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Der tage-bau gewann im
Herbst 2000 den
Innovationspreis des arte-them@-
literaturwettbewerbs!
  Die Anthologie


















Meine Beiträge im:
Tagebau des Berliner Zimmers
 

Januar / Februar / März / Mai / Juni  2001




Saturday, June 16, 2001

pneumatischer Kirchentag von Regina Berlinghof @ 23:57

Gestern auf dem Kirchentag in Frankfurt. Ich saß vor dem Eingang zu den Messehallen mit ein paar Mirjambänden und Flyern, sozusagen "Draußen vor der Tür". Das Interesse war nicht sehr groß. Mehr Aufsehen erregte der aufgeblasene graue Gummijesus über dem Portal. Die überdimensionale Puppe mit den weit ausgestreckten Armen schaukelte im Wind. Das Wesen hatte keine Augen, keinen Mund, nur eine Nase. Es hatte Hoden, aber keinen Penis, was Männer und Frauen ziemlich empörte. Ein geschlechtsloses Wesen, luftgefüllt. Pneu modern. 

Und beim Motto "Du stellst meine Füße auf weiten Raum" frage ich mich, wieso die Füße und nicht den Kopf? Viel Raum im Kopf - und mit den Füßen festen Grund auf der Erde! Oder ist es für die Kirche immer noch besser, wenn die Füße im Bodenlosen stehen und der Kopf vollgestopft mit Dogmen und Glaubensinhalten ist?

Monday, June 11, 2001

Polizeidurchsuchung bei Horst Mahler von Regina Berlinghof @ 19:35

Erinnert Ihr Euch noch an meine Strafanzeige vom letzten Oktober gegen Horst Mahler, den NPD-Anwalt (ex RAF)? Anfang Januar (!) bekam ich den Bescheid der Frankfurter Staatsanwaltschaft, dass die Sache an Berlin weitergegeben worden sei.
Heute nun die Meldung bei AP:
Montag 11. Juni 2001, 16:10 Uhr
Polizei durchsucht NPD-Büros
Berlin (AP) Die Berliner Staatsanwaltschaft und die Polizei haben am Montag die NPD-Zentrale im Bezirk Köpenick sowie Privat- und Büroräume des NPD-Anwalts Horst Mahler durchsucht. Dabei sei umfassendes Beweismaterial sicher gestellt worden, teilte eine Justizsprecherin mit. Zeitgleich fanden den Angaben zufolge auch Durchsuchungen in Hamburg und Würzburg statt. Mahler, gegen den ein Ermittlungsverfahren wegen
Volksverhetzung läuft, wird vorgeworfen, Internetseiten mit antisemitischen und ausländerfeindlichen Inhalten hergestellt zu haben. 

Endlich! kann ich dazu nur sagen!
 

Der Eintrag steht im Tagebau nun unter dem 17.6.01
"Polizeidurchsuchung bei Horst Mahler von Regina Berlinghof @ 14:49"
Re: Polizeidurchsuchung bei Horst Mahler 

Von Regina (217.1.208.222) am 6/17/01 um 17:35:28:

Heute nun...
Das stimmt bei diesem Eintrag natürlich nicht mehr - ich hatte ihn am 11.6.01 in den Tagebau gesetzt.
Dieser Beitrag und wohl ein paar weitere von anderen Tagebauern verschwand in den neu angelegten Kategorien. Enno und Sabrina haben diese Einträge heute wieder
zugänglich gemacht. 

Thursday, May 24, 2001

Pixel-Ich und Bücher kaufenvon Regina Berlinghof @ 00:19

Zwei Themen mit einer Klappe können morgen auf der Mainzer Minipressenmesse geschlagen werden. Dort habe ich zum ersten Mal einen Stand, lege Bücher meines Verlags aus - und natürlich das Pixel-Ich zum Hineinschnuppern für Leute, die die Katze nicht im Sack kaufen wollen. Es ist die Messe der Kleinverlage und der künstlerischen Bücher. Ich erinnere mich an Bücher aus handgeschöpftem Papier, handgebunden usw. Liebevoll gemacht. So liebevoll, wie wir in die Tasten hauen und Bücher per Computer herstellen. Es wird diesmal bestimmt eine interessante Begegnung aus alt und neu. Es gibt noch andere Verlage, die mit BOD-Büchern vertreten sein werden. 
Wer also im Rhein-Main-Gebiet Lust auf Bücher hat, möge sich zum Rheinufer ins Bücherzelt begeben. Lesungen wird es dort auch geben!

Kommentare (0)
 
 

Weltraum, TV und Sehnsüchtevon Regina Berlinghof @ 01:04

Ich habe mich gerade für einen Weltraumflug zur ISS angemeldet. Jörg Grabosch von Brainpool: Wir sponsorn über eine Fernsehshow einen Flug zur ISS. Sieben Leute kommen ins Auswahlverfahren. Also mailte ich:

Betreff: Auf dem Weg zur ISS
Datum: Tue, 08 May 2001 01:01:28 +0200
Von: Regina Berlinghof 
Firma: YinYang Media Verlag, Kelkheim
An: loesser@brainpool.de, info@e-tv.de

Hallo,
ich habe gerade das Interview mit Joerg Grabosch in n-tv gesehen. Grossartige Idee! Ich war auf Dennis Tito schon fast neidisch und blickte sehnsuechtig in den Himmel. Hiermit moechte ich mich fuer das Auswahlverfahren anmelden!

Mit freundlichen Gruessen,
Regina Berlinghof
____________________________________
Regina Berlinghof
Im Tal 1
D-65779 Kelkheim

Tel/Fax: 06195 / 900010
Tel.priv.: 06195 / 900004
Tel.mobil: 0177 / 349 2645

mail@regina-berlinghof.de
http://www.regina-berlinghof.de
 

Weltraumsehnsucht, grenzenlos?von Irene @ 19:06

In Kasachstan fällt nach Raketenstarts gelber, giftiger Regen vom Himmel, der die Menschen krank macht. Die Menschen sammeln unvollständig abgebrannte Raketenteile zum Heizen ihrer bescheidenen Häuser, unwissend, wie schädlich das für ihre Gesundheit ist. 

Wer ins Welltall fliegt, erschrickt, wie dünn die Atmosphäre ist, hat ein Astronaut gesagt. Wie zerbrechlich das Leben. Doch dann ist es bereits zu spät – man ist schon unterwegs und hat der Atmosphäre beim Raketenstart einen weiteren, ganz unnötigen Treibstoffschock zugefügt.

Ich bleibe am liebsten auf der Erde, ich möchte nicht aus ihrem zarten Schutzmantel austreten, und glauben, ich könnte ohne ihn. Ein NASA-Poster genügt. 

Als Geographin habe ich den Erd-Überblick im Kopf gespeichert, die Entstehung der Gesteine und die Entwicklung des pflanzlichen Lebens inclusive. Da kann ich in Gedanken in die Zeit zurückfliegen, als Oberbayern vom Molassemeer bedeckt war, das den Verwitterungsschutt der aufsteigenden Alpen aufnahm oder als die Gletscher der Würmeiszeit das Ammerseebecken ausschürften, bis sie abschmolzen.

Das Leben wird es vielleicht nicht mehr lange geben, weil unsere Sehnsüchte nach Raum, Weite und Ferne zu groß geworden sind. Zu groß und zu fordernd für diese kleine Erde. 

Kommentare (1)
 
 

Kommentar:
Name: Regina
Email: mail@regina-berlinghof.de
Titel: Re: Weltraumsehnsucht, grenzenlos?
Komentar:

Meine Vernunft sagt mir, dass es sicherer und umweltbewusster ist, auf der guten alten Erde zu bleiben. Meine Sehnsuechte sprechen eine andere Sprache und kommen
aus anderen Quellen. Seit den 70er Jahren habe ich das NASA Poster der Erde vom Mond gesehen an der Wand hängen. Innerlich kann ich mir den Sternenhimmel auch
vorstellen.
Aber ich kenne auch den Unterschied zwischen Bildern von der Wueste und der Wueste selbst. (Oder nimm das Meer, den Himmel oder sonst eine Landschaft).
Ich glaube, dass die Weltraumfluege immer so teuer sein werden, dass die Anzahl immer gering bleiben wird. Und damit umweltverträglich. Die Flugzeuge und Autos, die
täglich unterwegs sind, schädigen sehr viel mehr. Ich weiß, daß dies keine Rechtfertigung ist. Aber seit wann waren Träume vernünftig?

Am: 5/08/01
Host: 217.1.206.217

Saturday, May 05, 2001

Weltraum, Millionen und Neidgefühle von Regina Berlinghof @ 14:52

Ich habe kein Millioneneinkommen, aber bislang konnte ich ohne große Neidgefühle auf Millionäre und ihre Milliönchen leben. Ich habe zwar ab und an Lotto gespielt und hätte es ganz praktisch gefunden, von den Zinsen eines Millionenvermögens zu leben und in Ruhe schreiben bzw. noch ein paar Ideen mit dem Geld umsetzen zu können. 
Aber jetzt beneide ich den Millionär (Milliardär?) Dennis Tito, der sich einen Touristenausflug in den Weltraum leisten konnte. Ich möchte die Schwärze des Weltraums selber sehen, die Schwerelosigkeit erleben und einen Blick auf die Erdkugel werfen können. Ich möchte den Mond ungefiltert von der Erdatmosphäre sehen und die endlose Kette der Sonnenauf- und untergänge. Manchmal könnte ich neidisch werden...

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Monday, April 23, 2001

Das Geheimnis von Shakespeares Identität - im Tagebau wird es gelüftet! von Regina Berlinghof @ 17:44
 

Heute ist der Tag des Buches - gelegt auf den Todestag von Shakespeare und Cervantes. Passend zu diesem Anlaß fiel mir in diesen schönen Apriltagen wieder der alte Streit der englischen Philologen zum Thema der wahren Identität Shakespeares ein: Ist Shakespeare wirklich nur der Schauspieler, aus einer einfachen Familie stammend, oder in Wahrheit der 17. Earl of Oxford, Edward de Vere, dessen Stand es ihm verbot, sich unter die Bühnendramatiker zu begeben und sich zum Dichtertum zu bekennnen?
Kurz die Hauptargumente: Wie sollte ein einfacher Provinzschauspieler zu diesem Sprachreichtum gekommen sein, woher die Weltläufigkeit seiner Protagonisten, die hohe Gesinnung der handelnden Personen? Woher das geschichtliche Wissen, die Kenntnisse des höfischen Benimms? 

Heute nacht kam mir die Lösung! Weder ein unbedeutender Schauspieler noch ein geheimnisvoller Earl verstecken sich hinter diesem Namen. Sondern eine FRAU! Woher denn die Zartheit der Empfindung in Julias Sprache, wenn nicht aus dem Herzen eines liebenden Mädchens? Wer kennt besser das weibliche Ausgeliefertsein an Vater, Bruder und den Geliebten im Schicksal Ophelias als eine Frau? Und waren nicht immer die Frauen die Giftmischerinnen und die kaltblütigen Anstifterinnen wie Lady Macbeth, jedoch geplagt von Skrupeln im Angesicht der Tat?. Warum die Hosenrollen in Shakespeares Stücken? Rosalind (Wie es euch gefällt), Viola (Was ihr wollt), die "Männlichkeit" bzw. Selbständigkeit der widerspenstigen Katharina und der "Männerfeindin" Beatrice? Versteckt sich dahinter nicht ein weibliches Schicksal, das nicht als Autor und Dramatiker in die Öffentlichkeit treten durfte? (Damals waren nur Männer für die Schauspielerei zugelassen. Eine Frau als Autorin hätte den reinsten Skandal provoziert. Noch dazu wenn sie - ähnlich wie der vermutete Earl of Oxford - aus hochgestellten Kreisen gekommen wäre.

Frauen, ich sage es Euch: hinter William Shakespeare versteckt sich eine willensstarke Frau, die ihre Stücke nicht unter ihrem eigenen Namen veröffentlichen konnte!
Will I am. Ich bin Wille! Shake Speare! Bringt den Speer zum Zittern! ;-))

Wednesday, April 18, 2001

Morde in Europa und anderswo von Regina Berlinghof @ 22:56

Gestern begann in Belgien der Prozeß gegen ruandische Staatsbürger wegen Völkermords an den Tutsies. Nach belgischen Recht können Mord, Folter und andere Schwerverbrechen gegen die Menschlichkeit in Belgien geahndet werden, egal auf welchem Staatsgebiet der Erde sie stattgefunden haben. 
Die Eröffnung des Verfahrens schleppte sich hin, weil - laut FAZ von heute, die die Mitteilung eines Vertreters der Staatsanwalts von 1996 zitiert - die Verfolgung des mitangeklagten Professors schriftlich untersagt worden war. Erst durch die neue Regierungskoalition aus Liberalen, Sozialisten und Grünen von 1999 konnten die Staatsanwälte wieder aktiv werden.
Nun werden also ein Minister, ein Professor und zwei katholische Nonnen wegen vielfachen Mordes in Ruanda in Brüssel vor Gericht gestellt.

Im Untersuchungsgefängnis derselben Stadt, desselben Landes sitzt Dutroux, der vier Mädchen aufs grausamste umgebracht haben soll. Wann beginnt nun dieser Prozeß? Oder ist die Eröffnung des Verfahrens auch "untersagt"? Wann werde diese Morde aufgeklärt? Und wer sind die Hintermänner, die Dutroux immer noch schützen können?
 

