? Die Mesa und die Berge im Osten erhalten noch
Sonnenlicht. Nur allmählich schimmern sie rötlich. Der Wind geht
jetzt sanft, es wir kühler. Aber ich muß mich noch nicht umziehen.
Später liegt um die Berge ein rötlicher Saum. Es wird eine gute
Nacht - nur einmal durch ein herannahendes Autogeräusch unterbrochen.
Aber der Fahrer hält nicht, fährt weiter. Vermutlich nach Silver
Peak, das ganz am Ende der Straße in den Bergen liegt.
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