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Kaibab Forest - Kanab - Route 14, Navajo Lake - Cedar
City/Utah - Route 56 - Panaca - Ash Forks - Las
Vegas - Interstate 15 - Riverside/Calif.
Dienstag, 11. Juli 2000, 6.55 Vista View, Kaibab Forest - Vermillion
Cliffs
Gegen halb fünf sah ich den roten Saum am Horizont, blieb aber
liegen. Es war kalt, und der Wind blies kräftig. Kurz nach fünf
stand ich auf - gegen halb sechs ging gelb die Sonne auf. Ich habe sie
ein paar mal im Gegenlicht durch das Gewirr von Ästen fotografiert.
Nach der Morgentoilette ein wehmütiger Blick hinüber zu den Cliffs
und ins Tal, dann der Aufbruch zurück in die Zivilisation. Aber bevor
ich Los Angeles ansteuere, will ich noch einige schöne Straßen
und Strecken kennenlernen - vor allem noch einen Schlenker durch Nevada
machen. Kurz vor der Landstraße sehe ich das weiße Wohnmobil
der unbekannten Nachbarn am Wegrand parken. Dort ist noch alles still.
Ich fahre ein Stück auf der Landstraße zurück zum Ausguck
über die Vermillion-Cliffs. Dort frühstücke ich auf einem
großen Felsblock an der Kante des Abgrundes. Man hat große
Findlinge nahe am Rand entlang gesetzt - steinerne Leitplanken.
Auf der Fahrt durch vom Kaibab-Forest nach Kanab kommen mir mitten
im Pinienwald langsam ein paar Kühe entgegen. Die Kälber, die
sie mitführen, erschrecken, weichen in den Wald zurück. Nur die
erfahrenen Kühe trotten seelenruhig weiter und halten sich dabei an
den Straßenrand. Als hätten sie Verkehrsunterricht gehabt. Redet
jemand noch von dummen Kühen?
Es gibt mehrere Möglichkeiten, zur Interstate 15 zu gelangen,
die nach Los Angeles führt. Die kürzeste Strecke ist die über
Fredonia über die Schnellstraße nach Hurricane. Die schönste
führt durch den Zion Park. Aber ich will eine neue Route ausprobieren:
noch ein Stück weiter nach Norden fahren und dann auf der 14 über
den Midway Summit nach Cedar City - dort die Interstate 15 kreuzen und
in der Verlängerung auf der 56 eine Schleife durch Nevada fahren -
über Panaca, Caliente und Ash Springs zurück auf die Interstate
15 nördlich vor North Las Vegas. Der Midway Pass führt fast 10000
Fuß hoch. Mehr als 3000 Meter. Am Eingang der Straße steht
ein Warnschild: kein Räumdienst im Winter. Der Gedanke an Schnee hier
in diesen südlichen Breiten und in der Hitze scheint absurd. Aber
die Höhenlage macht's. Auch in Monument Valley, am Grand Canyon schneit
es des öfteren. Die Straße ist schmal, schraubt sich in Serpentinen
nach oben. An einer Stelle hat man in Rückblick die Sicht auf die
gelb-weißen Spindelspitzen des Bryce Park. Wie kleine Krönchen
lugen sie hinter der Bergkette im Osten hervor. Oben, fast auf Kammhöhe
liegt Duck Creek Village. Ein Ort, der nur aus Ferienhäusern zu bestehen
scheint. Holzhütten der feinsten Art. Es wird noch viel gebaut. Hier
oben wachsen kaum noch Pinien. Dafür viele lichte Birken. Dann führt
die Straße plötzlich an schwarzen Steinfeldern vorbei. Als wäre
erst vor kurzem ein Vulkan ausgebrochen und hätte Tonnen von schwarzem
Basalt ausgestoßen und breite Schneisen in die Birkenwälder
geschlagen. Wenig später öffnet sich die Straße links zu
einer Haltebucht, ein Aussichtspunkt mit Schautafel. Und unten im Tal ganz
überraschend ein See, der in der Straßenkarte nicht eingezeichnet
war. Ich finde ihn im geografischen Atlas von Utah. Der Navajo-Lake. Ein
See inmitten von Wald und, nach der Beschreibung der Schautafel, ein Paradies
für Angler. Und die schwarzen Steinwüsten sind tatsächlich
vulkanischen Ursprungs. Die Erde ist hier wirklich noch sehr lebendig!