Monday, April 16, 2001

Verräter und Heuchler - die westdeutsche Medienzensur von Regina Berlinghof @ 13:40

Ist es nicht so? wenn Bücher verboten werden, gibt es einen Aufschrei aller aufgeklärten Kulturgeister.
Der Blätter- und Medienwald rauscht, die Freiheit der Kunst und der Meinungsäußerung wird beschworen. Wenn mordlüsterne Fundamentalisten "Die satanischen Verse" verbieten, verbrennen und den Autor ins Jenseits befördern wollen, erhebt sich die Stimme der Solidarität aller Kulturschaffenden.

Nun gibt es aber zwei Bücher,die der Schweigezensur der Medien selbst verfallen sind: eines gibt es im deutschen Sprachraum gar nicht, weil sich kein Verlag findet, um es zu veröffentlichen (mit der Ausnahme des meinen. Die eMails an den amerikanischen Verlag brachte keine Antwort. Vermutlich nehmen New Yorker
Verlage kleine Verlage in Europa überhaupt nicht wahr), das andere sollte im März erscheinen, darf aber nicht. Eine Lesung zur Leipziger Buchmesse mußte abgesagt werden.

Es handelt sich um

1. Die Autobiographie des großen amerikanischen Holliywoodregisseurs Elia Kazan:
"A Life" (die amerikanische Ausgabe bei DaCapo Press, Hardcover und auch als Taschenbuch: 864 Seiten, 22$, ISBN 0306808048 und

2. Hubertus Knabes neues Buch: Der diskrete Charme der DDR. Stasi und Westmedien.
ISBN: 354907137X, Propyläenverlag.

In beiden Fällen geht es um Verrat:

Der Theater- und Filmregisseur Kazan, prägte Hollywood mit seinen sozialkritischen Filmen: u.a. "Die Faust
im Nacken (On the Waterfront - achtfach Oscar prämiiert), Endstation Sehnsucht (beide mit Marlon Brando), Jenseits von Eden, Baby Doll, Das Arrangement". Er arbeitete mit Lee Strasberg vom Actor's Studio zusammen. In seinen Filmen debütierten James Dean, Eve-Marie Saint und viele andere).

Mehr bei: http://www.kirjasto.sci.fi/kazan.htm,
http://www.wsws.org/articles/1999/feb1999/kaz1-f20.shtml und über www.google.de

Kazan, früheres Mitglied der kommunistischen Partei, sagte in den Anfangsjahren des Kalten Krieges
1952 vor dem "Komitee gegen unamerikanische Umtriebe" (=McCarthy Komitee) aus, nannte Namen. Das haben ihm "sozialistische" westdeutsche Pharisäer bis heute nicht verziehen.

Während Kazan offen seine Aussagen machte und mit den Anfeindungen sein Leben lang lebte, kommt der Spitzeldienst westdeutscher Zuträger an die Stasi erst langsam ans Tageslicht.

1999 erschien das Buch des Wissenschaftlers und Gauckmitarbeiters Hubertus Knabe: "Die unterwanderte Republik - Stasi im Westen." Über die Spitzel und Verräter im Medienbereich sollte das neue Buch informieren. Es gab Klagen Betroffener - bislang konnte das Buch nicht erscheinen und nicht vorgestellt werden!

Mehr zu Knabe im Interview: http://195.170.124.152/archiv/2000/09/24/ak-po-de-15064.html

Die abgesagte Lesung in Leipzig:
"Die unterwanderte Republik. Stasi im Westen" und "Der diskrete Charme der DDR - Stasi und Westmedien"
Buchvorstellung und Diskussion
mit Hubertus Knabe
Veranstalter: Bürgerkomitee
Leipzig e. V., Tel.: 03 41 - 9 61 24 43
Ort: Leipzig, Museum in der "Runden
Ecke", Dittrichring 24
http://www.google.de/search?q=cache:home.snafu.de/domaschk/termine.htm+hubertus+knabe+leipzig&hl=de

Das große Schweigen allerorten:
Einmal wird ein amerikanischer Hollywoodautor nicht übersetzt, weil er vor Jahrzehnten "Genossen" verriet. Über die eigene heimliche Spitzel- und Verrätertätigkeit soll die Öffentlichkeit erst gar nicht informiert werden.

Die einseitige Heuchelei der linken Revolutionäre, der ich schon 1968ff. aufs übelste begegnet bin, feiert weiter fröhliche Urständ!
 

Wednesday, March 28, 2001

500 Tage, 442 Worte, Satiren und Satirikervon Regina Berlinghof @ 23:55
 

500 Tage schreiben im Tagebau - das fügt sich gut zu einem Bericht von einem Schreibseminar, das vor zwei Wochen in Langen stattfand: 
28 lernwillige Schreibende, die sich für "Satire, Glosse und Sprachwitz" interessierten, waren zum Wochenende vom 16.-18. März aus Frankfurt, München, Leipzig, Berlin und anderen Kleinstädten ins hessische Langen angereist. Dozent der ersten beiden Tage war Jürgen Roth, dessen Bericht in der taz vom 22.3.01 einiges Echo seitens der Seminarteilnehmer auslöste. Hier folgt mein Kommentar:

Liebe TAZ, liebe Titanic,

bitte zahlt Euren "Satirikern" ab sofort bessere Honorare, damit sie sich nicht als Satire-Dozenten in trivialen Kleinstädten verdingen und ein ganzes langes Wochenende bei unfähigen Schreiberlingen ausharren müssen. Was tut Ihr Euren freischaffenden und engagierten Satirikern an? Ein ausgelaugter, kommunikationsunwilliger und sichtlich angeödeter Jürgen Roth traf kürzlich am späten Freitag Nachmittag in Langen zum Seminar "Satire, Glosse, Sprachwitz" ein. Die Mißfreude über die vorgelegten Texte stand ihm im Gesicht. Tat nun der unerschrockene Satiriker, der kein Blatt vor den Mund nimmt und selbst einer BILD-Kampagne standhielt, den Mund auf und sagte: "Leute, was ihr da geschrieben habt, ist Scheiße hoch Lichtgeschwindigkeit. Ich habe keine Lust, mich mit Ignoranten wie euch abzugeben. Bei euch bringen es Hopfen und Malz nicht einmal zum Dünnbier." Nein, dieser arme gebeutelte Schreiber der besten Satireblätter Deutschlands mußte bei den unbedarften Schreibeseln ausharren. Und weshalb? Weil er auf den Batzen des Volkshochschulhonorars nicht verzichten konnte! Schnöder Mammon zwang ihn in die Knie, versiegelte ihm den Mund, verschlug ihm das Wort, untergrub seine freie Meinung. Der große Mut zum offenen Wort, den er so gerne vor sich hertutet, erstarb in einem Furz von Mütchen, das er Tage später in seiner taz-Glosse (Die Wahrheit, 22.3.01) abließ. Ebenso witzlos, bißlos, freudlos.wie diese Glosse war das Schulbeispiel aus seiner eigenen Schreibe (Das öde Stuttgart), das vielleicht BILDleser erbosen, aber eine angehende Satirikerin ob seiner billigen Häme nur verwundern mag. Der angeödeter Junggreis, der sich gerade noch für Schmäh à la "der steindumme Böll" begeistern konnte, verbreitete eine derart bleierne Wolke des Unmuts und der Langeweile, daß die löhnende Teilnehmerin am Samstag Abend nicht länger ausharrte, sondern zu Hause lieber zwei Videos der Originalsketche der Monty Pythons in den Kasten schob. Liebe Redakteure und Zeitungsinhaber, löhnt Eure Satiriker ordentlich - und gebt ihnen die Monty Python Videos, schenkt ihnen die Originaltexte oder wenigstens die deutschen Übersetzungen, damit sie den deutschen Untertanen- und Springerstiefelgeist vergessen, der nach oben und zum Gelde hin sich duckt, aber nach unten furzt und spuckt.

Tussi Sargnagel alias Regina Berlinghof, die erst gestern nach der Rückkehr von der Leipziger Buchmesse von Jürgen Roths Artikel erfuhr.
www.tussi-sargnagel.de
(442, also fast 500 Worte!) 

Tuesday, March 27, 2001

Rückblick auf die Leipziger Buchmessevon Regina Berlinghof @ 22:42

Zwei Tage nach Ende der Leipziger Messe ein kleines Fazit: es war anstrengend, vor allem Anfahrt und Rückkehr bei Schneetreiben und strömendem Regen. Aber die Tage auf der Messe, die Begegnungen, die Gespräche mit FreundInnen und Besuchern, eigene Lesungen und die der anderen, haben allen Stress wettgemacht. Der Stand des YinYang Media Verlages, den ich mit dem rubino-verlag teilte, lag an einer offenen Insel mit Ruhebänken für die Besucher. Ein schönes Rund. Nur war unsere Minikoje (die kleinste, die man buchen konnte: 4-5 qm) etwas ungünstig nach innen geschnitten. Die eine Seitenwand konnte man im Vorübergehen überhaupt nicht einsehen. Dafür stellt Leipzig viele Stell- und Werbeflächen für Lesungen und sonstige Ankündigungen zur Verfügung - ganz anders als in Frankfurt, wo schon die Hallenaufsicht einschreitet, wenn ein man ein Plakat außerhalb der eigenen Koje aufhängt. 

Meine erste Lesung der "Kundry" aus "Wüste, Liebe und Computer" gleich am ersten Messetag 12.00 Uhr mittags war nur schwach besucht. Später kamen Interessierte an den Stand, fragten nach der angekündigten Lesung - da war sie schon gelaufen. Abends im schönen barocken Gohliser Schlößchen. wo die Lyriklesungen stattfanden, kamen sehr viel mehr Besucher zur Hafislesung. Und als Uta Franck und Peter Beuchelt am Samstag im Erzählerforum drei Märchen aus dem "Prinzen im Schaffell" erzählten, blieben selbst die Kleinsten gebannt sitzen, obwohl die Märchen eher für Kinder ab acht oder neun geeignet sind. 

Leider erst am Freitag trafen die Pixelbücher und -karten von Sabrina und Enno ein. So konnte ich nur für die beiden letzten Messetage die zusätzlichen Exemplare und Karten zu meinem Tagebau-Band auslegen und das PIXELICH Tagebuch in dichter Reihe und damit Aufmerksamkeit erhöhend präsentieren. Die Karten wurden gerne gegriffen, in den Büchern wurde geblättert, nur die Kaufbereitschaft ließ zu wünschen übrig. Mal sehn, wie die Mainzer auf der Minipressenmesse im Mai und die Frankfurter auf der Buchmesse im Herbst das Pixelbuch annehmen.

Sehr bewegend war die Lesung der Schriftstellerin Ines Geipel, die ihr neuestes Buch, ganz fern der Literatur, vorstellte: "Verlorene Spiele" - eine Recherche über die gedopten Sportlerinnen der Ex-DDR. Sie selbst gehörte zu den Opfern, war Nebenklägerin im Prozeß gegen den Cheftrainer und den Ministerialverantwortlichen letztes Jahr in Berlin. Deren Verteidiger: ein früherer hauptamtlicher Stasifunktionär, der die Aussagen der Zeuginnen herunterspielte und lächerlich zu machen versuchte. Ines Geipel: nach dem Prozeß wurden fast alle der 22 Nebenklägerinnen krank - einige mußten ins Krankenhaus. Die Angeklagten erhielten Bewährungsstrafen, legten selbst dann noch Revision ein. Die Opfer wurden wieder zu Opfern. Es erinnert gespenstisch an die Prozesse gegen die Naziverbrecher. Deren Nazianwälte attackierten in ähnlich aggressiver, ja menschenverachtender Weise die KZ-Opfer, die wieder zu Opfern wurden.
 
 

Monday, March 19, 2001

Ich bin stolz auf meinen Gartenteich von Regina Berlinghof @ 20:58

Ich bin stolz auf meinen Gartenteich. Ich habe ihn selbst gezimmert. Als das Ikea-Planschbecken, mein erster Gartenteich, undicht wurde, griff ich notgedrungen zu Hammer und Schlagbohrer. Es gab bei Ikea keinen hölzernen Sandkasten mit Planschbeckeneinlage mehr. Einen richtigen Teich konnte ich nicht anlegen. Mein "Garten" ist nichts als die Dachterrasse auf den Hofgaragen. Zwar ganz schön groß, aber kein richtiger Garten. (Burkhard, ich beneide Dich!). Also hab ich mir das Holzgerüst gezimmert und gestrichen und mit Folie bespannt. Dann das Wasser eingelassen, die Tauchpumpe eingesetzt - und alles funktionierte. Gott, war ich stolz! - Und weshalb? Weil ich etwas machte, für das ich nicht sonderlich begabt bin. 
Guido Westerwelle schreibt heute in der FAZ in Englisch (!): I'm proud to be a German. Wieso sollte ich stolz darauf sein, eine Deutsche zu sein? Was habe ich denn getan? Stolz zu sein, weil Goethe Deutscher war und Kant und Schopenhauer und Beethoven und noch ein paar andere Geistesgrößen? Etwa stolz auf Hitler und seine Bande? Stolz auf Ulbricht? Wieso muß man Anleihen bei anderen machen, um stolz zu sein?
Überhaupt - muß man stolz sein? Wenn man etwas tut, was Spaß macht und innere Befriedigung gibt, reicht das nicht aus? Und wenn das Ergebnis dieses Tuns für andere sinnvoll und nützlich ist, kommt Freude hinzu - wozu noch Stolz?. 
Das Bedürfnis nach Stolz bzw. stolz sein wollen, scheint mir eine Größe umgekehrt proportional zum eigenen Selbstbewußtsein zu sein. 
 

