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Lida Pass - Bristlecone Pine State Park, Big Pine/Calif. - Nordstraße Death Valley

Samstag, 1. Juli 2000, 8.50 Uhr - Abzweig 266 Lidapass, halber Weg Richtung Silver Peak

Es ist schon warm. Ich kann Shorts und T-Shirt tragen. Wind ist wieder aufgekommen, der die zunehmende Hitze erträglich macht. Ich habe gestern abend noch Fledermäuse und Vögel gesehen. Das Auto, das nachts vorbeigekommen ist, hat mich etwas irritiert. Ich breche wieder auf, fahre weiter Richtung Lidapass.

Samstag, 1. Juli 2000, 12.55 Uhr - Route 266, Westgard Paß

Ein wunderschöner Fleck - noch hoch oben direkt nach dem Paß. Ich habe das Auto am Straßenrand geparkt und sitze im Schatten zwei mächtiger Wacholderbäume mit Blick auf die Straße und die hügelige Hochebene. Eine schöne Fahrt, wenn auch anfangs wieder etwas besorgniserregend. Als ich zurück auf die Asphaltstraße komme, höre ich wieder ein merkwürdiges Geräusch beim Fahren. Ich halte ein paar mal und checke die Reifen, löse ein paar Steine aus den Reifen. Aber das Geräusch bleibt. Endlich komme ich auf den Gedanken, einmal unter dem Auto nachzusehen. Ein Ast hat sich verfangen und wird mitgeschleift. Auf der Höhenstraße gab es Gottseidank genug Bäume und Trockenholz. Mit einem großen Ast kann ich den Zweig herausangeln. Ich kann mich nicht erinnern, über einen solchen Zweig gefahren zu sein. Ober der nächtliche Passant aus Ärger über mein Auto mir was drunter gesteckt hat?
Die Straße ist gesäumt von einer Kette blühender Blumen. Die Blüten mit großen weißen Trichterkelchen. Und das bei Death Valley! Aber auch hier hat es geregnet, und die Wüste blüht. Die Straße führte sanft hinauf zum Lidapaß, dann wieder hinunter in ein Tal und gleich wieder hinauf. Palmetto ist eine verlassene Minenstadt. Sie hatte richtige Steinhäuser, die sich einen Hügel hochzogen. Man kann die Ruinen hinaufsteigen. Eine Schautafel erklärt, daß die Siedler die Joshuabäume für Palmen hielten und dem Flecken daher seinen Namen Palmetto gaben. Wieder geht es Berge hinauf - die Straße passiert den Gilbert Paß. Dann hinunter ins Tal und gegenüber erhebt sich die nächste Bergkette. Das Tal ist grün. Es scheint viel Wasser zu geben. Ein Ort oder eine Ranch heißt Deep Springs. Dort gibt es auch eine Versuchsfarm einer Universität. Dann schraubt sich die Straße wieder hinauf zum Westgardpaß. Von oben, direkt nach dem Paß hat man einen großartigen Ausblick zurück ins Tal, und zu den Bergketten dahinter. 

Als ich nach dieser Rast weiterfahre, kommt bald danach eine Abzweigung, die in einen Naturpark, den Bristlecone Natural State Park führt. Ich bin neugierig und fahre hinein. Die Wächterhäuschen sind leer. Auf Schildern steht zwar, daß man Eintritt zahlen muß, aber es gibt nirgends einen Stand oder eine Box, in die man seine Dollarscheine einwerfen kann. Also fahre ich weiter. Plötzlich öffnet sich der Blick - und im Osten sieht man die schneebedeckten Berge der Sierras, die das Owens Valley im Westen abgrenzen. Hohe, mächtige Berge - der Schnee leuchtet unwirklich in die Hitze meiner Bergwelt. Dann kommt ein Campground: Grandview. Ich fahre hinein. Auch hier der herrliche Blick auf die Schneeberge. Aber der Campground ist bis auf den letzten Platz belegt. Es ist nicht nur Samstag und Wochenende: es ist das lange Wochenende von Independence Day am 4. Juli, dem kommenden Dienstag. Der Montag ist für viele auch frei. Halb Californien scheint in die Bergwelt aufgebrochen zu sein. Ich fahre die Straße noch ein Stück weiter und höher zum Sierra View. Am Parkplatz gibt es riesige Schautafeln mit der Abbildung und den Namen der Sierraberge. Mount Whitney, der höchste Berg der USA ist von hier aber nicht zu sehen, obwohl er zu dieser Bergkette gehört. Unten im Tal sieht man Bishop. Ein kleiner Trampelpfad führt noch auf einen Felsvorsprung, von dem aus man einen fast 360 Grad Rundblick hat. Nach Westen zu den Sierras und über Pinien und riesige Wacholderbäume ins Tal, nach Osten zurück zum Westgardpaß und den Bergen von Nevada. Hier ist schon californisches Gebiet. 
Die Bristlecone Pinien sind seltener als die sonst weit verbreiteten Piñon Pinien. Sie sind sehr viel größer. Für den erfahrenen Biologen gibt es sicher noch deutlichere Unterschiede. Ich fahre zurück zur Hauptstraße. Nach einer Stunde durch eine wilde Naturlandschaft und enge Schluchten gelange ich nach Big Pine. Kurz davor passiert man den Abzweig zum Nordeingang von Death Valley. Diese Straße will ich nehmen und dort übernachten. Zuvor aber muß ich noch tanken. 