Die Straße führt nun bergab und gibt plötzlich den
Blick frei ins Tal auf der anderen Seite. Unglaublich. Von hier übersieht
man den ganzen Zion Park mit seinen hellroten und weißen Felsbergen.
Wie Dome und Kuppeln ragen sie aus dem Tal. Unendlich weit scheint der
Blick zu gehen. Links und rechts die bewaldeten Berghänge und vorne,
fast 180 Grad der weite Blick in die Talebene, durch die die Autobahn führt,
die mich später nach Los Angeles bringt. Nicht nur der Ausblick von
hier oben, auch die Weiterfahrt bleibt dramatisch. Plötzlich tauchen
in einem Halbrund gelbe und weiße Felstürme und Gruppen wie
im Brycepark auf. Jetzt erst sehe ich, daß der gelbweiße Fels
auch zwischen den Bäumen hindurchleuchtet. Nur an dem Steilhang kommt
der nackte Fels durch. Hier oben gibt es so viel Wasser, daß Bäume
und Pflanzen die Felsen verbergen. Weiter unten führt die Straße
durch eine aufregend enge und steile Schlucht mit grauen und schwarzen
Felswänden. Der einzige Haken: man darf nirgends halten. Die ganze
atemberaubende Strecke herrscht wegen Steinschlaggefahr absolutes Halteverbot.
Es gibt auch keinen Platz zu halten. Die Straße führt hart an
den Felswänden entlang. Kleinere Steine und Felsen liegen tatsächlich
auf der Straße. Erst weiter unten, als sich der Canyon weitet kann
am Bachufer halten und zu den Bergen in Ruhe zurückschauen und ein
paar Fotos schießen. Noch weiter unten ändert sich wieder die
Farbe der Felsen: hier leuchten sie wieder rot, braun, schwarz und weiß.
In einer Senke gibt es eine Badestelle. Eine Mutter mit zwei Kindern geht
mit Badesachen bewaffnet über eine kleine Brücke hinunter zum
Bach. Wenn es geregnet hat, schießt hier vermutlich ein reißender
Fluß zwischen den Felswänden entlang.
Cedar City macht einen freundlichen Eindruck. Ich fahre etwas hilflos
durch die Straßen, bis ich auf der Hauptstraße die Abzweigung
zur 56 gefunden habe. Nach dem Tanken und Stop im Lebensmittelmarkt geht
es weiter nach Westen. Vor mir nur ein paar niedrige runde Hügel.
Aber der Blick zurück über grüne Felder auf die Stadt und
die roten Berge, aus denen ich gerade gekommen bin, ist wunderschön.
Dieser Teil von Utah (ich kenne es ja nicht ganz) ist ähnlich wie
Arizona so unglaublich schön, daß fast jede Straße, jeder
Fleck als besonders schön und "scenic" bezeichnet werden oder durch
einen Nationalpark geschützt werden müßte. Schönheitstrunken
fahre ich durch diese Landschaft. Ich müßte es eigentlich jeden
Tag erwähnen, jede Minute beschreiben. Am letzten Tag wird mir aber
so recht bewußt, was ich bald verlasse und so schnell nicht wieder
sehen werde.
Die Fahrt nach Panaca und Caliente führt durch eine einsame hügelige,
wellige Waldlandschaft, dann kommen breite Täler, die bewirtschaftet
sind. Ein Trecker wirbelt riesige Staubfahnen auf. In Panaca ein Schild:
162 Meilen bis Las Vegas! Landstraßenmeilen! So groß hatte
ich mir den Umweg nicht vorgestellt. Ich hätte doch die Meilenangaben
auf der Karte zusammenzählen sollen. Auf der 93 kurz vor Caliente
und lange Strecken danach kommen wieder rote Felsberge und Schluchten.
Durch Caliente fährt oder fuhr die Eisenbahn: der Bahnhof ist ein
imposantes und anmutiges Zeugnis südwestlich-hispanischer Baukultur.