Monday, March 19, 2001

Das Opfer - 11 (Schluß) von Regina Berlinghof @ 20:15

Nachts lag Anja neben Daniels Bett, hörte sein erbärmliches Weinen und teilte sein Grauen vor den hellen großen Gestalten. Sie war inzwischen erschreckend abgemagert. Ihre Augen lagen in dunklen Höhlen und brannten stechend aus dem Dunkel. Sie war noch nicht einmal dreißig - aber in ihr Gesicht waren tiefe Furchen gezogen. Ihre Haut war schlaff und trocken geworden wie die einer Fünfzigjährigen. Sie hatte wieder angefangen zu rauchen. Und während sie noch zitternd die brennende Zigarette ausdrückte, langte sie schon wieder nach der Schachtel, um sich die nächste anzustecken.

 Eines Morgens sah sie in den Spiegel und sah das Wrack, das sie geworden war. Und das Schlimmste war, daß sie wußte, daß Daniel sie nicht mehr erkennen würde, wenn er je zurückkam. Sie hatte nicht geglaubt, daß es noch eine Steigerung der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit geben könnte. Aber als sie sich jetzt sah - fremd für sich und fremd für ihr Kind, ihr öffentliches Auftreten ein sinnloses Treten auf den Gashebel, weil niemand einen Gang einlegte und sein Verhalten einkuppelte, ihre Verzweiflung nichts als Futter für die sensationsgierige Öffentlichkeit, da starb der Motor in ihr. Ihre Gefühle lösten sich auf in einem grauen Nichts. Es gab nichts mehr zu ertragen und nichts mehr zu tun. Was sollte sie noch - sie konnte doch nichts bewirken. Eine große Gleichgültigkeit breitete sich aus. Zählte überhaupt noch etwas? Sie dachte an Daniel - selbst ihr Sohn, ihre tiefste Liebe, war fern gerückt - nicht mehr fühlbar, nicht mehr greifbar. Sie erschrak vor dieser Liebelosigkeit als hätte sie etwas getötet. Aber je länger sie zuschaute, um so mehr erstarb in ihr. Ihr Verstand sagte ihr, daß sie dieses Sterben nicht zulassen dürfe. Aber das Leben schien ihr unwirklicher zu sein als der Tod. Sollte sie doch sterben. Wie ein dünnes Echo klang Daniels Weinen durch die dicke Schicht der Gleichgültigkeit. Nur noch ein letztes Wehren, nicht einmal mehr Aufbäumen. 

"Hört ihr mich," wisperte sie. "Bitte gebt ihn frei. Nehmt mich dafür. Er kann doch nichts dafür. Ich bin schuld. Ich habe es geschehen lassen. Ich habe zugesehen, ohne wissen, ohne sehen zu wollen. Aber das Kind ist unschuldig! Nehmt mich an seiner Stelle! - Bitte nehmt mich! An mir ist sowieso nichts mehr gelegen! Warum vergreift ihr euch an einem unschuldigen Kind! Nehmt mich - ich weiß wenigstens, warum es mir geschieht!" Ihre Kräfte verließen sie. Sie sank auf den Boden.

Daniels Weinen verfolgte sie selbst in den Abgrund. "Bitte," flüsterte sie, "laßt ihn und nehmt doch mich! Alles ertrage ich, nur nicht sein Weinen!" Das Weinen wurde lauter und durchdringender. Es füllte das Dunkel, in das sie gefallen war. "So helft ihm doch, laßt ihn in Ruhe!" "Mama," schrie Daniels Stimme, "Mama!" Er war so nahe. Sie streckte suchend die Arme nach ihm aus. "Daniel, wo bist du?" "Mama, Mama," er weinte, wie er sonst zuhause geweint hatte, wenn er sich verlassen fühlte. Ihre Augen öffneten sich. Ihr Blick fiel auf Daniel, der sich an die Stäbe seines Bettchens klammerte und kläglich nach ihr rief. 

Noch betäubt, schwach, ungläubig richtete sie sich auf. Ja, es war Daniel, der in seinem Bettchen weinte. Begreifen und Aufspringen war eines. Sie war an seinem Bett, nahm ihn auf und drückte ihn an sich. Während sich noch in sein Weinen ihre Tränen der Erleichterung und tiefer Dankbarkeit mischten, hörte sie das Telefon klingeln. Sie drückte Daniel fester an sich. Das Telefon gab nicht auf. Daniel fing wieder heftiger an zu weinen. Schließlich raffte sie sich auf und ging mit Daniel im Arm zu der unerbittlichen, fühllosen Klingelmaschine.

"Frau Siebert?" hörte sie Rosemarie Wahlbrechts atemlose Stimme.

"Ja?" 

"Es - es ist etwas Schreckliches passiert. Ihr Mann... ihr Mann ist plötzlich verschwunden." 

Einen Augenblick stand für Anja die Zeit still. Dann atmete sie langsam und tief aus. "So? Und?"

"Verstehen Sie mich denn nicht? Er ist einfach verschwunden! Wie in Luft aufgelöst!" 

"Ich verstehe sehr gut! Wie ist es denn passiert?"

"Wir hatten eine Besprechung in seinem Zimmer - und plötzlich war er nicht mehr da! Es ist uns allen völlig unerklärlich!"

Anja gab Daniel einen Kuß. Dann sagte sie: "Frau Wahlbrecht, sie sollten besser Oberkommissar Reuter von der Polizei verständigen. Er wird sich um den Fall kümmern."

Sie legte auf. Ein feines Lächeln, das erste seit Daniels Entführung, umspielte ihren Mund.
 

Sunday, March 18, 2001

Das Opfer 10 von Regina Berlinghof @ 10:11

"Leider ja. Es ist uns ein Rätsel, wie das Kind verschwunden ist. Nach unseren Erkenntnissen, muß der Täter über einen Hausschlüssel verfügt haben. Aber auch diese Spur führt nicht weiter."

Siebert bedankte sich. Von der Polizei war keine Hilfe zu erwarten. Er wußte nicht, wie er Anja zur Vernunft bringen konnte. Er mußte abwarten und auf die Wirkung der Zeit vertrauen.

Anja hatte kein Abendessen vorbereitet. Er schnitt sich ein paar Brote und bediente sich aus dem Kühlschrank. Am nächsten Morgen mußte er sich selbst den Kaffee kochen. Anja war nicht aufgestanden, um ihm das Frühstück zu bereiten. Als er am Abend nach Hause kam, hatte Anja die Bücher wieder auf seinem Schreibtisch aufgetürmt. Sie selbst ließ sich nicht blicken und hatte wieder kein Essen vorbereitet. Für Siebert wurden die Abende und Morgen zuhause unerträglich. Seine Frau ging ihm aus dem Weg. Er mußte sich seine Mahlzeiten selbst zubereiten. Jedesmal fand er die Bücher auf seinem Schreibtisch, jedesmal räumte er sie fort. Er gewöhnte sich an, abends noch länger im Labor zu bleiben und in Restaurants zu essen. Immer wieder kehrte er doch zurück in der Hoffnung, daß Daniel gefunden und seine Frau endlich zur Vernunft gekommen sei. 

Dann kam der Eklat. Anja war zum Tierschutzbund gegangen und hatte dort ihre Geschichte erzählt. Man hatte ihr ungläubig zugehört - und hielt ihre Geschichte für ebenso unwahrscheinlich und absurd wie ihr Mann. Und während Anja noch erzählte, sah sie sich mit den Augen der Tierschützer - eine hysterische Frau, die sich in ihrer Verzweiflung an jeden Strohhalm klammerte. In ihren Augen ging es ihr nicht um den Tierschutz, sondern nur um die Rettung ihres Sohnes. Trotzdem konnte sie es nicht fassen. Sie wollten ihre Hilfe nicht. Denn war es nicht eine Hilfe für die Tierschützer, wenn die Frau des bekanntesten und angesehensten Kämpfers für die Tierversuche sich auf einmal auf ihre Seite stellte? Nein, auch sie glaubten ihren Träumen nicht. Sie hatten Angst, sich mit einer Phantastin einzulassen. Mit dem Übernatürlichen, Übersinnlichen wollten sie nichts zu tun haben. Sie hatten Angst, sich mit ihr lächerlich zu machen und der Sache mehr zu schaden als zu nutzen. 

Anja gab so schnell nicht auf. Wenn die Tierschützer nicht auf sie hören wollten, dann würde die Presse ein offenes Ohr für sie haben. Zu ihrem Erstaunen reagierte die örtliche Zeitung ähnlich vorsichtig abweisend wie die Tierschützer. Erst die Boulevardpresse nahm sich ihrer Geschichte freudig an. Es gab dicke Schlagzeilen auf der ersten Seite. "Gibt es höhere Intelligenzen?" "Haben Besucher von anderem Stern Daniel entführt?" "Sind die Fremden Anwälte der Tiere?" "Ein Menschenkind als Versuchskaninchen bei Außerirdischen". Die Wellen schlugen hoch. Die privaten Fernsehsender und schließlich auch die öffentlich-rechtlichen Programme kamen nicht mehr umhin, sich des Themas anzunehmen. Die Talk-Shows rissen sich um Anja. Und Anja trat auf und sprach. Man hätte am liebsten sie und ihren Mann in einem gegenseitigen Show-down zusammen auf den Bildschirm gebracht. Aber Jürgen Siebert verweigerte wenig überraschend alle Interviews und jede Beteiligung am Medienbetrieb.

"Wenn du glaubst, daß du mich klein kriegst, indem du mich und meine Arbeit durch den Dreck ziehst, dann irrst du dich!" hatte er nur einmal zwischen seinen Zähnen ausgespuckt, als Anja von einer Talkshow nach Hause kam. Ansonsten herrschte Schweigen zwischen ihnen, wenn sie sich überhaupt noch sahen. Sie mieden sich einander - mieden die Begegnungen in Bad und Küche. Jürgen Siebert herrschte über Wohn- und Schlafzimmer. Anja Siebert hatte sich in Daniels Zimmer und im Gästezimmer verbarrikadiert. Keiner zog aus dem Haus, obwohl die Gegenwart des anderen unerträglich geworden war. Es war die aberwitzige Hoffnung auf Daniels Rückkehr, die sie an das Haus geschmiedet hielt.

Anjas Geschichte entfachte einen öffentlichen Sturm, der sich gegen die Tierversuche, die KZ-Bedingungen der Massentierhaltung und die Grausamkeiten der Tiertransporte richtete. In der Praxis änderte sich nichts. Tagtäglich verließ Jürgen Siebert das Haus, um in seinem Labor die Versuche fortzusetzen. Billiges Fleisch war weiterhin gefragt - und der Absatz von Medikamenten und Kosmetika zeigte eher eine steigende Tendenz. 

Nachts lag Anja neben Daniels Bett, hörte sein erbärmliches Weinen und teilte sein Grauen vor den hellen großen Gestalten. Sie war inzwischen erschreckend abgemagert. Ihre Augen lagen in dunklen Höhlen und brannten stechend aus dem Dunkel. Sie war noch nicht einmal dreißig - aber in ihr Gesicht waren tiefe Furchen gezogen. Ihre Haut war schlaff und trocken geworden wie die einer Fünfzigjährigen. Sie hatte wieder angefangen zu rauchen. Und während sie noch zitternd die brennende Zigarette ausdrückte, langte sie schon wieder nach der Schachtel, um sich die nächste anzustecken.

Saturday, March 17, 2001

Das Opfer - 09 von Regina Berlinghof @ 22:20

In der Nacht kehrte der alte furchtbare Traum wieder. Die helle, graueneinflößende Gestalt näherte sich ihr - und diesmal hielt sie stand. Dann begann die Gestalt plötzlich mit hoher dünner Stimme zu sprechen. "Endlich hast du begriffen - wenn auch noch nicht ganz. Daniel wird nicht das einzige Opfer bleiben. Wir holen uns solange Eure Kinder, bis ihr verstanden habt. Sag es ihnen!" 

Anja wachte zitternd auf. Am Morgen erzählte sie Jürgen von dem Traum und seiner Botschaft. Ihr Mann seufzte und notierte sich innerlich, einen Psychiater zu konsultieren.

"Du hältst mich für verrückt, nicht wahr?" Sie stand zitternd und mit verzerrter Miene vor ihm. "Aber woher willst du das so genau wissen! Kannst du beweisen, daß es keine anderen Intelligenzen in diesem Kosmos gibt? Kannst du beweisen, daß ich unrecht habe?"

Er schüttelte den Kopf. "Aber es ist doch völlig unwahrscheinlich! Dann hätten wir sie doch längst bemerken oder irgendwie wahrnehmen müssen!"

"Vielleicht sind sie für uns unsichtbar. Vielleicht sind sie um uns, ohne daß wir etwas von ihnen merken - außer einem Kältestrom? Ich sage dir, sie haben Daniel genommen!"

"Du hast zuviel Science-Fiction gelesen. Und du hast Angst um Daniel. Du darfst beides nicht vermengen!"

 "So - darf ich nicht?" Wie ein wildes Tier hätte Anja sich am liebsten auf ihn gestürzt und ihn zerrissen. Haß, Schmerz und Verzweiflung brodelten kochend durcheinander. "Aber ich weiß, daß es wahr ist! Sie halten Daniel in einem Käfig wie du deine Tiere! Und er hat Angst und leidet! Jede Nacht höre ich ihn schreien, während du stumpf und schnarchend neben mir liegst und keinen Gedanken an ihn verschwendest!"

Jürgen Siebert stand so heftig auf, daß der Stuhl umfiel. Keiner der beiden hob ihn auf. Er knallte die Tür hinter sich zu, als er zum Labor aufbrach.

