Das Opfer - 08 "Ich glaube, ich weiß jetzt, was meine Träume bedeuten," sagte Anja und unterdrückte den wieder aufsteigenden Haß. Nur ein Augenlid flatterte auf und nieder. Sie holte tief Luft. "Hast du je an die Möglichkeit gedacht, daß wir nicht die einzigen Lebewesen im Kosmos sind? Ich meine, daß sich nicht nur auf der Erde Lebewesen entwickelt haben? Hast du je daran gedacht, daß es irgendwo Lebewesen geben könnte, die sehr viel intelligenter sind als wir Menschen und denen wir so primitiv und dumm vorkommen wie uns die Tiere? Was ist, wenn eine solch überlegene außerirdische Intelligenz uns auf der Erde gefunden hat, und was, wenn sie für sich die gleichen Rechte herausnehmen, wie wir gegenüber den Tieren? Was ist, wenn sie Versuche an Menschen unternehmen, die ihrem Fortschritt und ihrer Wissenschaft dienen?" Sie wartete auf seine Reaktion - auf sein Verstehen. Jürgen Siebert hatte den absurden Mutmaßungen seiner Frau zugehört, ohne einen Muskel zu verziehen. Verrückte und Schlafwandler soll man nicht plötzlich aus ihren Wahnvorstellungen reißen. Sehr vorsichtig sagte er: "Und du glaubst, daß eine solch überlegene intelligente Rasse unseren Daniel entführt hat? Um Versuche an ihm durchzuführen?" "Meine Träume sagen es mir! Ich sehe und höre ihn doch!" Sie beschrieb ihm ihren letzten Traum - die helle, lachende und grauenerregende Gestalt, Daniels schmerzhaftes, verängstigtes Weinen, den Stich, den sie brennend gespürt hatte. Die Erinnerung war so furchtbar, daß sie in Weinen ausbrach. "Man hat ihn als menschliches Versuchstier entführt. Sie tun ihm weh, und er hat Angst!" "Laß uns später darüber sprechen Anja, wenn du ruhiger bist. Du bist völlig erschöpft - du mußt dich ausruhen." Anja spürte verzweifelt ihre Hilflosigkeit. Sie konnte
Jürgen nicht erreichen - ihre Worte prallten von ihm ab wie Wassertropfen
von einem imprägnierten Regenmantel. Sie mußte ruhig werden,
sich beherrschen, logisch argumentieren. Sie mußte sein Spiel spielen.
Nur damit konnte sie eine Bresche in seine Festung schlagen.
Anjas Augen brachen sich an dem klinischen Blick ihres Mannes. "Es ist spät. Ich bin sehr müde. Wir können morgen weiter darüber sprechen. Du kannst deine Hypothese ja auch mit Oberkommissar Reuter besprechen. Aber jetzt laß uns schlafen gehen!" "Nein - jetzt müssen wir miteinander reden. Es geht um Daniel! Und wenn ich nur eins zu hundert recht hätte - und wenn wir so Daniel retten könnten - wäre das nicht allein ausschlaggebend?" "Und was ist mit den Menschen, deren Leben wir durch diese Versuche retten können? Die mußt du auch in die Waagschale werfen!" "Und ich werfe das Leiden all der Tiere in die Waagschale Daniels! So viele Tiere, damit ein Mensch ein bißchen länger leben kann!" "Diese Diskussion führt zu nichts. Sie entbehrt jeder Grundlage und Wahrscheinlichkeit. Es hat doch keinen Sinn! Auf diese Weise bekommen wir Daniel nie zurück." Anja sah ihren Mann lange an. Dann ging sie in Daniels Zimmer und richtete sich dort mit Matratzen eine Schlafstatt ein. In der Nacht kehrte der alte furchtbare Traum wieder.
Die helle, graueneinflößende Gestalt näherte sich ihr -
und diesmal hielt sie stand. Dann begann die Gestalt plötzlich mit
hoher dünner Stimme zu sprechen. "Endlich hast du begriffen - wenn
auch noch nicht ganz. Daniel wird nicht das einzige Opfer bleiben. Wir
holen uns solange Eure Kinder, bis ihr verstanden habt. Sag es ihnen!"
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