Ein langgestrecktes weißes Gebäude mit Rundbogen und Giebeln.
Dann geht es wieder zwischen Canyons und Felsbergen weiter. Ähnlich
wie die Gegend um Death Valley gibt es hier breite menschenleere Täler.
Man gelangt auf den Kamm einer Bergkette - sieht unten das Tal und in endloser
Ferne die nächste Bergkette. Die Straße führt hinunter
und durchquert schnurgerade das Tal. In endloser Weite sieht man rot und
braun Berg, Tal, Berg und die Straße dazwischen vor sich liegen.
Man sieht, wohin man fährt, und unten, woher man gekommen ist. Endlos
scheint der Blick. Aber ich habe es einmal gecheckt - zehn Meilen, rund
sechzehn Kilometer dauerte die Fahrt von Bergkette zu Bergkette. Aber da
sich der Blick nirgends bricht, da die Landschaft wenig gegliedert und
recht einförmig ist, erscheint sie größer und weiter, als
es die Meßinstrumente zulassen wollen. Aber was sind banale sechzehn
Kilometer gemessen gegen den fernen Horizont, die Straße nur eine
Ritze inmitten der blanken Felslandschaft!
Es ist schon nach drei - ich habe allein noch 90 Meilen nur bis zur
Interstate 15 und dann noch die ganze Strecke bis Los Angeles vor mir.
Und kein Motel oder Hotel, das auf mich wartet. Wie immer in solchen Momenten
tut dann auch noch die Umwelt das ihrige: Baustellen kommen. Einspurige
Straßenführung! Pulkweise werden die wenigen Fahrzeuge, die
sich vor den Haltepunkten gesammelt haben, zum anderen Ende der Baustelle
geleitet. Es gibt keine automatischen Ampeln. Ein Jeep, ein Baufahrzeug
fährt vorneweg. Glücklicherweise kommen wir schneller durch als
befürchtet. Auch sind viele ausgeschilderte Baustellen gar nicht "aktiv".
Man kommt ungehindert durch. Erst bei Ash Springs wird es wieder eng mit
Wartezeiten. Von dem Ort bekomme ich nicht viel zu sehen, weil wir genau
hier wieder im Pulk den Ort durchfahren. Nur daß er mitten im Grünen
liegt. In dieser Senke scheint es ausreichend Wasser zu geben. Nach der
langen Wüsten- und Felsstrecke überrascht schon wieder ein See,
der sich vom Ortsausgang noch lange die Straße lang erstreckt. Dann
bleibt mir nichts anderes übrig, als auf das Gaspedal zu treten. Zu
schnell darf ich nicht werden. Ich will nicht noch einmal wie 1996 ein
"fine" über 120 $ wegen zu schnellen Fahrens bekommen. In North Las
Vegas mache ich kurz Rast, tanke, esse ein Eis und finde noch einen Straßenatlas
von Californien. Den von Nevada hatte ich dafür in Sedona, Arizona
in einem Outdoorshop entdeckt.
Durch Las Vegas gibt es wie immer Stau, aber nur leicht und nicht lange.
Dafür stauen sich die Autos auf der Gegenfahrbahn. Mich stört
jetzt nur das Licht der untergehenden Sonne. Noch während ich die
Mojavewüste durchfahre, blenden mich ihre letzten Strahlen. Eigentlich
wollte ich nicht gerade im Dunkeln in Los Angeles nach einem Hotel suchen.
Nun wird mir nichts anderes übrig bleiben. Ich habe mich sowieso entschieden,
nicht ganz nach L.A. hineinzufahren. Dafür kenne ich die Stadtviertel
zu wenig. Und die Gegend um den Flughafen ist mir zu teuer. Ich entscheide
mich für Riverside, wo Vera arbeitete, als ich sie und Grogan vor
vier Jahren besucht hatte. Ein "kleines" Universitätsstädtchen.
Dort sollte sich ein preiswertes Motel finden lassen. Auf der Karte habe
ich mir die Autobahnstrecken und Abzweigungen angesehen. Im Dunkeln ist
natürlich alles ganz anders. Im Strom der anderen Autos fahre ich
durch die San Gabriel Berge, links und rechts gesäumt von Ortschaften,
Häusern, Reklametafeln. Die freien Strecken werden immer kürzer.