Anja fuhr in die große Buchhandlung in der Innenstadt und holte sich alle vorrätigen Bücher über die Wahrscheinlichkeit von außerirdischen Intelligenzen. Außerdem besorgte sie sich alle Materialien über Tierschutz und Tierversuche, derer sie habhaft werden konnte. Als sie sie zuhause durchgelesen und durchstudiert hatte, bestellte sie weitere Bücher, die sie in den Buchverzeichnissen gefunden hatte. Sie ging in die Bücherei und holte sich dort, was sie noch nicht kannte. Sie stapelte die Bücher auf Jürgens Schreibtisch auf und legte einen Zettel darauf: "Lies!"

Als Jürgen Siebert abends den Bücherstapel vorfand, räumte er ihn seufzend zur Seite. Was sollte er diese Bücher lesen! Er wußte genau, was darin stand. Er rief Oberkommissar Reuter an und fragte nach dem neuesten Stand der Ermittlungen. 

"Leider kann ich Ihnen nichts Neues sagen. Alle Spuren, soweit überhaupt vorhanden, verlaufen im Sande."

"Und wie es es mit Spuren an unserem Haus? Meine Frau hat sich unglücklicherweise in die Idee verrannt, daß höhere Intelligenzen Daniel geraubt haben, um an ihm Versuche durchzuführen. Sie glaubt, daß wir ihn nur zurückbekommen, wenn wir Menschen alle Tierversuche einstellen."

"Sie meinen nach dem Motto "Was du nicht willst, daß man dir tu...?"

"Man könnte es so nennen." Professor Siebert fühlte sich auf einmal sehr unwohl in seiner Haut. "Natürlich ist diese Idee absurd. Aber meine Frau klammert sich gewaltsam daran, weil am Haus keine Spuren gefunden wurden. Stimmt das tatsächlich noch?"

"Leider ja. Es ist uns ein Rätsel, wie das Kind verschwunden ist. Nach unseren Erkenntnissen, muß der Täter über einen Hausschlüssel verfügt haben. Aber auch diese Spur führt nicht weiter."
 
 

Wednesday, March 14, 2001

Das Opfer - 08 von Regina Berlinghof @ 22:02

Sie sprang aus dem Bett. Ihr Mann saß in seinem Arbeitszimmer vor dem Computer und arbeitete. "Du mußt diese Tierversuche einstellen, sofort," sagte sie. "Alle Tierversuche müssen eingestellt werden. Dafür müssen wir sorgen. Es ist unsere einzige Chance, Daniel wieder zurückzubekommen."

"Was haben meine Versuche mit Daniel zu tun?" Jürgen Siebert sicherte seine Datei und stand auf. Offensichtlich war Anja nicht mehr Herrin ihrer selbst. Es war alles zuviel für ihre Nerven.

"Ich glaube, ich weiß jetzt, was meine Träume bedeuten," sagte Anja und unterdrückte den wieder aufsteigenden Haß. Nur ein Augenlid flatterte auf und nieder. Sie holte tief Luft. "Hast du je an die Möglichkeit gedacht, daß wir nicht die einzigen Lebewesen im Kosmos sind? Ich meine, daß sich nicht nur auf der Erde Lebewesen entwickelt haben? Hast du je daran gedacht, daß es irgendwo Lebewesen geben könnte, die sehr viel intelligenter sind als wir Menschen und denen wir so primitiv und dumm vorkommen wie uns die Tiere? Was ist, wenn eine solch überlegene außerirdische Intelligenz uns auf der Erde gefunden hat, und was, wenn sie für sich die gleichen Rechte herausnehmen, wie wir gegenüber den Tieren? Was ist, wenn sie Versuche an Menschen unternehmen, die ihrem Fortschritt und ihrer Wissenschaft dienen?" Sie wartete auf seine Reaktion - auf sein Verstehen.

Jürgen Siebert hatte den absurden Mutmaßungen seiner Frau zugehört, ohne einen Muskel zu verziehen. Verrückte und Schlafwandler soll man nicht plötzlich aus ihren Wahnvorstellungen reißen. Sehr vorsichtig sagte er: "Und du glaubst, daß eine solch überlegene intelligente Rasse unseren Daniel entführt hat? Um Versuche an ihm durchzuführen?" 

"Meine Träume sagen es mir! Ich sehe und höre ihn doch!" Sie beschrieb ihm ihren letzten Traum - die helle, lachende und grauenerregende Gestalt, Daniels schmerzhaftes, verängstigtes Weinen, den Stich, den sie brennend gespürt hatte. Die Erinnerung war so furchtbar, daß sie in Weinen ausbrach. "Man hat ihn als menschliches Versuchstier entführt. Sie tun ihm weh, und er hat Angst!" 

"Laß uns später darüber sprechen Anja, wenn du ruhiger bist. Du bist völlig erschöpft - du mußt dich ausruhen." 

Anja spürte verzweifelt ihre Hilflosigkeit. Sie konnte Jürgen nicht erreichen - ihre Worte prallten von ihm ab wie Wassertropfen von einem imprägnierten Regenmantel. Sie mußte ruhig werden, sich beherrschen, logisch argumentieren. Sie mußte sein Spiel spielen. Nur damit konnte sie eine Bresche in seine Festung schlagen.
"Und was ist mit dem kalten Luftzug, den die Polizei nicht erklären kann? Und wie kann jemand eingedrungen sein, wenn es keine Anzeichen von Gewalt gibt? Und warum hat sich kein Entführer gemeldet und Lösegeld verlangt? Aber eine überlegene Intelligenz braucht keine Schlüssel, um in unser Haus einzudringen - und sie kann Daniel entführen, ohne Spuren zu hinterlassen! Verstehst du denn nicht! Wir müssen hier alle Versuche einstellen - dann hören sie auch auf, Daniel zu quälen! Es ist unsere einzige Chance, Daniel wiederzubekommen!"

Anjas Augen brachen sich an dem klinischen Blick ihres Mannes.

"Es ist spät. Ich bin sehr müde. Wir können morgen weiter darüber sprechen. Du kannst deine Hypothese ja auch mit Oberkommissar Reuter besprechen. Aber jetzt laß uns schlafen gehen!"

"Nein - jetzt müssen wir miteinander reden. Es geht um Daniel! Und wenn ich nur eins zu hundert recht hätte - und wenn wir so Daniel retten könnten - wäre das nicht allein ausschlaggebend?"

"Und was ist mit den Menschen, deren Leben wir durch diese Versuche retten können? Die mußt du auch in die Waagschale werfen!"

"Und ich werfe das Leiden all der Tiere in die Waagschale Daniels! So viele Tiere, damit ein Mensch ein bißchen länger leben kann!"

"Diese Diskussion führt zu nichts. Sie entbehrt jeder Grundlage und Wahrscheinlichkeit. Es hat doch keinen Sinn! Auf diese Weise bekommen wir Daniel nie zurück."

Anja sah ihren Mann lange an. Dann ging sie in Daniels Zimmer und richtete sich dort mit Matratzen eine Schlafstatt ein.

In der Nacht kehrte der alte furchtbare Traum wieder. Die helle, graueneinflößende Gestalt näherte sich ihr - und diesmal hielt sie stand. Dann begann die Gestalt plötzlich mit hoher dünner Stimme zu sprechen. "Endlich hast du begriffen - wenn auch noch nicht ganz. Daniel wird nicht das einzige Opfer bleiben. Wir holen uns solange Eure Kinder, bis ihr verstanden habt. Sag es ihnen!" 

Saturday, March 10, 2001

Das Opfer - 07 von Regina Berlinghof @ 17:56

Schneller als er reagieren konnte, war sie aufgesprungen und durch die Seitentür ins Labor geschlüpft.

Rosemarie Wahlbrecht, die engste Mitarbeiterin Professor Sieberts und gut befreundet mit Anja, stand an dem großen Tisch in der Mitte des Raumes, dessen Seitenwände mit Drahtkäfigen tapeziert war. Vor ihr, in ein Metallgestell eingezwängt, so daß selbst der Kopf festsaß, hockte eine grauweiße Katze. Aus ihrer Schädeldecke ragten Drähte, die an ein Gerät angeschlossen waren. Eine Maschine flößte ihr in kurzen Abständen mit einer Art Einwegkanüle eine Flüssigkeit ein. Jedesmal schlugen dann auf dem Bildschirm des Meßgerätes einige flache Linien in heftige Wellengebirge aus. Die Katze, die der Kanüle nicht ausweichen konnte, mußte schlucken und schlucken. Bei jedem Schluck flackerte der Bildschirm in wilden Wellenlinien. Rosemarie kam auf Anja zu und streckte ihr die Hand entgegen. Anja schien es, als käme eine Greifzange auf sie zu, an deren Enden Kanüle hingen. Sie zitterte, es wurde ihr übel, dann wurde es um sie schwarz.

Sie wachte zuhause in ihrem Bett wieder auf. Als sie ihren Mann neben sich am Bett sitzen sah, stöhnte sie auf und wandte sie ab.

"Anja, laß mich erklären..."

"Laß mich in Ruhe - und rühr mich nicht an. Ich will schlafen."

Sie hörte, wie ihr Mann aufstand und das Schlafzimmer verließ. Sie war so müde, ihr Körper völlig zerschlagen. Als sie die Augen schloß, kamen die Bilder zurück. Nein, es war nur ein Bild - das der schluckenden, drahtimplantierten Katze. Tränen fingen an, über ihr Gesicht zu laufen. "Sie hat nicht einmal schreien können - nur schlucken, schlucken..." Sie sah sich selbst mit der Zwangsgabel im Genick. Ihr Mund war aufgesperrt - und eine riesige Kanüle fuhr hinein und entlud ihren Inhalt. Und sie mußte schlucken, schlucken, nur schlucken. Dann sah sie sich, wie sie früher elegant gekleidet, voll Stolz durch ihr Haus gegangen war und die Gäste empfangen hatte. Jürgen war stolz auf sie, weil sie so schön und strahlend war. Ihre Freundlichkeit und ihr Charme hatten alle bezaubert. Und im Hintergrund gab es da eine Katze, die schlucken mußte. Tiere, denen Drähte in den Kopf gepflanzt waren. Tiere, denen brennende, ätzende Tinkturen eingeflößt, in die Augen geträufelt oder auf die Haut aufgetragen wurden. Da war ihr erfolgreicher, gutaussehender Mann, der Mann, der sie liebte - der Mann, dessen Erfolg und Überlegenheit auf dem Elend der Tiere begründet war. Sie alle hatten von dem Elend gelebt und profitiert. Auch sie selbst. Sie hatte es gebilligt, daß ihr Mann mit Tierversuchen arbeitete. Aber hatte sie wirklich gewußt, was er da tat? Hatte sie es denn wirklich wissen wollen? Sie hatte sich mit Worten und Erklärungen zufrieden gegeben. Es geschah ja nicht, um die armen Geschöpfe zu quälen. Es diente dem Leben und der Gesundheit der Menschen. Damit schien alles gerechtfertigt zu sein. Oder wollte sie vielleicht ohne ein rettendes Medikament sterben - nur weil man es nicht erproben durfte? "Aber um welchen Preis - um welchen Preis," stöhnte sie auf. Hatte sie sich je gefragt, ob der Mensch so rücksichtslos sein eigenes Wohlergehen über alles stellen durfte? "Woher haben wir das Recht? Woher nehmen wir es uns?" 

Und dann tauchte das Bild auf, vor dem sie sich so fürchtete. Das Bild, vor dem sie immer aufgewacht war. Aber jetzt konnte sie nicht aufwachen. Sie war ja wach, so wach, daß sie nicht mehr ausweichen konnte. Sie sah wieder die Katze in der Gabel - und ihre Gestalt veränderte sich, verwandelte sich - und sie sah Daniel eingezwängt in die Halterung - und er mußte schlucken, schlucken. Und hinter ihm stand eine helle, weißgekleidete Gestalt und sah zu - neugierig, interessiert, ohne eine Gefühlsregung. Sie sah nicht auf den schluckenden Daniel - sondern nur auf den Bildschirm mit den Meßanzeigen. Das war es, was die helle Gestalt faszinierte. Alles übrige war ihr gleichgültig - jedenfalls solange alles funktionierte. Solange Daniel schluckte, war sie zufrieden. Alles andere interessierte sie an Daniel nicht. Anja wollte schreien, aber sie hatte keine Kraft. Und wer wäre auch zu Hilfe gekommen?

Und dann, als wäre auf einmal ein Fenster aufgegangen und das Licht hereingeströmt, sah sie, woher die Hilfe kommen mußte und kam! Sie selbst war es, die helfen mußte! Sie war gefordert. Merkwürdig - immer hatte sie geglaubt, daß Hilfe von außen und von anderen kommen mußte. Sie selbst hatte sich nie für verantwortlich - und auch nie für fähig gehalten, etwas tun zu können. Aber an ihr lag es. Sie selbst mußte es tun. 

Sie sprang aus dem Bett. Ihr Mann saß in seinem Arbeitszimmer vor dem Computer und arbeitete. "Du mußt diese Tierversuche einstellen, sofort," sagte sie. "Alle Tierversuche müssen eingestellt werden. Dafür müssen wir sorgen. Es ist unsere einzige Chance, Daniel wieder zurückzubekommen."

"Was haben meine Versuche mit Daniel zu tun?" Jürgen Siebert sicherte seine Datei und stand auf. Offensichtlich war Anja nicht mehr Herrin ihrer selbst. Es war alles zuviel für ihre Nerven.
 