Samstag, 1. Juli 2000, 19.15 Uhr - Death Valley, Nordstraße, Hanging Rock Canyon

Gegenüber der Tankstelle entdecke ich einen Eissalon - wandere hinüber und bestelle ein Cone mit Chocolate und Strawberry (Erdbeer). Der junge Mann schaut mich etwas verwundert an, dann macht er sich ans Werk. Er fragt noch einmal: mit Cone? Mit der Waffel. Ich bejahe. Als er mein Eis dann bringt, bekomme ich fast einen Lachanfall. Ich habe die amerikanischen Eisdimensionen vergessen. Ein Scoop, ein "Bällchen" wird mit der Spachtel gegriffen und ist eine Portion von einem Viertel Liter. Er hat das Eis auch nicht in eine Waffel getan, sondern in eine Plastikschale - unten die Schokolade, oben die Erdbeerportion. Und oben drauf thront eine kleine Waffel. Umgekehrt aufgesetzt wie ein Zaubererhut. Vermutlich hat mich für leicht bescheuert bis übermäßig gefräßig gehalten. Ich nehme mein Eis und fange an zu essen. Diese zwei Scoops schaffe ich nicht - die schaffen mich, dabei kann ich einiges an Eiscreme verkraften. So eisgekühlt fahre ich zurück Richtung Death Valley. Vor zwei Jahren bin ich diese Strecke schon einmal gefahren. Sie wird nur von wenigen benutzt, weil der größte Teil nicht asphaltiert ist. Es gab eine Stelle, wo es in Serpentinen einen Canyon hinauf- und hinunterging - und Felsen und Steine auf der Piste ließen mich fast aufsitzen. Noch dazu führte die Straße dicht am Abgrund vorbei. Inzwischen bin ich - auch dank dem Valley of the Gods - einiges gewöhnt und sehe der Tour zuversichtlich entgegen. Relativ bald, noch auf der asphaltierten Strecke gibt es links einen Campground oder Rastplatz. Aber er ist mitten unter Bäumen, in einer Senke ohne großen Ausblick. Ich fahre weiter. Vor zwei Jahren hatten viele Wüstenblumen entlang dieser Straße geblüht. Jetzt tragen sie um diese Zeit schon Früchte. Einige blühen noch. Der Regen muß früh gekommen sein. Ich warte auf den Canyon, aber die Straße führt aus den Bergen an einer Mine vorbei auf eine Ebene, so daß ich schon fast glaube, daß die Route geändert wurde oder daß ich geschlafen habe oder alles falsch in Erinnerung hatte. Aber dann, schon in der tiefstehenden Sonne führt die Straße wieder steil hinauf ins Gebirge - und dann kommen die Serpentinen des Hanging Rock Canyon, der erste Blick hinunter ins Death Valley. Bei einer Ausbuchtung der Straße, die an einen hügeligen Felsvorsprung grenzt, finde ich mein Nachtquartier. Seit einer Stunde bin ich keinem Auto mehr begegnet. Es ist schon halb sieben. Hier hat man einen wunderschönen Blick - ist völlig ungestört. Und wenn ein Auto passieren will, steht mein Auto nicht im Weg. Ich klettere den kleinen Felskegel hinauf, um einen noch besseren Blick ins Tal zu bekommen. Der Trampelpfad sieht so leicht und einfach zu begehen aus - und dann stehe ich schon fast oben, der Pfad ist steil - rechts sehe ich eine tiefe Schlucht, die ich vorher überhaupt nicht wahrgenommen hatte - und ich traue mich nicht mehr einen Fuß vor den anderen zu setzen, aus Angst abzurutschen und abzustürzen. Stehe wie angewurzelt da, bis mir der Rat meiner Logopädin in den Sinn kommt: mich immer schön im Körperschwerpunkt, im Beckenbereich, zu verankern. Als ich das Bewußtsein in den Körper absinken lasse, werden auf einmal die Beine leicht, und ich kann sie heben und neu setzen. Eine wunderbare Technik, die ich dann beim Abstieg noch ein paar Mal brauche! Wenn mich da geübte Kletterer gesehen hätten, hätten sie sich vermutlich köstlich amüsiert: mit so winzigen Schritten und Schrittchen tastete ich mich nach unten. Manchmal sogar auf dem Hosenboden.

Aber der Ausblick von da vorne ist phantastisch und entschädigt für alle Mühen und Ängste. Ich schaue den langsam wandernden Schatten zu. Erst als das Licht grau wird, kehre ich zum Auto zurück. Zur Sicherheit lege ich noch ein paar große Steine um meinen Schlafsack. Nicht daß ein eiliger Tourist mit Schwung sein Auto neben meines fährt und mich am Boden überrollt! Woran man mitten in der Wüste plötzlich denken muß! Ein bißchen muß ich über mich lachen, dann lege ich mich hin und schlafe gut ein. Der Wind, der tagsüber so stürmisch war, legt sich mit der Dämmerung und wird erst am Morgen wieder lebendig. 
 
 

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