Dann die Gabelung nach Los Angeles - und die Weiterfahrt nach Riverside.
Aber Riverside hat mehrere Ausfahrten. Von der Autobahn aus sind keine
Hotel-Motel-Reklameschilder zu entdecken. Das ist keine Westernstadt mit
zwei Auffahrten und am Anfang und Ende stehen alle Hinweisschilder wie
in den Westernstädtchen von Arizona, Utah und Nevada. Ich nehme einfach
die Ausfahrt zur Central Avenue, in der Hoffnung, daß eine solche
Straße auch den Touristen Übernachtungsmöglichkeiten anbietet.
Aber die ganze lange Avenue ist nichts zu finden. Es ist neun Uhr abends,
und ich fange an, müde zu werden. Ein paar öffentliche Gebäude
gibt es und Geschäfte, aber kein Hotel, kein Motel. Ich fahre zur
Autobahn zurück, nehme die Gegenstrecke. Fahre resigniert L.A. und
dem Flughafen entgegen. Vor der nächsten Abfahrt auf einmal der Hinweis,
daß hier Übernachtungen angeboten werden. Also fahre ich hinaus,
sehe wieder nichts, fahre um den Block zurück - und entdecke ein Motel!
Es ist halb zehn.
Der Haupteingang ist verschlossen. Von innen winkt mich die Rezeptionistin
zum Seiteneingang. Dort kann ich nur über ein geschlossenes Fenster
mit Sicherheitsdurchreiche kommunizieren. Die Nähe von L.A. macht
sich bemerkbar. Ich bekomme ein ebenerdiges Zimmer (auf dem ich bestehe)
für 44 $ plus Taxes. Das Mädchen scheint Inderin zu sein. Ein
paar Asiaten laufen herum, vermutlich Inder, Indonesier, Chinesen. Das
Motel liegt an einer ruhigen Straße - und ganz ruhig und bequem wird
die Nacht. Zuvor allerdings wartet noch eine Heidenarbeit auf mich: Kofferpacken.
Ich war mit zwei vollen Koffern losgefahren. Sicher, einige Utensilien
bin ich losgeworden. Die sperrigen Filmschachteln sind fort, ebenso Wegwerfwaschlappen
und einiges anderes. Aber ich bin ja nicht sturen Blicks durch alle Geschäfte
gegangen. Ich habe nicht nur Ansichtskarten (auch für mich zur Erinnerung)
und Karten (Atlanten!) gekauft, dazu Mitbringsel, Andenken, sondern auch
zwei Decken, einen Thermosbehälter, einen Campingstuhl, eine Trommel,
drei Flöten (eine als Mitbringsel), dazu unzählige Zeitungen.
Das Auto ist ein blühendes Durcheinander, und ich muß Stück
für Stück erst einmal ins Zimmer schleppen, dann sortieren und
sehen, wie ich alles in Koffer und Taschen bekomme. Die zwei fünf-Gallon-Wasserbehälter
sind noch voll. Unzählige weitere Wasserflaschen haben sich angesammelt
und müssen entsorgt werden. Obst, Müsli weitere Lebensmittel,
dann sogar noch Waschpulver, Klorollen und Küchenpapier sind alle
noch in ausreichendem Maß vorhanden. Ich frage die Rezeptionistin,
ob ich die Lebensmittel dalassen kann. Wegschmeißen möchte ich
sie nicht. Sie ist einverstanden. Dann geht es ans Aufhäufeln und
Trennen. Was im Zimmer bleibt, was ich wegwerfe, was ich mitnehmen möchte.
Drei Stunden packe ich auf diese Weise! Dann sind Koffer und große
Reisetasche prall gefüllt. Dazu mein kleiner Rucksack und zwei weitere
riesige Einkaufstaschen (sehr praktische Andenken von den Nationalparks).
Wie ich das alles ins Flugzeug bekommen will und kann, ist mir noch ein
Rätsel. Aber irgendwie wird es schon gehen.
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