 

Tuesday, March 06, 2001

Kommunalwahlkampf in Hessen oder Alibi ick hör dir trapsen 
von Regina Berlinghof @ 22:47

Die Wahlplakate Kelkheim: 
CDU - 4 Männer, eine Frau in der Mitte
FDP - 4 Männer, eine Frau in der Mitte
SPD - 3 Männer, zwei Frauen (immerhin)
 

Das Opfer - 06 von Regina Berlinghof @ 22:25

Es war der Tag gewesen, an dem sie mit Daniel Jürgen im Labor besucht hatte. Die Mitarbeiter ihres Mannes hatten sich um sie und Daniel geschart und den Sohn des Chefs willkommen geheißen. Da sie den Fotoapparat fast immer bei sich hatte, hatte sie ihn herausgezogen und um ein Gruppenbild gebeten. Jürgen hatte Daniel auf seinen Arm genommen und hielt ihn lachend hoch. Ebenso lachend umringten ihn seine Mitarbeiter in ihren weißen Laborkitteln. Aber Jürgen, ebenfalls in seinem weißen Mantel, überragte und überstrahlte sie alle - eine lichte Gestalt, die alles um ihn und neben ihm verblassen ließ.

Das Foto entglitt ihrer Hand. Anja verharrte gelähmt in dem Sessel, die Augen weit geöffnet und blind geworden. Sie war in eine bleierne Stille eingetaucht. Das Grauen der Nacht hatte sie eingeholt und hielt sie in der Wirklichkeit des wachen Tages gefangen. Als sie sich endlich aus der Starre lösen konnte, war es dunkel geworden. Sie saß allein in dem dunklen Haus. Ihr Mann war noch nicht vom Labor zurückgekehrt. 

Als er endlich eintraf, hatte er schon gegessen. Er stellte den Fernseher an, um die Nachrichten zu hören. Er schaute auf die bunten Bilder aus dem schwarzen Kasten, und Anja wußte, daß er nicht zuhörte. Irgendwie war sie sogar erleichtert. In seiner Gegenwart fühlte sie sich auf einmal beengt und schuldbewußt. Sie hatte das Gefühl, als müßte sie ihm eine Frage stellen. Aber sie brachte es nicht fertig. Nach den Nachrichten schauten sie eine alberne Komödie. Sie sahen sie stumm und ohne zu lachen. In dieser Nacht träumte Anja wieder von dem klagend weinenden Daniel und von der schrecklichen, hellen Gestalt. Die lachte und beugte sich zu Daniel. Daniel heulte schrill weinend auf. Anja spürte einen schmerzhaft bohrenden Stich im Arm. Wie hell brennendes Feuer fraß der Schmerz durch ihr Fleisch. Aber schlimmer noch als dieser Schmerz war Daniels gequältes Schreien und Weinen. Anja gefror das Blut. Sie war wach geworden. Aber der brennende Schmerz im Arm und Daniels Weinen war noch so wirklich und so schrecklich wie in dem Traum. Endlich konnte sie die Hand ausstreckten und das Licht anzünden. Jürgen lag neben ihr, der Mund halb offen. Beim Ausatmen rasselte er dumpf. Dann schien sich der Atem zu verlieren, um in einem plötzlichen aufbegehrenden und stotterndem Schnauben wieder die Luft einzuholen. Anja betrachtete ihren schlafenden Mann nicht zum ersten Mal. Ein weiches Lächeln lösten sonst diese Schnarchtöne aus. Dieses sanfte Schnarchen war die geheime Schwäche dieses herrlichen Mannes, seine Achillesferse, sein Lindenblatt, die winzige Schramme auf der glänzenden Rüstung des Helden. Und nur sie, Anja, wußte um diese lächerliche Schwäche. Sie liebte ihn darum um so mehr. So war es gewesen. Aber als er jetzt wieder zitternd und schnaubend den Atem in sich einzwang, fragte sie sich auf einmal, was sie daran so betörend und liebenswert gefunden hatte. Jürgen lag neben ihr, nichts ahnend von ihrem Schrecken und Daniels Weinen - und schnarchte. Angewidert wandte sie sich ab. Sie stand auf, nahm ihr Bettzeug und zog damit ins Wohnzimmer auf die große Couch.

Als Jürgen Siebert am Morgen feststellte, daß seine Frau aus dem Schlafzimmer ausgezogen war, zog er nur kurz die Lippen hoch. Er aß sein Frühstück wie gewohnt und stellte seiner Frau keine Frage. Er war froh, als er ins Labor entweichen konnte.

Anja wanderte durch das Haus. Eine innere Unruhe trieb sie an, etwas zu tun. Sie mied den Tisch mit den Fotos. Sonst gab es keine Arbeit. Wie ein Tiger hinter Gitterstäben strich sie durch die Räume. Als sie wieder einmal an der verschlossenen Tür des Arbeitszimmers ihres Mannes vorbeikam, blieb sie wie angewurzelt stehen. Dann öffnete sie die Tür und ging zum Schreibtisch. Sie ließ den Computer in Ruhe, weil sie nicht wußte, wie man ihn bediente. Sie öffnete die Schubladen und hastete mit zitternden Fingern durch die Mappen und Ordner. Erst nach einer Weile ließ sie sich auf den Schreibtischstuhl fallen. Sie fühlte sich so erschöpft wie in einem fiebrigen Schwächeanfall. 

Wie harmlos Worte und Bilder sein können, wie nüchtern und solide wissenschaftliche Berichte: Worte geformt zu einfachen, klaren Sätzen, bestehend aus Subjekt, Prädikat und Objekt. Und diese Sätze wiederum logisch fein säuberlich aufeinander geschichtet - Bausteine der wissenschaftlichen Erkenntnis, des Fortschritts und der Zivilisation. Und aus jedem dieser harmlosen Worte, aus jedem dieser kristallklaren Sätze sprang sie das nächtliche Grauen an, das hämisch-gellende Lachen der hellen Lichtgestalt und das gequälte, wimmernde Weinen Daniels. "Verstehst du jetzt, was geschieht?" flüsterte eine Stimme in ihrem Innern. "Oder willst du die Wahrheit immer noch nicht erkennen?" Anja sprang auf. Sie konnte diesen Raum, dieses Haus nicht länger ertragen. 

Jürgen Siebert war nicht sehr erbaut, als seine Frau plötzlich im Büro auftauchte. Er bot ihr höflich einen Platz an. Als er noch nach den rechten Worten für eine einleitende Frage suchte, sagte Anja "Laß mich deine Experimente sehen. Ich will deine Tiere sehen und sehen, was du mit ihnen machst!"

Anja starrte ihn mit bösen und zu Schlitzen verengten Augen an, als wäre er ein Fremder - und ein Gegner. 

"Sicher - aber es würde mich interessieren, warum du ausgerechnet jetzt - ohne jede Vorankündigung - meine Arbeiten sehen willst." Er versuchte, Zeit zu gewinnen. 

Anja konnte seinen Anblick kaum ertragen. Wie herrscherlich er dasaß! Wie kühl und souverän er seine Autorität behauptete. Wie sie ihn einst dafür geliebt und bewundert hatte! Aber das war in jener Zeit, die jetzt ferner war als die eigene Kindheit. 

"Wie gut du taktieren kannst," sagte sie bitter. "Wenn ich daran denke, wie stolz ich war, als du sie im Fernsehen in Grund und Boden geredet hast! - Aber es geschieht mir ja recht. Ich war dumm und blind - und wollte dumm und blind bleiben. Es war ja so viel bequemer und angenehmer!" Sie schluckte. "Ich habe deine Arbeiten gelesen."

"Ich verstehe." Er nickte - mehr zu sich selbst als zu ihr.

Anja staunte über den Haß, der wie ätzende Salzsäure in ihr brannte. Sie kämpfte um ihre Beherrschung. "Ob du verstehst oder nicht, ist mir egal. Ich will nur deine Experimente sehen! Ich will sie selbst sehen!"
"Wir sind gerade in einem sehr wichtigen Versuchsstadium, das keinerlei Störungen verträgt. - Verschieben wir die Besichtigung auf ein anderes Mal, wenn ich dir auch mehr Zeit widmen kann."

Er hatte jenen selbstsicheren, beruhigend sachlich kühlen Ton in der Stimme, mit dem er aufmüpfige Studenten oder aufgeregte Gegner zur Strecke brachte. Anja registrierte den unterschwelligen Bändigungsversuch mit höhnischem Lachen. Die hypnotische Stimme hatte auf sie ihre Wirkung verloren. 

"Halte mich nicht hin - ich kenne deine Tricks! Mich kannst du mit deiner Jovialität und Überheblichkeit nicht mehr beeindrucken!" 

Schneller als er reagieren konnte, war sie aufgesprungen und durch die Seitentür ins Labor geschlüpft.

(Fortsetzung folgt. Die bisherigen Folgen stehen auch auf meiner Homepage: www.regina-berlinghof.de 

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Das Opfer - 05 von Regina Berlinghof @ 19:17

Wann die Träume begonnen hatten, konnte Anja im Nachhinein nicht mehr festmachen. Es war ja auch kein Wunder, daß sie in dieser Situation unter Schlafstörungen litt und von Alpträumen heimgesucht wurde. Die ersten Nächte hatte sie ein Schlafmittel genommen. Aber morgens wachte sie zerschlagen auf und war müder, als sie zu Bett gegangen war. Sie setzte die Tabletten ab und stellte sich der Schlaflosigkeit und den Träumen. Zuerst hörte sie nur Daniels Weinen. Ein Weinen, das in ängstliches Wimmern überging. Sie schreckte hoch. Ihr Herz schlug bis in den Hals. Erst als sie sich beruhigend einredete, daß sie nicht in Wirklichkeit Daniels Stimme gehört, sondern daß ihre Angst diesen Alptraum produziert hatte, konnte sie wieder einschlafen. Ein paar Tage später träumte sie, daß Daniel weinend nach ihr rief. Er schien große Angst zu haben. Irgendwie hatte sie den Eindruck, daß er in einem kleinen dunklen Raum eingesperrt war - ein Raum, der mehr einer Kiste glich. Als sie ihrem Mann davon erzählte, zuckte er die Achseln und redete von typischen Angstträumen. Anja bestand darauf, den Traum der Polizei zu melden. 

Oberkommissar Reuter hörte sich ihren Traum geduldig an. "Zu neunundneunzig Prozent ist es ein Traum, der nichts zu bedeuten hat," sagte er. "Zu einem Prozent besteht vielleicht die Wahrscheinlichkeit, daß es ein Wahrtraum ist. Es hat Fälle gegeben, wo mediale Menschen uns weiterhelfen konnten. Wir hängen das nicht an die große Glocke. Wir kämen vor lauter hilfswütigen Scharlatanen nicht mehr zu unserer eigentlichen Arbeit. - Nur," schränkte er sofort ein, als er Anjas Augen in neuer Hoffnung aufglänzen sah, "nur ist Ihr Traum, selbst wenn er "hellsichtig" wäre, zu vage und gibt zu wenige äußere Anhaltspunkte, daß wir damit etwas anfangen können."

Der Hoffnungsschimmer in Anjas Augen erlosch. Kommissar Reuter wußte nicht, ob er jetzt etwas Falsches und gegen alle Polizeiregeln Widriges sagte, aber er wollte der Frau helfen und Mut zusprechen: "Achten Sie weiter auf Ihre Träume - vielleicht werden sie ja konkreter. Wenn Sie ein Bild von der äußeren Umgebung bekommen, können wir Ihnen vielleicht weiterhelfen."

In der folgenden Nacht hörte sie wieder das unerträgliche Weinen ihres Kindes. Wieder war es mit dem Eindruck der Dunkelheit, des Eingesperrtseins und Verlassenseins verbunden. Als Anja aus dem Schrecken erwachte, konnte sie sich an kein genaueres Bild einer Umgebung erinnern. Sie meinte aber, einmal eine helle große Gestalt gesehen zu haben, die um ihren Jungen strich. In der übernächsten Nacht wiederholte sich der Traum - nur daß auf einmal die helle Gestalt auf sie zukam. Das Aussehen dieser Gestalt war unklar, ihre Konturen verschwommen. Nur als sie näherkam, verströmte sie eine solch furchtbare Kälte und ein namenloses Grauen, daß Anja in kalten Schweiß gebadet aufwachte. Der Traum hielt sie den ganzen Tag gefangen. Sie fürchtete sich vor der kommenden Nacht. Aber sie war fest entschlossen, dieser Gestalt standzuhalten und herauszufinden, was sie von ihr - und von Daniel wollte. Doch als sich die Gestalt wieder näherte, und panische Angstwellen Anja zu überfluten drohten, wachte sie mit einem Schrei auf. Ihr Schrei hatte sogar ihren Mann geweckt, der einen gesunden Schlafmittelschlaf neben ihr schlief. Er nahm sie geduldig in die Arme. Aber Anja war es unmöglich, ihm von dem Traum und von dem entsetzlichen Grauen, das die Gestalt verbreitete, zu erzählen. Fast noch mehr fürchtete sie die üblichen Trostworte, die er ihr geben würde, bei denen sie sich wieder wie ein weinendes Kleinkind vorkam, das von den Eltern wegen einer Nichtigkeit getröstet werden mußte.

