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Riverside/Calif. - Los Angeles Airport - Rückflug nach
Deutschland
Mittwoch, 12. Juli 2000, 0.30 Uhr, Riverside, Ca. - Riverside
Motel
Obwohl ich dann wirklich schon müde bin, nehme ich nach Mitternacht
noch eine Dusche, um den Dreck des Tages und die Reste von Katzenwäsche
in den Tagen davor loszuwerden. Und schreibe noch ins Tagebuch! Es reicht,
wenn ich am nächsten Morgen um neun aufstehe. Ich muß gegen
ein Uhr am Flughafen von L.A. sein. Ich rechne mit zwei Stunden Fahrt.
Also Abfahrt gegen elf Uhr.
Mittwoch, 12. Juli 2000, 20.15 Pacific Day Time, im Flugzeug,
etwa über der Hudson Bay
Ich bin schon gegen sieben Uhr wieder aufgewacht, trotz geschlossener
Vorhänge. Blieb bis acht im Bett, dann Dusche, Frühstück,
Auto eingeräumt, Schlüssel abgegeben. Ja, es ist ein Motel mit
Besitzern indischer Herkunft. Wieder ist der Haupteingang verschlossen.
Kontakt gibt es nur über das Fenster mit Schiebefach. Aber ich habe
gut und sehr ruhig geschlafen. Dann noch einmal eine kleine Tour ins Stadtinnere,
Geld geholt, getankt. Halb elf fahre ich von Riverside heraus - und komme
in dichtem, aber stetig fließenden Strom schon halb zwölf nach
Los Angeles. Als ich mich bei der Rezeptionistin erkundigte, wie lange
ich brauchen würde, sprach sie von zwei bis drei Stunden. Es gäbe
viel Stau! Es hat mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt. Ich bin froh,
daß ich so gut durchkomme. Dafür erlebe ich nun zum ersten Mal
hautnah und erschreckend die Kehrseite der vielen Autos: den Smog von Los
Angeles. Zuerst scheint es nur, als habe eine große Wolke die Sonne
verdunkelt. Aber es gibt keine Wolken. Es ist auch nicht das übliche
Wolkengrau, sondern ein braungelber Dunst, der den Himmel in eine gespenstisches,
ja apokalyptisches Halbdunkel taucht. Die Sonne steht nur als trübe
Funzel am Himmel. Es ist dunkler als in der Abenddämmerung nach Sonnenuntergang!
Irgendwie ist eine Kultur, eine Zivilisation wirklich krank, die eine solche
Nichtlebensqualität ihren Bewohnern zumutet. Los Angeles selbst leuchtet
im Sonnenglanz. Die Abgase werden von See ins Landesinnere getrieben. Die
"Dörfler", die kleineren Städtegemeinden müssen ausbaden,
was der Moloch ausspuckt.
Blöderweise ist unter den ganzen Karten, Zeitungen das gelbe
ausführliche Wegbeschreibungsblatt von Dollar in eine der Taschen
mitgerutscht. Jetzt habe ich nur noch die genaue Adresse und mit einem
winzigen Übersichtsausschnitt. Trotzdem: ich finde zum Flughafen und
zur Ausfahrt, passiere die Westchester Avenue, wo ich am ersten Tag Geld
und Lebensmittel geholt hatte. Dann aber kommt eine Baustelle und Stau.
Ich entscheide mich für eine Schleife außen herum - und lande
in einer Gegend, wo mit Sicherheit Dollar nicht zu finden ist. Zum Glück
ist weiter vorne eine Tankstelle. Die Tankwarte sind sehr nett, hilfsbereit.
Ja, ich bin zu weit gefahren. Muß auf die nahe Schnellstraße
und eine Ausfahrt zurückfahren. Ich finde alles. Vorher noch eine
letzte Tankstelle zum Auffüllen. Hier hat sich der Tankwart ganz hinter
Panzerglas verbarrikadiert. Um zwölf fahre ich bei Dollar ein - rund
6470 Meilen liegen hinter mir. Die Luft ist angenehm warm, aber nicht zu
heiß. Die Dollarleute nehmen mein verdrecktes Auto (aus dem leuchtenden
Dunkelblau wurde schnell ein staubiges Grau bis sandiges Rot) anstandslos
entgegen. Als ich mein Gepäck ausgeräumt habe, habe ich zwei
Trolleys damit vollgefüllt! Glücklicherweise ist noch viel Zeit.