 Erst in der vierten Nacht brachte sie es fertig, die Terrorgestalt zitternd zu fragen: "Was willst du?" Aber noch bevor die Gestalt antworten konnte, war sie wieder in panischer Angst aufgewacht. Anja Siebert wußte nicht mehr, wie sie die Tage verbringen sollte. Das bißchen Haushalt war zu schnell gemacht. Zum Lesen konnte sie sich nicht mehr konzentrieren. Selbst die Ablenkung durch den Fernseher half nicht mehr. Ihre Schwester, die sie anfangs täglich besucht hatte, war in ihren Alltag zurückgekehrt. Sie telefonierten häufig. Anjas Freundinnen riefen nicht mehr ganz so oft an. Sie hatten Scheu, das Thema anzusprechen, an das sie doch immerfort denken mußten. Sie versuchten, Anja zu zerstreuen. Anja hatte sich das anfangs gerne gefallen lassen. Aber seit den Träumen wollte sie sich nicht mehr ablenken lassen. Warum sollte sie sich von dem Wichtigsten, das sie und ihr verschwundenes Kind betraf, ablenken lassen? Nach dem Gespräch mit Oberkommissar Reuter sprach sie auch nicht mehr mit ihm über die Träume. Eine unerklärliche Angst hatte sie befallen, die Träume könnten sich auflösen, zerfließen, wenn sie über sie redete. Diese Träume wollten nicht, daß sie über sie sprach. Erst mußte sie sie verstehen. 

In der aufgeräumten und sorgfältig gereinigten Wohnung ging Anja daran, die Bücher in den Regalen zu durchzusortieren. Dann ordnete sie die Schallplattensammlung neu. Schließlich wandte sie sich den Fotoalben zu und klebte die restlichen losen Bilder nach. Es waren meist Bilder von Daniel. Die Babybilder waren schon in einem vollen Album untergebracht. Die letzten zwei Filme, die noch nicht eingeklebt waren, zeigten das Vorstadium des Krabbelalters und Daniels erste Krabbelversuche. Anja saß vor den Bildern. Es waren Bilder wie von einem anderen Stern. Sie erinnerte sich noch genau an die Situationen, in denen sie aufgenommen worden waren. Sie sah sie klar und deutlich vor sich - doch wie durch eine Glaswand. Sie starrte in Daniels Gesicht, das lächelte oder zu einer Grimasse verzogen war. Ewigkeiten saß sie so und starrte. Es dauerte stundenlange Minuten, bis sie ein Bild in das Album geklebt hatte und sich dem nächsten zuwenden konnte. Es war vielleicht das zwanzigste Bild, bei dem ihr der Atem stockte. Das Bild verschwamm vor ihren Augen, ihr ganzer Körper begann zu zittern und zu frieren. Sie konnte nichts mehr erkennen - aber sie brauchte auch das Bild nicht zu sehen. In ihrem Innern sah sie, was auf dem Bild abgebildet war. Es war der Tag gewesen, an dem sie mit Daniel Jürgen im Labor besucht hatte. Die Mitarbeiter ihres Mannes hatten sich um sie und Daniel geschart und den Sohn des Chefs willkommen geheißen. Da sie den Fotoapparat fast immer bei sich hatte, hatte sie ihn herausgezogen und um ein Gruppenbild gebeten. Jürgen hatte Daniel auf seinen Arm genommen und hielt ihn lachend hoch. Ebenso lachend umringten ihn seine Mitarbeiter in ihren weißen Laborkitteln. Aber Jürgen, ebenfalls in seinem weißen Mantel, überragte und überstrahlte sie alle - eine lichte Gestalt, die alles um ihn und neben ihm verblassen ließ.

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Taliban, Kultur und Glauben  von Regina Berlinghof @ 19:11

Ich sehe gerade die ZDF-Nachrichten. Bericht über die Zerstörung der Buddha-Statuen in Afghanistan durch die Taliban.
Man könnte lachen, wenn es nicht so zum Weinen wäre: die wahren Götzengläubigen sind die Taliban. Offensichtlich müssen sie die Steinstatuen so fürchten, daß sie sie einfach nicht in Ruhe lassen können. 
Wahrlich, ihr Vertrauen in Allah und seine Allmacht ist so klein wie ihre Dummheit groß ist.

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Thursday, March 01, 2001

Schreiben, Kultur und der ganz normale Bücherwahnsinn 
von Regina Berlinghof @ 07:43
 
 
 
Vor 4000
Jahren
Erhabene Götter, weise Priester!

Ich habe einen Weg gefunden, wie man leichter schreiben kann: wir brauchen nicht länger Steine zu behauen.
Wir können aus Lehm und Ton Täfelchen formen und in die weichen
Tafeln mit einem Griffel unsere Schriftzeichen hineinritzen und die fertigen
Schrifttafeln mit Feuer härten. So können wir leichter und schneller
die Verse zu Eurem Ruhm verewigen!

  Fort mit Dir, Elender! - Wie kannst
Du die ewigen Lobgesänge für unsere Unsterblichen auf Material
aus schmutzigem Lehm und Ton festhalten? Das ist der Götter unwürdig!
Nur der Fels ist rein wie die Götter. Nur in Fels dürfen wir
unsere Lobgesänge einmeißeln!
Vor 3000
Jahren
Erhabene
Götter, weise Priester!
Ich habe einen Weg gefunden, wie
man leichter schreiben kann: wir brauchen nicht länger Steine zu behauen.
Wir können aus der Papyruspflanze dünne Rollen herstellen und
mit Farbe darauf schreiben. So können wir leichter und schneller die
Verse zu Eurem Ruhm verewigen!
  Fort mit Dir, Wahnsinniger! -
Wie kannst Du die ewigen Lobgesänge für unsere Unsterblichen
auf einem dünnen vergänglichen Wisch festhalten? Das ist der
Götter unwürdig! Nur der Fels ist ewig wie die Götter. Nur
in Fels dürfen wir unsere Lobgesänge einmeißeln!
vor 500
Jahren
Freunde! Ich habe eine Methode gefunden, wie man mit gegossenen beweglichen Lettern Bücher drucken kann. Jede Seite läßt sich unendlich schneller und leichter vervielfältigen, als wenn sie mit der Hand abgeschrieben werden muß!
  Pfui Teufelszeug! Nur der Teufel
hat es eilig! Diese beweglichen Lettern verführen die Menschen, nicht
mehr nur die Bibel zu vervielfältigen, sondern auch die heidnischen
Schriften der Alten zu verbreiten!

Wo kommen wir denn hin, wenn jeder Bauer sich ein Buch
leisten kann und die heilige Kirche nicht mehr allein das Sagen hat!

Vor 100
Jahren
Freunde! Ich habe eine Maschine mit beweglichen Köpfen erfunden, mit der man viel schneller Briefe, Gedichte und Romane verfassen kann.
  Schrecklich, diese seelenlosen Klapperkästen! Wer da glaubt, auch nur einen einzigen genialischen
Gedanken mit einer solchen Maschine verfassen zu können, ist und bleibt nur ein armseliger Stümper!

Gibt es nicht schon genug Schundliteratur in der Welt?

vor 50 Jahren Liebe Leute! Ich habe einen Kugelschreiber erfunden, der es ermöglicht, daß das Schreibgerät wie ein Bleistift frei nach jeder Richtung geführt und gehalten werden kann.
  So ein formloses Schreibgerät
verführt nur zu Schludrigkeit, falscher Handhaltung, schließlich zu falschem und schludrigem Denken. Wer Qualität beim Schreibinstrument aufgibt, hat auch kein Qualitätsbewußtsein im Formulieren.
Vor 20-10
Jahren
Liebe Freunde! Ich habe jetzt einen Computer! Damit kann ich viel besser schreiben und meine Texte korrigieren!
  Schrecklich! Dieses Volksverdummungsinstrument
erlaubt nur sinnlose Massenproduktion, zwingt nicht mehr zu Qualität und Gehalt! Statt Kopf und Verstand regiert eine Maschine!
Vor 10-2
Jahren
Liebe Kollegen! Ich bin jetzt im Internet und publiziere online meine Texte! Jeder kann meine Texte lesen, ohne daß ich lange nach einem Verleger oder einem teuren Drucker suchen muß!
  Wer liest denn sowas? Das ist doch alles nur Textmüll, den niemand haben wollte! Unbefriedigte Autoren,
Möchtegern-Publikumslieblinge tummeln sich im Netz. Qualität ist Null. Das ist doch keine Kultur, das ist Massenpsychose und Unterwerfung
unter die Technik!
Seit 2 Jahren Liebe Webfreunde! Ich veröffentliche
jetzt selbst meine Bücher: über Books on Demand. Das ist einfach und billig. Die Bücher sind im Netz oder in jeder Buchhandlung zu
bestellen - oder vom Netz online abzurufen.
  Wer soll denn diese wahllose Massenproduktion lesen? Wo bleiben dabei Qualität und Kunst? Das ist doch der reinste
Bücherwahnsinn, den keiner mehr lesen kann und will!
in zehn
Jahren
auszufüllen nach Belieben (Die Antwort der neuen Verneiner kommt bestimmt!) Die alten
Verächter arbeiten dafür alle mit den bislang verteufelten Medien!

 
 

Sunday, February 25, 2001

Das Opfer - 04 von Regina Berlinghof @ 20:03

Das Gespräch zwischen den beiden Eheleuten war fast verstummt, seitdem Daniel verschwunden war. Es beschränkte sich auf die kleinen alltäglichen Notwendigkeiten. Über das, worüber ihre Gedanken ständig und zwanghaft kreisten, sprachen sie kaum, und wenn, dann nur in Andeutungen und beschönigenden Umschreibungen. Wie auf ein Signal schreckten sie beide davor zurück, ihre Angst, ihre Verzweiflung in Worte zu fassen. Als würde nur ein Wort den Damm zum Überlaufen und vielleicht zum Einsturz bringen, versuchten sie, sich durch das Schweigen aufrecht zu halten, die Fassung zu wahren und die Hoffnung nicht zu verlieren. 

"Beten!" stieß Professor Siebert bitter aus. "Wenn die Polizei nicht weiter weiß, rät sie zum Beten! Ich gehe ins Labor. Die Arbeit ist jedenfalls nicht davongelaufen." 

Er ging, wie er jeden Tag gegangen war. Der Weg ins Labor, das Labor selbst, war sein Halt. Die Arbeit hielt die die quälenden Gedanken fern und gab ihm das Gefühl, etwas tun zu können. Denn wenn er nichts tat, nicht handelte - dann blieb ihm nur übrig, in das schwarze Loch hilfloser Ohnmacht zu blicken. Und zu der Ohnmacht, für seinen Sohn nichts tun zu können, gesellte sich nun auch noch die Hilflosigkeit der Polizei, die die bisher nur persönliche Ohnmacht in absolute Machtlosigkeit verwandelte. Siebert schauderte unwillkürlich vor diesem Abgrund zurück. Er arbeitete noch mehr als früher. Hier konnte er wenigstens etwas Sinnvolles tun. 

Anja Siebert hörte die Tür zuschlagen. Dann war sie mit ihren Gedanken allein. Sie dachte darüber nach, ob sie beten sollte. Sie war nicht religiös. Während des Studiums war sie aus der Kirche ausgetreten. Gott, Kirche, Gebet - das waren Worte, die nichts in ihr auslösten. Sie konnte sich Gott nicht als den rauschebärtigen Alten der Kinderzeit vorstellen - und zu einem Kantschen Ding an sich kann man nicht beten. Es war ihr überhaupt unvorstellbar, daß eine Art Person die Welt geschaffen haben sollte - denn Gott mußte doch eine Art Person sein, wenn man ihn (oder sie?) mit "Du" anreden konnte. Sprechen, bitten - das tat man nur zu einem anderen, einem Gegenüber. Aber dieses Gegenüber, das Gott sein sollte, hatte in ihrem Leben keine Rolle gespielt - und es hatte sich auch nicht ausgewirkt. Warum sollte sie Gott bitten, daß er ihr Daniel zurückgebe? Wenn Gott so allmächtig und allgütig war, wie es immer hieß, dann hätte er ihn erst gar nicht verschwinden lassen dürfen! Nein, zu einem solchen Gott konnte und wollte sie nicht beten. 

Aber ein anderes Wort Kommissar Reuters war ihr nachgehallt: unversehens. Ja, Daniel war unversehens verschwunden - so unversehens, als sei er wirklich unsichtbar geworden und aus der Wohnung geschwebt. Anja schauderte - und dachte wieder an den kalten Luftzug. Das ließ sie sich nicht ausreden - daß dieser kalte Luftzug mit der Entführung zusammenhing. Aber wie und warum, das sah und verstand sie nicht.

Wann die Träume begonnen hatten, konnte Anja im Nachhinein nicht mehr festmachen. Es war ja auch kein Wunder, daß sie in dieser Situation unter Schlafstörungen litt und von Alpträumen heimgesucht wurde. Die ersten Nächte hatte sie ein Schlafmittel genommen. Aber morgens wachte sie zerschlagen auf und war müder, als sie zu Bett gegangen war. Sie setzte die Tabletten ab und stellte sich der Schlaflosigkeit und den Träumen. Zuerst hörte sie nur Daniels Weinen. Ein Weinen, das in ängstliches Wimmern überging. 

Fortsetzung folgt
Diese und alle weiteren Folgen dieser Geschichte, die ich im Tagebau veröffentlicht habe, finden sich auf meiner Homepage 

Wednesday, 21, 2001

Das Opfer - 03 von Regina Berlinghof@ 17:20

Irgendwo mußte ein Fenster offenstehen oder war von selbst aufgegangen. Sie eilte in Daniels Zimmer. Daniel war gegen Zug noch sehr empfindlich. Sie war erleichtert, als sie das Fenster in seinem Zimmer geschlossen fand. Sie beugte sich über sein Bettchen und erstarrte. Er war nicht mehr da. Nein, das konnte nicht sein, sie hatte sich getäuscht! Sie langte in das Bett und griff ins Leere. Dann stürzte sie zum Lichtschalter - das Licht bestätigte ihr nur, was sie nicht wahrhaben, nicht hatte glauben wollen. Sie schrie nach Daniel - und wußte nur zu gut, daß er noch zu klein war, um das Bett selbständig verlassen zu können. Sie rannte durch das ganze Haus - von Daniel keine Spur. Auch sonst war kein Fenster geöffnet, die Tür war noch verriegelt. 