Ich frage, ob ich den einen Trolley stehen lassen kann. Dann nehme ich
mit den beiden großen Gepäckstücken und dem Rucksack den
Shuttle zum Flughafen. Bei British Airways gibt es keine lange Schlangen
- und die Fluglinie ist wirklich großzügig: sie nehmen meine
drei Stücke ohne Aufpreis. Alle drei bleiben zusammen unter der sechzig-Kilo-Marke.
So erleichtert kann ich wieder zu Dollar zurücktouren und die restlichen
Gepäcktaschen holen. Die Atlanten haben ein ganz schönes Gewicht!
Aber solange man mit dem Shuttle oder im Flughafen mit einem Trolley unterwegs
ist, ist alles kein Problem. Natürlich kann ich nicht widerstehen,
kaufe eine Los Angeles Times, dann die Süddeutsche, die der Zeitungsstand
im Kasten hat (seit vier Wochen wieder eine deutsche Zeitung!) und ein
Buch auch noch dazu. Dann das große Warten in der Abflughalle. Der
Blick zu den startenden Flugzeugen.
Schlimm wird es erst, als wir nach dem Einchecken die langen Gänge
auf den L.A. Flughafen zur Gangway laufen - ich mit meinen schweren drei
Taschen! Im Flugzeug merke ich, daß der Ringfinger sich leicht taub
und pelzig anfühlt. Ich muß einen Nerv eingeklemmt haben. Ich
kann nur hoffen, daß er sich bald wieder entklemmt.
Ich habe für die ganze Strecke wieder einen Fensterplatz bekommen.
Neben mir sitzt ein nettes Paar aus L.A., die ihre Ferien in Irland verbringen
wollen mit einem Abstecher nach Schottland, woher die Familie der Frau
in den fünfziger Jahren eingewandert ist. Sie selbst ist noch in Glasgow
groß geworden. Aber die meisten Verwandten, die sie noch kannte,
sind tot.
Es lohnt sich, von der Westküste am Nachmittag zurückzufliegen!
Wir starten pünktlich um drei, die Sonne steht schon im Westen. Nach
einer Schleife übers Meer und über die Häuserfelder erreichen
wir schnell die San Gabriel Mountains, goldgelb angestrahlt von einer schon
niedrig stehenden Sonne. Dann im Bogen nach Norden. Unten sieht man deutlich
die Wüstenberge und -täler - die roten und brauen Farben. Die
Berge, die Straßen, die Salzpfannen der Senken. Ob wir über
Death Valley fliegen weiß ich nicht. Es wird nicht angesagt. Wahrscheinlich
ist es schon. Dann die Canyons. Die roten Felsen von Utah leuchten selbst
bis in unsere Höhen. Ich mag mich gar nicht vom Fenster lösen,
tausche nur ab und ein paar Worte mit meiner Nachbarin und wende mich dann
wieder ganz egoistisch zum Fenster, schaue und fotografiere. Die Schönheit
der Landschaft will gar kein Ende nehmen. Bald nach den Rockies kommen
die Seen. Jetzt am Abend fliegen wir über Wasser mit Eisbergen oder
eine Schneelandschaft mit Brüchen. Wie eine filigrane graue Krakeléelandschaft
zeigt sich die Erde unten. Schräg links geht die Sonne goldgelb, dann
in rot unter. Aber es bleibt ein heller gelber Saum am Horizont. Nach zwei
Stunden geht die Sonne schon wieder auf! Den Sonnenaufgang kann ich nur
verstohlen betrachten. Das alte Lied auf den Flügen: die Passagiere
werden schlafen gelegt, die Stewardess bittet, die Schieber an den Fenstern
herunterzuziehen. Für die Leinwand in der Mitte, wo der Spielfilm
läuft, ist es zu hell. Ich lüfte ab und zu den Schieber, halte
die Bordzeitung als Abdeckung in Richtung Leinwand. Ich verstehe ja, daß
anschließend viele Passagiere und auch die Besatzung schlafen wollen.
Ich hätte auch nichts dagegen. Aber die Landschaft draußen ist
zu schön. Ich bleibe hellwach. Linse immer wieder hinaus. Wasser,
Eis, Sonne, ab und zu Land. Eine Insel? Grönland? Schon Irland? Auf
jeden Fall ein schöner Flug.
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