Die schreckliche Wahrheit durchtränkte allmählich ihr Bewußtsein, bis sie schließlich sehen und fassen konnte, daß sie nicht halluzinierte und nicht unter Sinnestrübungen litt. Als ihr nichts als die Erkenntnis übrig blieb, daß ihr Kind wirklich und tatsächlich verschwunden war, blendete eine überklare und energiegeladene Wachheit in ihr auf und schob die zitternde Angst in einen dunklen, nicht mehr wahrnehmenbaren Winkel. Es war wie an einem eisig-sonnigen schneebedeckten Wintertag bei Ostwetterlage: der Wind hatte Wolken, Staub und Smog davongeweht. Auf freiem Land ging die Sicht kilometerweit. Boden, Himmel leuchteten so intensiv in der frostigen Luft als seien sie von einer südlichen Sonne beschienen. Aber die Farben waren trügerisch, denn draußen schnitt die Kälte scharf ins Gesicht, und der Tod lauerte auf Menschenfleisch, wenn man die bloße Haut nicht schützte und wärmte. In dieser frostig klaren, luziden Wachheit rief sie bei dem Fernsehsender an und verlangte ihren Mann. Sie waren schon in ein Weinlokal abgezogen. Aber jemand im Studio konnte ihr noch den Tip geben, wohin sie gegangen waren. Sie erreichte ihn dort. "Daniel ist fort - ich rufe jetzt die Polizei an. Komm nach Hause!" Sie sprach so klar und bestimmt, daß Jürgen nicht nachfragte oder nähere Erklärungen wünschte. Unter einem Vorwand verabschiedete er sich von den Fernsehleuten und fuhr nach Hause. Als er ankam, war die Polizei schon eingetroffen. 

Die Fakten waren bestürzend. Der knapp einjährige Daniel war aus der Wohnung verschwunden, ohne daß es sichtbare Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen von außen gab. Frau Siebert hatte das Kind zuletzt ruhig schlafend in seinem Bettchen gesehen, bevor sie sich zum Fernsehen gesetzt hatte. Die ganze Zeit über hatte sie sich im Raum neben dem Kinderzimmer befunden und nichts Auffallendes oder Besorgniserregendes gehört. Alle Fenster und Türen des Siebertschen Hauses waren verschlossen. Es war unmöglich, daß der kleine Daniel selbst sein vergittertes Kinderbett verlassen, zur Haustür gekrochen - und dann von selbst - welch absurde Vorstellung! - sich zur Verriegelung aufgerichtet oder emporgezogen hatte, um sie aufzudrehen, dann die Klinke nach unten zu drücken und schließlich nach draußen zu entwischen. Trotzdem begann eine Suchmannschaft sofort, die nähere Umgebung nach dem Kind abzusuchen. Spezialisten der Spurensicherung wurden umgehend beim Bundeskriminalamt angefordert. Die exponierte Stellung Professor Sieberts und sein Eintreten für Tierversuche ließ an die Tat eines rachsüchtigten Tierschützers denken. Natürlich wurde auch das persönliche Umfeld der Eheleute Siebert durchleuchtet. Es gab vier Schlüsselbunde für das Siebertsche Haus. Je einen hatten die Eheleute, einen hatte man der Schwester von Frau Siebert zur Aufbewahrung gegeben, und einer hing als Reserve im Schlüsselkasten. Die Nachforschungen bei der Schwester oder bei Nachbarn ergaben keinerlei Verdachtsmomente. Der Reserveschlüssel hing da, wo er immer hing. Keiner der Schlüssel wies Anzeichen dafür auf, daß er zum Anfertigen von Nachschlüsseln behandelt worden war. Frau Siebert hatte im Verlauf der Fernsehsendung zweieinhalb Glas Rotwein getrunken, die aber keine nachteiligen Auswirkungen zeigten. Auf die Polizeibeamten machte Frau Siebert den Eindruck einer innerlich zitternden und nervösen, insgesamt aber doch gefaßten Frau, die ihre Nerven beieinander halten konnte. 

Die nächtlichen Ermittlungen erbrachten keinerlei Hinweise für den Verbleib des kleinen Daniel. Die Polizei wartete auf den Anruf der Entführer. Aber kein Anruf kam. Die Auswertungen der Spurensicherung bestätigten den äußerlichen Eindruck: es gab keine Spuren eines gewaltsamen Eindringens. Nicht durch die Tür und nicht durch die Fenster. 

 "Und was war mit dem kalten Luftzug?" fragte Frau Siebert verzweifelt immer wieder. Aber niemand konnte, niemand wollte ihr eine Antwort darauf geben. Fotos von dem kleinen Daniel gingen in den folgenden Tagen durch die Presse und wurden in den Fernsehnachrichten gezeigt.

"Ich verstehe das nicht," sagte Polizeioberkommissar Reuter zu seinem Vorgesetzten. "Normalerweise gehen in einem solchen Fall haufenweise Hinweise aus der Bevölkerung ein. Aber in meinem ganzen Berufsleben habe ich noch keine solche Funkstille erlebt." Es gab niemanden, der bei einem Bekannten oder bei Freunden ein Kind gesehen hatte, das es vorher bei ihnen nicht gab. Keiner der Nachbarn hatte etwas Verdächtiges um das Siebertsche Haus an dem Abend des Verschwindens bemerkt. Es gab auch keine offenen oder anonymen Anzeigen, die das friedlich-harmonische Eheleben der Sieberts in Zweifel zogen. Die beiden waren sich anscheinend sogar treu. Die Polizei suchte und spürte nach allen Richtungen, aber von nirgendwoher kam ein Echo, das anzeigte, daß sie fündig geworden waren. Wie im Nebel endeten die Spuren immer da, von wo sie ausgegangen waren. Keine führte weiter. 

Oberkommissar Reuter mußte den verzweifelten Eltern die Erfolglosigkeit der Ermittlungen eingestehen. Es gab nichts, womit er sie trösten, womit er ihnen Hoffnung geben konnte. "Wir können nur abwarten und hoffen und beten, daß der Kleine wohlauf ist und sich so unversehens sich wieder bei Ihnen einfindet, wie er verschwunden ist. Wir werden weiter jede neue Spur, jeden neuen Hinweis aufgreifen und überprüfen. Aber vorläufig sind wir an einem toten Punkt angelangt." 

Er ging und ließ die Eltern in ihrem Schweigen zurück.

Fortsetzung folgt
Diese und alle weiteren Folgen dieser Geschichte, die ich im Tagebau veröffentlicht habe, finden sich auf meiner Homepage 
 

Sunday, February 18, 2001

Das Opfer - 02
von Regina Berlinghof @ 14:31

Anja fand Muße, sich mit seinen Gegnern zu beschäftigen. Es waren zwei - ein Mann von den Tierschützern, und eine Frau als Vertreterin der Kirche, in diesem Fall für die ethischen Fragen zuständig. Es waren zwei kümmerliche, armselige Gestalten, die gegen ihren Jürgen keine Chance hatten. Der Tierschutzvertreter verhaspelte sich beim Sprechen, er brachte die altbekannten Behauptungen von den Tieren als Mitgeschöpfen und fühlenden und leidenden Wesen vor. Statt sie zu begründen, wiederholte er seine Schlagworte nur wieder und wieder und wußte Jürgens Einwänden nichts als unsachliche und wütende Einwürfe entgegenzubrüllen. Seine Unbeherrschtheit verstörte das Publikum, das anfangs ganz auf seiner Seite gewesen war. Der Beifall, der bei seiner Begrüßung aufgebrandet war, verlief sich, bis er schließlich ins Nichtmehrvorhandene versandete. Als er Jürgen schließlich noch persönlich angriff und ihm überhebliche Arroganz und Fühllosigkeit vorwarf, hatte er seine Sympathien ganz verscherzt. 
Die Kirchenvertreterin sprach langatmig und fing stets bei Adam und Eva an, bis sie zum eigentlichen Thema kam. Was ihr aber, die ebenfalls für die Tiere sprach, die Gunst der Zuhörer raubte, war ihre unangenehm gaumig verhangene Sprechweise. Es fiel schwer, dieser farblos käsigen Stimme zuzuhören, die außerdem, wenn sie nicht lispelte, das "S" mit einem merkwürdig scharfen Zischlaut aussprach. Was sie dann sagte, spielte kaum noch eine Rolle, denn es wurde von dem unsauberen Klang und der lispelnden Stimme eingefärbt. Selbst der Moderator fiel ihr ins Wort und wandte sich lieber Professor Siebert zu, der mit geschulter, wohltönender Stimme Worte, Argumente und die Gegenwart seiner Gegner vergessen machte, kaum daß er das Wort ergriff. Er sprach davon, daß er selbst Tiere über alles liebe - und man war gerührt. Er sagte, er würde es nicht zulassen, daß die Tiere in seinem Versuchslabor unnötig oder übermäßig leiden müßten - und man glaubte ihm. Er sagte, daß er es selbst zutiefst bedauere, den Reportern augenblicklich keinen Zutritt zu seinem Laboratorium gewähren zu können - das Projekt, an dem er zur Zeit arbeite, gehöre zur höchsten Geheimstufe. Die Konkurrenz- und Wirtschaftsfähigkeit der Bundesrepublik sei ernsthaft bedroht, wenn andere Staaten (er brauchte Japan und Amerika nicht einmal zu erwähnen) Einblick erhielten. Das Publikum zitterte um seinen Geldbeutel und hakte nicht nach. 
Professor Siebert beherrschte die Runde nach seinem Belieben. Er erzählte von der segensreichen Forschung für die Krebskranken, für die Aidsinfizierten und die leidenden Rheumatiker - immerhin eine Volkskrankheit, für die es noch kein wirksames Heilmittel gab. Niemandem im Zuschauerraum und den wenigsten vor dem Fernsehschirm fiel es auf, daß von den Tieren, um die es eigentlich ging, nicht mehr die Rede war. Kaum jemandem fiel es auf, daß der ganze Bereich Forschung und Tierversuche in der Schönheitsindustrie ausgeblendet war - am wenigsten natürlich Anja Siebert, für die intensive Körperpflege nicht nur ein "must", sondern genußvolles Körpererleben bedeutete, bei dem jeder Blick in den Spiegel ihr versicherte, daß sie eine schöne Frau war. Und so wie sie stolz auf ihren klugen, souveränen und gutaussehenden Mann war, wußte sie, daß er umgekehrt stolz auf ihre Schönheit und Eleganz war. Natürlich liebte er sie nicht nur deswegen. Sie war nicht dumm. Sie hatte ein Studium der Germanistik und Anglistik beendet, wenn auch nie einen Beruf ausgeübt. Er bewunderte ihre Bildung, ihre Belesenheit und bezeichnete sich gern kokett als naturwissenschaftlichen Fachidioten. Sie liebte Theater, Konzerte und Bücher. Sie wußte das Haus geschmackvoll einzurichten. Sie konnte gleichermaßen freundlich und gewinnend (ohne zu plump zu schmeicheln) mit seinen Kollegen, den Studenten und den immer klagenden Leuten vom Mittelbau umgehen. Sie erkannte mögliche Verärgerungen, Eifelsüchteleien und Konfliktstoffe im Keim und wußte sie mit Charme um ihren Mann herumzuleiten. 
Sie waren ein glückliches und erfolgreiches Paar - und besonders glücklich, seit der kleine Daniel gesund und mit wachen Augen ein ebenso vielversprechendes Exemplar der Menschheit wie seine Eltern zu werden schien.
Professor Siebert wurde mit donnerndem Applaus verabschiedet, seine beiden Kontrahenten schlichen gekränkt, verärgert und verlegen aus dem Studio, geduckt von dem eisigen Schweigen, das sie begleitete. Anja wußte, daß ihr Mann anschließend noch das eine oder andere Glas mit den Fernsehleuten heben würde. Sie hatte genug Zeit, alles Notwendige für einen kleinen, aber gehobenen Siegesempfang vorzubereiten. Sie summte glücklich vor sich hin, als sie in der Küche werkelte und später aus der Vitrine im Wohnzimmer die besten Gläser herausholte.
Ein kalter Luftzug ließ sie innehalten.
 

Fortsetzung folgt
Diese und alle weiteren Folgen dieser Geschichte, die ich im Tagebau veröffentlicht habe, finden sich auf meiner Homepage 
 

Friday, February 16, 2001

Ein Klumpen Fleisch - kaum besser als ein Tier ...' Ab wann war der Mensch denn Mensch?
von Regina Berlinghof @ 18:50

Eine (fiktive) Diskussion vor 2004 Jahren und heute...

Als wir einmal nachts beieinanderlagen und wegen der Hitze nicht einschlafen konnten, tanzte das kleine Lebewesen in mir auf und ab. Ich griff schnell nach Jehudas Hand.
"Spür doch, es bewegt sich wieder!"
Jehuda riß seine Hand los.
"Bitte laß mich doch mit diesen Dingen in Ruhe! Immer wenn ich deinen Bauch berühren soll, komme ich mir vor, als hätte ich es mit einem trächtigen Tier zu tun! Was reitest du auf einmal ständig auf diesen körperlichen Vorgängen herum? Man redet doch auch nicht dauernd von seiner Verdauung! Und dieses 'kleine Wesen', von dem du immer sprichst! Wir müssen dem Herrn danken, daß er uns in seiner Gnade und Güte ein Kind schenken will. Aber bedenke - das Ungeborene hat noch nicht teil am Geist des Herrn! Es ist nichts als ein Klumpen Fleisch - ohne Verstand und ohne jegliche menschliche Empfindung! Wenn es einmal geboren und verständig genug ist, die Lehren und Gebote des Herrn zu empfangen, dann wirst du schon sehen, wie ich mich um unseren Sohn - so der Herr uns gnädig ist - kümmern werde!"
"Aber es ist unser Kind, Jehuda! Ein neues Leben - ein Geschenk des Herrn und wunderbar!"
"Das ist jedes heranwachsende Tier im Bauch seiner Mutter auch. Aber wir sind Menschen und die einzigen, denen der Herr seine Gebote verkündet hat. Solange ein Kind unfähig ist, die Gebote des Herrn zu lernen und zu verstehen, solange ist es kaum besser als ein Tier."
"Aber Jehuda ..."
"Mirjam, ich bin sehr müde und habe morgen einen anstrengenden Tag vor mir. Bitte laß uns ein andermal darüber reden."
Jehuda drehte sich von mir ab, und nach wenigen Augenblicken hörte ich seine Atemzüge langsamer und tiefer werden und bald darauf in ein sanftes Schnarchen übergehen.
Ich verstand nicht, warum Jehuda nicht begriff und nicht begreifen wollte. Seine Worte klangen in mir nach: 'Ein Klumpen Fleisch - kaum besser als ein Tier ...' Ab wann war der Mensch denn Mensch? Erst wenn er geboren war - oder sogar erst, wenn er die Gebote studiert hatte? Woher nahm Jehuda seine Gewißheit? Das wurmte mich am meisten: daß er nicht einmal bereit war, in Betracht zu ziehen, daß er sich irren könnte. Er war ja nicht einmal bereit, mit mir darüber zu sprechen! Oder war ich es, die sich irrte? Lehrten die Rabbanim nicht, daß ein Mensch, der in der Torah unterwiesen ist, Vorrang vor dem hat, der das Gesetz nicht kennt? Hat nicht sogar ein gesetzeskundiger Bastard Vorrang vor einem unwissenden Hohepriester? Aber auch wenn der Gesetzesunkundige nur einen geringen Rang hatte, so war er doch ein Mensch. Und selbst ein lallender Säugling war ein Mensch und kein Tier! Hatte der Herr nicht erst am sechsten Tag Adam und Chava nach seinem Bild geformt, nachdem alle Tiere erschaffen waren? Und Adam und Chava hatten noch nichts von den Geboten gewußt! Und trotzdem war ihre Erschaffung einem besonderen Tag vorbehalten! 'Und der Herr sah, daß es gut war ...' Wenn es dem Herrn so viel bedeutete, Menschen seinen Lebensodem einzuhauchen - warum sollte es dann nicht auch für uns bedeutend sein?

(aus Mirjam. Maria Magdalena und Jesus. Roman - 9. Kapitel: Die Entfremdung)

Thursday, February 15, 2001

Das Opfer - 01von Regina Berlinghof @ 00:32

Anja Siebert hatte es sich vor dem Fernseher bequem gemacht. Sie hatte sich ein Glas Bordeaux eingeschenkt und zur Feier des Tages eine Schachtel mit den hausgefertigten Pralinées einer Nobelconfiserie aus der Innenstadt geöffnet. Der kleine Daniel schlief schon fest im Zimmer nebenan. Alles war bereit für die große Stunde, in der sie Jürgen in einer Talkshow erleben durfte. Professor Dr. Jürgen Siebert war als vehementer und beredter Verfechter für wissenschaftliche Tierversuche zu der Runde eingeladen worden. Im Kreuzfeuer geharnischter, öffentlicher Kritik war er einer der wenigen, die die Fahne für Wissenschaft und Forschung hochhielten und die Fortsetzung der Tierversuche für unabdingbar erklärten. Anja Siebert bewunderte ihren Mann, der so aufrichtig und aufopfernd für seine Sache eintrat. Schließlich geschah es ausschließlich zur Rettung von Menschenleben.
Endlich begann die Sendung. Während Frau Siebert anfangs eine gewisse Nervosität nicht unterdrücken konnte, gewann sie schnell ihre Ruhe zurück, als sie ihren Mann, gelassen und souverän wie immer sprechen sah. Er machte die beste Figur in der Runde. Nicht einmal der winzige Bildschirm konnte die Tatsache unterschlagen, daß ihr Jürgen ein ausgesprochen gutaussehender Mann war. Sein offenes, klares Gesicht, das von braunem, welligem und noch ganz dichtem, fülligen Haar umrahmt war, hatte schöne, regelmäßige Züge, und wenn er lächelte, zeigten sich gesunde, weiße Zähne. Mit natürlicher, selbstsicherer Autorität unterstrich er seine Sätze mit den Händen. Selbstverständlich saß der dunkle Anzug tadellos und verriet dem Kenner einen erstklassigen Schneider. Und dieser blendend aussehende Mann konnte glänzend formulieren! Er behielt die Übersicht über Gedanken und Sprache, er scheute keine Nebensätze und wußte sie korrekt zu beenden. Seine Worte flossen in anschaulichen Bildern druckreif von den Lippen, seine Gedanken entwickelten sich klar und schlüssig. Dabei war er auf die Logik und Überzeugungskraft seiner Argumente gar nicht angewiesen. Vorgetragen mit einer warmen und modulationsfähigen Baritonstimme gewannen seine Sätze und ihr Inhalt die selbstverständliche Autorität, die mit Schönheit und Wohlklang einhergeht.
Kurz - er war ein Bilderbuchprofessor, wie sich ihn Studenten, Publikum und eine Ehefrau nicht besser wünschen konnten. Schade, daß in der Sitzrunde seine volle Größe und athletische Statur nicht zur Geltung kamen. Er überragte Anja um gute dreißig Zentimeter, dabei war sie keine kleine Frau!
Sie prostete ihm zu, während er von wissenschaftlichem Fortschritt und dem Wohl der Menschheit sprach. Das Studiopublikum, das ihn frostig begrüßt und sogar mit einzelnen Buhrufen empfangen hatte, taute auf. Die anfänglichen Zwischenrufe erstarben und machten sogar einem dünnen Applaus Platz, der im Laufe der Zeit immer voller und wärmer wurde. Der Moderator, der Professor Siebert zwar höflich vorgestellt aber doch mit deutlicher Distanz begegnet war, neigte sich bald ehrfürchtig, ja fast demutsvoll ihrem Mann zu. Was er sagte, das galt. Er sagte es leicht und mit einem Lächeln auf den Lippen - vielleicht hatte es darum um so mehr Gewicht. Professor Jürgen Siebert hatte wieder einmal sein Publikum erobert. Es war jetzt schon klar, daß er einen glänzenden Sieg für die Forschung davontragen würde. 

Fortsetzung folgt

Diese und alle weiteren Folgen dieser Geschichte, die ich im Tagebau veröffentlicht habe, finden sich auf meiner Homepage 
 
 
 
 Thursday, February 08, 2001

Die 68er Diskussion von Regina Berlinghof @ 22:38

Ich lese mit Verwunderung, daß die Tageszeitungen und Journale voll sind mit kritischen Artikeln über die 68er Jahre. Wieso ausgerechnet jetzt? 1998, zum dreißigsten Geburtstag, gab es gerührte Heldenerinnerungen und sonst nichts. 

Damals veröffentlichte ich auf meiner Homepage meine Erinnerungen an diese Zeit. Titel: "Total out. Erinnerungen einer reaktionären 68erin".
Für mich war es damals eine Machtergreifung von links. Die sogenannten Befreier kämpften mit einer geistigen Unduldsamkeit gegen jeden Andersdenkenden, die keine andere Meinung zuließ. Wer dennoch einen anderen Standpunkt vertrat, dem attestierten sie "das falsche Bewußtsein". Im mildesten Sinn galt solch ein Andersdenkender als politisch unaufgeklärt, ansonsten als bourgeoiser Scheißliberaler oder Reaktionär, im schlimmsten Fall als Faschist, Kapitalist, Imperialist, Kolonialist, Nazi usw.
Eine kritische Bemerkung zum Einmarsch der Sowjets in der Tschechoslowakei, über den Maximo Lider, Che, oder HoTschiMinh - und man war "out". Ebenso, wenn man sich traute, etwas Positives über die Amerikaner zu sagen. 
Ansonsten gab es Stellvertreterkriege: Wir 68er kämpften mit den Argumenten der Alten gegeneinander: gegen die Heilsgewißtheiten von Marx, Lenin, H. Marcuse, Lukacs und Habermas zitierte frau Sokrates ("ich weiß, daß ich nichts weiß"), Camus, Eric Hoffer ("Der Fanatiker"), Popper, George Orwell, Arthur Koestler und Karl Albert. Es war schon ein erhebendes Erlebnis, als dumm und "unaufgeklärt" abgetan zu werden, nur weil man eine andere Meinung vertrat, als der linke Absolutheitsanspruch zuließ.. 

Noch weniger galten Tatsachenberichte wie Wolfgang Leonhardts "Die Revolution entläßt ihre Kinder" oder die Autobiographie seiner Mutter: "Gestohlenes Leben". Ein Buch ähnlich erschreckend wie die Berichte aus den NaziKZ's. Susanne Leonhardt hatte Jahre im Gulag verbracht. Sie setzte sich nicht nur kritisch mit Stalin, sondern auch mit Lenin auseinander. Aber davon wollten die Freiheitsbeweger und Aufklärer nichts wissen. Auch nicht, als Solschenizyn über die Gulags schrieb. Das waren alles Schreiberlinge im Dienste des Klassenfeindes. Als die Sowjets in Afghanistan einmarschierten, waren das natürlich Befreier von einem reaktionären System. 
Wenn ich heute höre, "wir haben doch das Gute gewollt", dann erinnert mich das an die Stammtischreden der Nazigeneration: aber Hitler hat doch Autobahnen gebaut. Man/frau
kann nur von Glück sagen, daß die linken 68er mit ihrer "Revolution" im Gegensatz zu den Nazis keinen Erfolg hatten. 
 
 
 Donnerstag, Januar 11, 2001

Menschenrechte oder Quod licet Jovi non licet bovi - Nachtrag- Regina Berlinghof @ 18:58 
Ich habe heute Nacht natürlich den Oberjovis vergessen (oder besser die Oberjoves (Plural)): 
Die Päpste in Rom mit ihrem Unfehlbarkeits- und Gehorsamsanspruch. 
So zeigt der lateinische Satz, wes Geisteskind päpstliche Dogmen sind. Nicht dem christlichen "Liebet einander" entsprungen, sondern der römisch-disziplinierten Unterscheidung zwischen Herrn und Knecht, Hirten und Schafen, Verzeihung Jovis und boves. (Kein Wunder, daß die Schafe schon seit zweitausend Jahren mit Scrapie, der Traberkrankheit, verrückt spielen. Die Rinder lernen nun von ihnen.
 

Menschenrechte oder Quod licet Jovi non licet bovi-Regina Berlinghof @ 00:29 
Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Rindvieh noch lange nicht erlaubt. So hieß das alte römische Sprichwort und machte den feinen Unterschied zwischen Gott und Tier, Patrizier und Plebejer, Herrscher und Knecht zum Prinzip. Es scheint, als hätten wir uns diese Denkungsart schon längst wieder zu eigen gemacht. Kohl und seine Schwarzgeldspenden, die Tritte gegen einen hilflos am Boden liegenden Polizisten in Frankreich und Frankfurt, einmal durch rechte Skins, das andere Mal durch einen linken Kämpfer und späteren Außenminister, die Gesundheit der Tiere, die nur nach Verbraucherschutzgesichtspunkten bemessen wird, die fehlende "Selbstachtung der Embryonen" (so der neue Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin), weshalb das "therapeutische" Klonen erlaubt sein soll. 
Die Bibel sprach voll Abscheu über die Kinderopfer, die der Gott Moloch von seinen Anhängern forderte. Wir opfern unsere Kinder nicht mehr Moloch oder dem Gott Abrahams, der das Sohnesopfer Isaak zurückwies - wir produzieren und fressen unsere Kinder wie Vitamintabletten. Die Menschenwürde, die unantastbar für jeden gleichermaßen gilt, spielt keine Rolle mehr. Die Würde der Tiere war sowieso nur das Thema von einigen verrückten Naturspinnern. 
Nun, bovis streikt, spielt verrückt - und Jovis weiß nicht mehr, was er essen soll. Nun, wer das Leben nicht schätzt und schützt, muß eben mit dem Tod leben. Quod licet bovi, non licet Jovi.
 
 
 Dienstag, Januar 02, 2001

Gutes Fleisch auf den Tisch (3) - oder Neues aus Absurdistan- Regina Berlinghof @ 23:42 
Wenn ein Kind in den Brunnen gefallen ist, ist es das natürlichste, daß zunächst eine Kontrollbehörde eingerichtet wird, die verhindert, daß dieses Kind weitere Kinder in den Brunnen lockt. Weiterhin muß die EU dafür Sorge tragen, daß die verwesenden Leichname in den Brunnen nicht das Wasser vergiften. Die Brunnen und die Wasserqualität müssen also ständig überprüft werden. Das ist zwar mit Kosten verbunden, kann aber durch Steuererhöhungen aufgefangen werden. Die Schreie der Kinder, die in den Brunnen gefallen sind, sind entsetzlich und stören den Schlaf der Nachbarschaft. Also müssen schallisolierende Maßnahmen getroffen werden.
"Und wieso holt man die Kinder nicht aus den Brunnen heraus?" fragte Klein-Tussi. Aber wer hört schon auf Kinder. Dann könnte man ja auch Tiere artgerecht halten und auf Schutzmaßnahmen, Lebensmittelkontrollbehörden etc. verzichten.
 
 

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